Der Song "Teresa & Maria" des ukrainischen Frauenduos Alyona Alyona und Jerry Heil handelt von weiblicher Widerstandsfähigkeit.
Religion anders

Buntes Feuerwerk, nackte Haut und katholische Frauenfiguren beim ESC

Heute findet im schwedischen Malmö das Finale des Eurovision Song Contest statt. Neben dem favorisierten Schweizer Beitrag ist auch die Ukraine gut unterwegs mit ihrem Song über Maria und Mutter Teresa. Zudem starten Irland und Slowenien mit Texten über Hexen und Hexenverbrennungen. So viel geballt katholisch konnotierte Weiblichkeit löst auch Kontroversen aus.

Sarah Stutte

«Mutter Teresa und Diva Maria sind bei uns. Barfuss, wie über Klingen laufend, schritten sie über den Boden. Alle Diven wurden als menschliche Wesen geboren». So lautet ein Auszug aus dem Text von «Teresa & Maria», dem Beitrag des ukrainischen Frauenduos «Alyona Alyona & Jerry Heil» zum diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC).

Die beiden Musikerinnen aus der Ukraine: Aliona Savranenko und Jerry Heil.
Die beiden Musikerinnen aus der Ukraine: Aliona Savranenko und Jerry Heil.

Ihre Mischung aus eingängigem Elektrofolk und Rap-Elementen appelliert an das weibliche Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten, am Beispiel von Mutter Teresa, die 2016 von Papst Franziskus heiliggesprochen wurde, und der Jungfrau Maria.

Mutmacher für Kirchenfrauen

Sehr direkt zielt die Botschaft als Kritik auch in Richtung römisch-katholische Kirche. Die «schwierigen Zeiten» sind hier im doppelten Sinn zu verstehen – nicht nur im Alltag, sondern gerade auch innerhalb eines institutionellen Apparats, der an seinen eigenen rückständigen Strukturen krankt. In diesem Sinne gilt der Song durchaus auch als Mutmacher für Kirchenfrauen, die an der Weigerung zu Einsicht und Kursänderung im Kirchenschiff mitunter verzweifeln.

Den Song textete die Sängerin Jerry Heil zusammen mit der in ihrem Heimatland sehr bekannten Rapperin Aliona Savranenko. Die Ex-Kindergärtnerin benutzt für ihre Raps keine Fluchwörter, stattdessen legt sie den Fokus auf ihre emanzipatorische Botschaft. Ihrer Meinung nach passten da «Maria und Mutter Teresa» gut ins Bild.

Niemand ist perfekt – auch keine Heilige

Obwohl sich einige Skeptiker – in der Ukraine und anderswo – am Text störten. Doch nicht etwa deshalb, weil hier unter erzkatholischen Gesichtspunkten zwei religiöse Figuren für die (kirchliche) Frauenbewegung quasi zweckentfremdet wurden. Sondern mehr, weil gerade das Bild der heiligen Teresa von Kalkutta in den letzten Jahren ernste Risse bekommen hat.

Ihr wird unter anderem vorgeworfen, eher missioniert, statt humanitäre Hilfe geleistet zu haben. Zudem hätten in den von ihr initiierten Sterbehäusern teilweise katastrophale hygienische Zustände geherrscht. Ein Vorbild sei die Albanerin, die 1997 verstarb, deshalb nur bedingt. Doch niemand sei perfekt, noch nicht einmal Heilige, gaben daraufhin die beiden Frauen ukrainischen Medien zur Antwort.

Zaubersprüche und Teufelstanz

Ganz und gar unheilig präsentiert sich am bekanntesten europäischen Musikwettbewerb dafür Irland. Der mehrmalige ESC-Gewinner schickt in diesem Jahr ebenfalls – wie die Schweiz mit Nemo – eine non-binäre Person ins Rennen. Auf der Bühne war das schon im ersten Halbfinale vom Dienstag ein Spektakel, bei dem einem buchstäblich der Mund offen stehen blieb.

Für Irland startet eine non-binäre Person mit Namen Bambie Thug.
Für Irland startet eine non-binäre Person mit Namen Bambie Thug.

Die düstere Performance von Bambie Thug und dem Song «Doomsday Blue» beginnt mit dem in der Harry-Potter-Welt verbotenen Todeszauberspruch «Avada Kedavra». Dann wechselt der «Ouija Pop» während eines Hexen-Teufel-Tanzes auf einem auf den Boden gemalten Pentagramm zwischen aggressiven und sanfteren Tönen hin und her. Als Publikum bekommt man es da vor lauter Schwarzer Magie-Beschwörung schon einmal mit der Angst zu tun – ist aber auch gleichzeitig irgendwie fasziniert von diesem Schauspiel.

Zaubersprüche, Hexen und Teufel im irischen Beitrag. Dabei wird auf einem Pentagramm getanzt.
Zaubersprüche, Hexen und Teufel im irischen Beitrag. Dabei wird auf einem Pentagramm getanzt.

Vor allem wenn das hexenähnliche Wesen Bambie – welch ein Widerspruch – in Interviews erzählt, dass sie die Musik nutzt, um mit Geisterwesen in Kontakt zu kommen. Das Lied handelt denn auch vom Schmerz unerfüllter Liebe – mit jemandem aus dem Totenreich? Und von Täuschung – eventuell durch den tanzenden Teufel. Natürlich gab es auch hier Stimmen des Unmuts im Vorfeld – einige irische Katholikinnen und Pfarrpersonen befürchteten, dass der Song Satanismus befördere.

Hexen hexen und Frauen fehlen

Das Teilnehmerland Slowenien hat sich ebenfalls dem Hexenthema verschrieben. Hier verbindet die Sängerin Raiven in ihrem Song «Veronika» musikalische Elemente aus Pop und Oper. Inhaltlich wird die in Slowenien bekannte Geschichte von Veronika Deseniška erzählt. Im Mittelalter war diese mit einem Grafen verheiratet, wurde der Hexerei angeklagt und später ertränkt.

Der slowenische Song erzählt die Geschichte von Veronika Deseniška. Sie wurde im Mittelalter der Hexerei bezichtigt.
Der slowenische Song erzählt die Geschichte von Veronika Deseniška. Sie wurde im Mittelalter der Hexerei bezichtigt.

«Jetzt, wo ich nur noch Wasser bin. In den Wellen suche ich Frieden», heisst es da im Text – und weiter: «Ich bin, du bist…Veronika». Raiven, die das Lied in ihrer Heimatsprache vorträgt, spricht damit das Thema Wiedergeburt an, damit «Veronika die Dinge selbst in die Hand nimmt», sagte die Sängerin in einem Interview. Als Symbol für alle Frauen, denen in der Vergangenheit Unrecht widerfahren ist. Womit wir wieder bei der weiblichen Sichtbarkeit wären. Am ESC und in der katholischen Kirche.

Das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) wird heute ab 21 Uhr live auf SRF 1 übertragen.

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Der Song «Teresa & Maria» des ukrainischen Frauenduos Alyona Alyona und Jerry Heil handelt von weiblicher Widerstandsfähigkeit. | © Youtube
11. Mai 2024 | 06:00
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