Die Synagoge von Lengnau im Kanton Aargau.
Schweiz

Bund will Schutz jüdischer Einrichtungen mitfinanzieren

Zürich, 17.10.17 (kath.ch) Der Bund ist neuerdings bereit, die Sicherheit jüdischer Einrichtungen mitzufinanzieren. Das geht aus einem neuen Bericht der Fachstelle für Rassismusbekämpfung hervor. Jonathan Kreutner vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) nennt dies ein «wichtiges Signal».

Regula Pfeifer

Vor knapp einem Jahr hatte der Bund noch jegliche Art der Mitfinanzierung von Sicherheitsmassnahmen für jüdische Einrichtungen abgelehnt. Es existiere weder eine Verfassungs- noch eine Rechtsgrundlage dafür, hiess es im «Bericht über die Massnahmen des Bundes gegen Antisemitismus in der Schweiz» vom 1. November 2016, den das Eidgenössische Departement des Inneren (EDI) publiziert hat. Der SIG reagierte damals mit Enttäuschung auf diese Aussage.

Im aktuellen Bericht vom 10. Oktober klingt das anders. Da wird die «Schutzpflicht des Staates» erwähnt, die sich aus der Minderheitenkonvention ergebe. Die staatlichen Autoritäten hätten «alle geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um Personen vor Diskriminierung, Angriffen und Gewalt zu schützen, denen sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit ausgesetzt» sein könnten, ist da zu lesen.

Kostenübernahme ja nach Kompetenz

Dementsprechend könne sich der Bund auch an der Finanzierung des Schutzes von jüdischen Einrichtungen beteiligen, heisst es weiter. Vorausgesetzt wird allerdings eine «nationale Dimension» der Problematik.

Für welche Bereiche er Kosten übernehmen würde, hängt laut dem Bericht von der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen ab. So sei der Bund für vorbeugende Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigen Extremismus zuständig und habe Koordinationsaufgaben im Bereich der inneren Sicherheit. Entsprechende Kosten könnte er also in Zukunft übernehmen. Nicht aber jene für die öffentliche Sicherheit vor Ort, welche die Kantone mittels Polizei gewährleisten müssen.

Jüdische Gemeinschaften erfreut

Der Meinungsumschwung aus dem EDI kommt beim SIG gut an. «Der Bund redet explizit davon, dass Beteiligung möglich sein kann. Das ist sehr positiv zu werten», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner und spricht gegenüber kath.ch von einem «wichtigen Signal».

Die jüdischen Gemeinschaften in der Schweiz geben laut Kreutner «mehrere Millionen Franken» pro Jahr aus, um ihre Einrichtungen und Vertreter vor möglichen Angriffen zu schützen. Die vom «Tages-Anzeiger» (16. Oktober) geschätzten rund fünf bis sieben Millionen Franken stimmten in etwa, meint er.

Die neue Bereitschaft der Bundesbehörden, sich für den Schutz der Schweizer Juden zu engagieren, hat offenbar mit einer veränderten Einschätzung ihrer Gefährdung zu tun. Der alte Bericht hatte «keine erhöhte Bedrohung für Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens» festgestellt. Davon ist im neuen Bericht nicht mehr die Rede.

Politische Vorstösse unterwegs

«Die Einschätzung wurde offensichtlich überarbeitet,» sagt Kreutner. Er zitiert den Nachrichtendienst des Bundes, dieser spreche «von einer aktuell erhöhten Gefahr» für die Juden in der Schweiz. Der Meinungsumschwung hat wohl auch mit parlamentarischen Vorstössen zu tun, die einen besseren Schutz von Minderheiten forderten, etwa die Motion von SP-Ständerat Daniel Jositsch zum «Schutz religiöser Gemeinschaften vor terroristischer und extremistischer Gewalt». Der vom Bundesrat unterstützte Vorstoss ist im Ständerat bereits angenommen worden.

«Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir am Schluss Lösungen auf dem Tisch haben, die für die jüdische Gemeinschaft akzeptabel sein werden», sagt Kreutner. Er gehört einer Arbeitsgruppe an, die den «Schutz von Minderheiten mit besonderen Bedürfnissen» prüft und bis Ende Jahr Lösungsvorschläge erarbeiten soll. In der Arbeitsgruppe vertreten sind neben dem SIG auch die Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) und die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Kantone, wie die «Neue Zürcher Zeitung» (14. Oktober) schreibt.

Die Synagoge von Lengnau im Kanton Aargau. | © Barbara Ludwig
17. Oktober 2017 | 09:58
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