Bischof Joseph Bonnemain: «Verzeihen fällt Betroffenen leichter, wenn Kirche sich verändert»
Es ist schwierig, einsichtige Missbrauchstäter zu finden, sagt Bischof Joseph Bonnemain. Er geht dennoch «liebevoll, friedfertig» mit diesen um. Doch die Betroffenen haben das Recht, nicht zu verzeihen. Der Churer Bischof kann sich vorstellen, dass der Zölibat in Zukunft zur Option wird.
Jacqueline Straub
Der Churer Bischof hat es noch nie erlebt, dass ein Opfer von sexueller Gewalt und der Täter Frieden miteinander geschlossen haben, sagt er im Interview mit der «Schweizer Illustrierten». Er habe Betroffene erlebt, die dazu bereit gewesen wären. «Aber es ist schwierig, Täter zu finden, welche einsichtig sind, dass sie jemandem wehgetan haben. Täter, die sich nicht rechtfertigen, den Missbrauch nicht bagatellisieren und auch nicht ausblenden», sagt er.
Menschen in Zukunft schützen
Für ihn sei es einfacher, Tätern zu verzeihen, da er nicht direkt betroffen ist. «Ich gehe liebevoll, friedfertig, zugeneigt und mit Empathie auf jeden Menschen zu – auch auf Täter.» Doch haben die Betroffenen das Recht, nicht zu verzeihen.
«Verzeihen fällt den Betroffenen leichter, wenn sie sehen, dass die Kirche sich verändert. Wenn sie darauf vertrauen können, dass die Menschen in Zukunft vor solchen Taten bestmöglich geschützt sind», so der Churer Bischof.
Beruhigt seien die Menschen erst, wenn sich die Kirche «restlos» mit dem Ausmass von Missbrauch auseinandergesetzt hat. «Solange die Kirche das nicht wagt, bleibt eine Wunde in den Herzen zurück.» Die Kirche muss Massnahmen treffen, damit das nie mehr vorkommen kann. «Sonst finden die Betroffenen keinen Frieden», sagt Bischof Joseph Bonnemain.
Aus den Gesprächen mit Missbrauchsbetroffenen ist dem Churer Bischof die Frage geblieben, wie er die Betroffenen davon überzeugen kann, dass sie keinen «Millimeter Schuld» an, was ihnen zugefügt wurde, haben.
Zölibatäre stärker überprüfen
Würde der Zölibat abgeschafft werden, wäre nicht viel für die Prävention von Missbrauch gemacht worden. Der Churer Bischof kann sich aber vorstellen, dass der Zölibat in Zukunft keine Pflicht mehr sein wird, sondern eine Option. «Und jene, welche zölibatär leben möchten, müssen stärker überprüft werden.» Es müssten alle Kandidaten «gründlich und professionell» geprüft werden und die Bedingungen sehr hoch angesetzt werden. «Sonst bekommen wir wieder Schwierigkeiten.»
Bischof für alle
Mit jenen, die der Meinung sind, dass man die Kirche in Ruhe lassen soll, geht Bischof Joseph Bonnemain verständnisvoll und geduldig um. «Dasselbe gilt für jene, welche die Kirche komplett umkrempeln möchten.» Schliesslich sei ein Bischof für alle da.
Im Interview spricht Bischof Joseph Bonnemain auch über das Thema Frieden in der Welt. «Frieden beginnt im eigenen Herzen und geht dann hinaus in die Welt. Er beginnt ganz klein.» Er hofft auf eine «Pandemie des Guten».
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