Abt Urban Federer hört dem Kopten Rafat Tadros zu
Schweiz

Frühchristliche Märtyrer als Kitt zwischen Ägypten und der Schweiz

Luzern, 30.3.17 (kath.ch) Nicht nur auf höchster Ebene sind Christen mit Kopten in Ägypten verbunden – wie die Papstreise nach Ägypten Ende April vermuten liesse. Auch zwischen dem Kloster Einsiedeln und der Verenastiftung in Zurzach laufen die Fäden zu den Kopten heiss. Das wurde an der Podiumsdiskussion «Ägypten und das Christentum» vom 27. März an der Universität Luzern klar.

Regula Pfeifer

Das Kloster Einsiedeln ist spirituell und freundschaftlich mit den Kopten verbunden, wie Abt Urban Federer an der Veranstaltung erklärte. Die spirituelle Beziehung läuft über die Verehrung von Heiligen. Einsiedeln hat den Heiligen Mauritius als Nebenpatron – zur Hauptpatronin Maria. Mauritius kam im ersten Jahrhundert nach Christus mit der Thebäischen Legion aus dem heutigen Ägypten in die Schweiz. Denselben Weg hatten Stadtheilige von Zürich, Felix und Regula, gemacht. Ihre Reliquien hütet das Kloster seit dem 10. Jahrhundert.

«Uns verbindet auch das Mönchtum», fügte der Abt und Benediktiner hinzu. Diese Lebensweise habe sich in der Wüste Ägyptens entwickelt, von dort aus seien Mönche in die Schweiz eingewandert und hätten sich in Wäldern niedergelassen. «Als die Kopten im 20. Jahrhundert wiederkamen, suchten sie vor allem die Beziehung zu den Klöstern», erzählte Federer. Dies, wegen ihrer starken monastischen Tradition.

Kloster Einsiedeln als Unterkunft

Für die koptischen Priester, die zu Besuch in der Schweiz waren, musste ein Ort zum Wohnen gefunden werden. Die Wahl fiel auf das Kloster Einsiedeln. Sie finden da nun seit Anfang 1980er-Jahre Unterkunft und Anschluss. «Die koptischen Mönche, die bei uns wohnten, waren auch immer beim Chorgebet dabei», sagte Federer. Auch mit dem bisher einzigen ansässigen koptischen Priester, mit Pater Isidoros El-Anba-Samuel, ist der Abt in Kontakt. Der Pater betreut die Kopten der Deutschschweiz von der Kirche in Dietlikon ZH aus und besucht einmal pro Woche Einsiedeln.

Die Gottesdienste besuchen die Kopten aber weniger in Einsiedeln als vielmehr im aargaischen Zurzach oder in Saint-Maurice, wie Federer weiss. In der Krypta der Zurzacher Stiftskirche befindet sich das Grab der Heiligen Verena. Diese frühe Christin war ebenfalls mit der Thebäischen Legion von Ägypten aus in den Westen aufgebrochen und hatte sich erst in der Verenaschlucht bei Solothurn und später in Zurzach aufgehalten.

Anziehungspunkt Heilige Verena in Zurzach

Pater Isodoros ist mit Zurzach in engem Kontakt, wie Verena Füllemann-Kuhn, Präsidentin der St. Verena Stiftung, am Anlass erläuterte. Er komme seit 2007 jedes Jahr ans Gedenkfest der Heiligen Verena, erklärte sie und fügte begeistert hinzu: «Er ist ein Geschenk für uns.» Isidoros El-Anba-Samuel vermittelt offenbar auch Kontakte zu Kirchenvertretern in Ägypten. «Erst kürzlich waren zwei koptische Bischöfe bei uns zu Besuch», so Füllemann. Im Dezember 2013 besuchte sogar Tawadros II, der koptische Patriarch, mit einer Delegation Zurzach und verweilte am Grab der Heiligen Verena. Ab und zu kam es zu einer Übergabe von Reliquien an die Ägypter. «Für uns ist dieser herzliche Kontakt zu den Kopten auch eine Verbindung zur Frühzeit des Christentums», sagte Füllemann.

Dank dieser Beziehungen entdeckten die Kopten ihre Märtyrer neu. «Die Heiligen der Thebäischen Legion waren für uns anfänglich Fremde», erzählte Rafat Tadros, ein im appenzellischen Herisau lebender Kopte. Jahrhundertelang habe man nichts von ihnen gewusst. Erst vor wenigen Jahrzehnten sei die Beziehung zu den «verlorenen Väter und Mütter» wieder zustande gekommen. «Und jetzt heissen plötzlich alle koptischen Mädchen Verena», erzählte er unter Lachern.

«Und jetzt heissen plötzlich alle koptischen Mädchen Verena.»

«Auch wir haben dank den Kopten unsere Heiligen neu entdeckt», fügte Abt Urban Federer an. Man sei sich bewusst geworden, woher diese Heiligen im Grunde kamen. «Wir merkten: Das waren keine Urschweizer».

Laut Federer hat diese Beziehung neben der historischen auch eine aktuelle Bedeutung. Der Abt von Einsiedeln erinnerte an Papst Franziskus, der von der Müdigkeit des Christentums in Europa sprach. «Da kommen nun Leute aus der Verfolgung, aus dem Martyrium, die für ihren Glauben einstehen», so Federer. Das sei für die hiesige Kirche eine Chance. «Das sind Leute, die uns Lust auf unseren christlichen Glauben geben.» Er plädierte deshalb für grosszügige Gastfreundschaft. So sollten die leeren katholischen Kirchen unkompliziert koptischen und orthodoxen Gemeinschaften zur Verfügung gestellt werden.

Vermehrt bedroht im Heimatland

In Ägypten fühlen sich die Kopten zunehmend bedroht durch muslimische Eiferer, wie Walter Bühlmann in seinem Inputreferat darlegte. Es komme vermehrt zu Gewaltakten gegen sie. Der Priester in Sursee LU und emeritierte Lehr- und Forschungsbeauftrage für Bibelwissenschaft und Verkündigung an der Universität Luzern hat im Auftrag der St. Verena-Stiftung Zurzach ein Verenabuch* geschrieben und sich dabei mit der Situation der Kopten befasst. Dabei bezeichnete Bühlmann die christlichen Kirchen Ägypten als «älteste Kirchen der Welt». Die koptische Kirche habe im 20. Jahrhundert eine «innenmissionarische Kraft entfaltet», die zu wichtigen Erneuerungen geführt habe, so Bühlmann. Die Kirchen seien voll und Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den Kirchgemeinden sehr aktiv.

In der Schweiz leben aktuell gegen 400 koptische Familien, so Bühlmann. Vor rund 60 Jahren habe die Auswanderung vieler Kopten aus Ägypten begonnen. Heute seien diese hauptsächlich in Nordamerika, Australien, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz ansässig.

Durch die Diskussion führte Judith Wipfler, Leiterin der Redaktion Religion bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Der koptische Priester Isidoros El-Anba-Samuel sass in der ersten Zuschauerreihe des Vorlesungssaals.

* Walter Bühlmann, Mit Kamm und Krug: Entdeckungsreise zur heiligen Verena von Zurzach, Rex Verlag 2009

Abt Urban Federer hört dem Kopten Rafat Tadros zu | © Regula Pfeifer
30. März 2017 | 16:35
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