Otmar Egloff, Franziskaner
Schweiz

Bruder Otmar: «Kaum war ich im Dienst, hiess es: Morgen kommt der Papst zu dir beichten»

Franziskaner Otmar Egloff (91) hat viel erlebt. Unter anderem drei Päpste, als er 2004 von Lugano aus in den Lateran wegberufen wurde. Dort war er oberster Beichtvater, für Touristen und auch mal für den Papst. «Mein Beichtstuhl wurde vor der Papst-Beichte sehr gründlich geputzt», sagt er.

Sabine Zgraggen

Fest sind sein Schritt und seine Stimme noch immer, als Bruder Otmar Egloff im Chorgestühl der Marienburg in Näfels GL die Morgenmesse hält. Gab es einen Tag vorher schon die seit 800 Jahren bestehende Ordensregel zu feiern, so feiert die Franziskanergemeinschaft heute den Apostel Andreas.

Otmar Egloff gab sogar Papst Franziskus eine Bussübung auf.
Otmar Egloff gab sogar Papst Franziskus eine Bussübung auf.

Otmar Egloff beginnt die Feier: «Jetzt am Morgen werden wieder Ordensschwestern einen Blumenstrauss und eine Kerze bei der grossen Marmorfigur des Apostels aufgestellt haben.»

Im Anschluss gibt Otmar Egloff ausnahmsweise ein Interview.

Wo wohnt man denn, wenn man für den Lateran als Beichtvater bestellt ist?

Otmar Egloff: Über dem Dach der Kirche sind die Appartements der jeweils acht Franziskanerbrüder, die tagsüber in den acht Beichtstühlen bereit sitzen. Putzen tut jeder selbst. Seit jeher sind im Lateran Franziskaner aus aller Welt für den Bussdienst bestellt, das war schon immer so und wird auch so bleiben.

«Ich war 2003 auf einer Pilgerreise, als das Telefonat kam.»

Wie kommt es, dass ausgerechnet Sie für den Lateran ausgewählt wurden?

Egloff: Ich war 2003 mit einer Gruppe aus Deutschland auf einer Pilgerreise, als das Telefonat kam. Pater Gottfried Egger bat mich in den Lateran zu wechseln. Ich war zunächst überhaupt nicht begeistert und habe geantwortet, dass ich mir das erst einmal überlegen muss. Ich erbat mir einige Tage Bedenkzeit.

Franz von Assisi und seine Gefährten vor Lateranbasilika in Rom
Franz von Assisi und seine Gefährten vor Lateranbasilika in Rom

Wissen Sie, weshalb Sie angefragt wurden?

Egloff: Entscheidend war wohl meine Sprachbegabung, da ich Italienisch, Deutsch und Französisch spreche. Man kannte mich zudem, da ich früher schon Sekretär des Kustos war. Von 1978 an hatte ich die Lugano-Deutsch-Seelsorge betreut und mit aufgebaut. In diese Zeit fiel unter anderem die Neugründung der Klarissen, dem weiblichen Zweig der Franziskaner.

«Meine Befürchtungen haben sich später bewahrheitet.»

Mein eigener Konvent hatte mit Herausforderungen zu kämpfen. Meine Befürchtungen haben sich später bewahrheitet, denn mein Konvent in Lugano wurde aufgelöst, nachdem ich dann doch Ja sagte und ging.

Paul Zahner (Mitte), Guardian des Franziskanerklosters Näfels, und andere Franziskaner-Brüder in Thalwil ZH
Paul Zahner (Mitte), Guardian des Franziskanerklosters Näfels, und andere Franziskaner-Brüder in Thalwil ZH

«Papst Johannes Paul II. war 2004 schon sehr alt und gebrechlich.»

Wie haben Sie die drei Päpste wahrgenommen?

Egloff: Papst Johannes Paul II. war 2004 schon sehr alt und gebrechlich, ich sah ihn nur einmal. Er starb ein Jahr später. Papst Benedikt war ein anderer Typ, er ging zu den für den Vatikan zuständigen Konventualen. Dann wollte man etwas ändern, dass die Päpste auch mal an anderen Orten beichten gehen und andere Seelsorge erfahren. Papst Franziskus führte das ein. Kaum war ich im Dienst, hiess es schon: Morgen kommt der Papst zu dir beichten! Mein Vorgänger hatte vergebens darauf gewartet, und bei mir geschah es gleich zu Anfang.

Die Statue Johannes Pauls II. stützt sich auf den Hirtenstab
Die Statue Johannes Pauls II. stützt sich auf den Hirtenstab

War das aufregend? Oder bleibt man da ganz gelassen, wie bei jedem anderen?

Egloff: Das einzig Besondere war, dass mein Beichtstuhl vorher sehr gründlich geputzt wurde (lacht). Wenn du am Morgen zum Beichtstuhl kommst und siehst eine ganze Equipe, die deinen Beichtstuhl putzt und schrubbt, ist das ja schon etwas Besonderes. Sonst ging ich da selbst mit einem Lappen Staub wischen. Besonders war auch, dass Papst Franziskus öffentlich kniend beichtete und nachher meinen Beichtstuhl zum Beichten der Priester benutzte.

Papst Franziskus legt die Beichte ab, 25. März 2022 im Petersdom.
Papst Franziskus legt die Beichte ab, 25. März 2022 im Petersdom.

Bekommt auch der Papst eine Bussaufgabe? Welche Bussen sind denn so üblich?

Egloff: Natürlich bekommt jeder eine Bussaufgabe. Wenn man die Pönitenten nicht kennt, sind es Gebetsbussen. Nur bei längeren Begleitungen kann man auch etwas Individuelleres aufgeben. Heute würde ich dem Papst eine andere Bussaufgabe geben. Eine Busse der Zunge (lacht). Seine Zunge ist manchmal zu schnell. 

Papst Franziskus beim Rosenkranzgebet.
Papst Franziskus beim Rosenkranzgebet.

Hat aus Ihrer Sicht das Busssakrament eine Zukunft?

Egloff: In den deutschsprachigen Ländern geht die Praxis zurück. Doch insgesamt bleibt diese Praxis wichtig. Das geht auf die Urgemeinde zurück. In den Dörfern den Urgemeinden waren schwere Verfehlungen bekannt. Es gab Tratsch und alle wussten Bescheid. So gab es die Praxis, seine Schuld vor der versammelten Gemeinde zu bekennen und Vergebung zu empfangen. Das ist ein Bedürfnis des Menschen und gibt die Chance auf einen echten Neuanfang. Das Gewissen zeigt dir an, was falsch war. Gott vergibt.

«Schwere Verbrechen kommen – anonym – vor ein höheres Collegium.»

Gibt es das tatsächlich so schwere Sünden, die gebeichtet werden, wie zum Beispiel Mord?

Egloff: Ja. Selten, aber es gibt sie. Diese Dinge sind auch als Seelsorger sehr schwer. Da kann ich nicht einfach eine Lossprechung geben, sondern der Fall kommt – anonym – vor ein höheres Collegium, das dann urteilt. Bis dahin gibt es eine provisorische Busse. Zum Beispiel, dass der Pönitent zur Polizei gehen und sich selbst anzeigen muss. Man vereinbart dann wieder einen Termin, um die Entscheidung der päpstlichen Pönitenzieri zu übergeben. 

Priesterweihe
Priesterweihe

«Aufgrund von Priestermangel hat man auch ungeeignete Kandidaten aufgenommen.»

Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen Zölibat und Missbrauch?

Egloff: Aus meiner Erfahrung heraus hat das nichts miteinander zu tun. Es liegt eher daran, dass man aufgrund von Priestermangel auch ungeeignete Kandidaten aufgenommen hat. Pädophilie ist eine schwere Störung und Untat.

Aber wer weiss schon mit 25, ob er wirklich zölibatär leben kann?

Egloff: Das weiss man doch. Man weiss, ob man Beziehungen hatte, eine Partnerschaft ersehnt oder nicht. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen muss erfolgen. Das hatte man wohl zu wenig thematisiert. Für mich war immer wichtig, den jeweiligen Priestern und Kandidaten weiterzuhelfen, gegebenenfalls auch abzuraten. Jedenfalls haben mir die beichtenden Priester immer für den Dienst gedankt. Und sie sind auch immer wieder vertrauensvoll zurückgekommen, wenn es nötig war. (Korrigierte Version, 12.30 Uhr)

Ordensleben des Franziskaners

Otmar Egloff wurde am 15. Januar 1932 in Wettingen AG geboren. Am 1. September 1958 trat er im österreichischen Pupping in den Franziskanerorden ein. Am 31. März 1963 wurde er in Wettingen zum Priester geweiht. Von 1968 bis 1978 war Otmar Egloff Kustos für das Gebiet der Schweiz, 1967-68 wirkte er als Guardian in Freiburg FR, 1970-73 in Sankt Otmar im Werd in Eschenz TG und 1991-2004 in Lugano. Von 2004-2017 war er Penitenziere (Beichtvater) im Lateran, dem ehemals traditionellen Wohnsitz der Päpste. (sz)


Otmar Egloff, Franziskaner | © Sabine Zgraggen
7. Dezember 2023 | 12:40
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