Koran im Taschenformat
International

Buchverbrennungen und heiliger Zorn

In Bagdad haben wütende Muslime die schwedische Botschaft gestürmt. Der Grund: eine weitere genehmigte Koran-Verbrennung in Stockholm. Diese hatte für weltweite Empörung gesorgt. Buchverbrennungen haben eine lange Geschichte – als faktische und symbolische Zensur.

Christoph Arens

Verbrennung eines heiligen Buchs

Judentum, Christentum und Islam gelten als Buchreligionen. Wer ihnen schaden oder sich maximal von ihnen distanzieren will, hat deshalb ein sehr einfaches Mittel zur Hand: die demonstrative Verbrennung oder Zerstörung ihrer Heiligen Schriften, also von Thora, Bibeln oder Koranausgaben.

Der Inhalt ist heilig, das Buch nicht - eine Verbrennung der Bibel wäre daher zumindest kein Sakrileg.
Der Inhalt ist heilig, das Buch nicht - eine Verbrennung der Bibel wäre daher zumindest kein Sakrileg.

Derzeit rollt wieder eine Welle der Empörung durch islamische Staaten. Im Brennpunkt: Schweden, wo zuletzt gleich drei Koranverbrennungen für Furore sorgen. Im Januar hatte ein schwedischer Rechtsextremer eine Koran-Ausgabe angezündet. Im Juni verbrannte ein Iraker vor der Grossen Moschee Stockholms einige Seiten aus dem Koran. Und am Mittwoch hat die schwedische Polizei erneut eine Kundgebung genehmigt, bei der auch eine Verbrennung der Heiligen Schrift der Muslime geplant ist. In Iraks Hauptstadt Bagdad haben Randalierer deshalb die schwedische Botschaft gestürmt.

Extremfall der Zensur

Seit der Antike sind immer wieder Bücher aus religiösen, politischen oder moralischen Gründen verbrannt worden. Die demonstrative Zerstörung von Büchern durch Feuer gilt als Extremfall der Zensur. Denn in den Jahrhunderten vor der Erfindung des Buchdrucks gab es meist nur einzelne Exemplare solcher Schriften – die Chance, sie alle zu vernichten, war gross. In Mexiko etwa führte die vom Franziskanermönch Diego de Landa veranlasste Verbrennung aller Maya-Handschriften seit 1561 zu einer beispiellosen Vernichtung schriftlichen Kulturgutes. Nur noch vier Maya-Codices weltweit sind erhalten.

Bücherverbrennungen sind zugleich immer auch hoch symbolische Akte. Die katholische Inquisition etwa zielte auch auf die physische Vernichtung ihrer Autoren. Dem Feuer wurde eine reinigende Kraft zugeschrieben. Das Publikum war Teil der Inszenierung. Als Luther 1520 die päpstliche Bann-Androhung öffentlich verbrannte, war das der demonstrative Bruch mit dem Papst. Zuvor hatte die römische Kirche Luthers Werke verbrannt.

Von Nazis bis Harry Potter

Seit der Erfindung des Buchdrucks steht die symbolische und demonstrative Bedeutung von Bücherverbrennungen im Vordergrund. Zensur lässt sich kaum noch durchsetzen, auch wenn die Nazis mit ihrer Bücherverbrennung vom Mai 1933 durchaus versuchten, die Bücher unliebsamer Schriftsteller aus allen öffentlichen und privaten Bibliotheken zu verbannen. In erster Linie ging es darum, kritisches Gedankengut zu verfemen und Druck auf die Bevölkerung aufzubauen.

Werke, die von der Inquisition verurteilt wurden, wurden oftmals verbrannt.
Werke, die von der Inquisition verurteilt wurden, wurden oftmals verbrannt.

Bis heute kommt es zu Bücherverbrennungen: Meist sind es einzelne oder Gruppen, die die Vernichtungsaktionen durchführen. In Indonesien wurden 1964 Bücher des US-Informationszentrums und die US-Flagge vor Publikum verbrannt. Einige Jahre später verbrannte man in Djakarta kommunistische Bücher. Verbrennungen, die sich gegen den Marxismus richteten, gab es auch in Chile 1973. 1989 verbrannten Muslime in Grossbritannien den Roman «Die satanischen Verse» von Salman Rushdie. Und 2019 vernichteten polnische Priester Harry-Potter-Bücher.

Mehr Gelassenheit gefordert

Besondere Dynamik erhalten moderne Bücherverbrennungen durch Konflikte zwischen westlicher und islamischer Welt. Wer einen Koran öffentlich verbrennt, erhält maximale Aufmerksamkeit und erzielt durch seine Provokation weltweite Wirkung. So trug die Koranverbrennung vom Januar in Stockholm dazu bei, dass die Türkei den Nato-Beitritt Schwedens blockierte.

Angesichts der sich hochschaukelnden Emotionen fordert der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide mehr Gelassenheit der islamischen Welt. Muslime dürften sich nicht immer wieder von Einzeltätern oder Interessengruppen provozieren lassen. Gefordert seien rationale statt emotionale Reaktionen. Und ein Nachdenken darüber, was die Heiligen Schriften bedeuteten.

Werke, die von der Inquisition verurteilt wurden, wurden oftmals verbrannt.
Werke, die von der Inquisition verurteilt wurden, wurden oftmals verbrannt.

Die meisten Deutschen sehen die Verbrennung religiöser Bücher wohl eher mit Gelassenheit. Als der Hessische Rundfunk 2007 für eine Sendung über christliche Fundamentalisten eine Bibel verbrennen liess, protestierten Kirchenvertreter zwar gegen eine Verhöhnung der Heiligen Schrift. Grosse öffentliche Reaktionen blieben aber aus.

Kirchenvertreter betonten in der Vergangenheit mehrfach, dass nicht die Bibel als Buch heilig sei, sondern der Inhalt. Deshalb sei es auch kein Sakrileg, wenn man alte Bibeln verbrenne oder entsorge. (kna)


Koran im Taschenformat | © 2016 Georges Scherrer
21. Juli 2023 | 06:00
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