Bischof Felix Gmür und Monika Schmid
Schweiz

Bischof Felix Gmür: Glaubwürdiger Katholizismus kommt nicht um die Gleichstellung von Frau und Mann herum

Heute erscheint das Buch «Frauen ins Amt! Männer der Kirche solidarisieren sich». Unter den 102 Autoren sind auch Stimmen aus der Schweiz: etwa Bischof Felix Gmür, der Benediktiner Martin Werlen, der Jesuit Niklaus Brantschen und Pastoralamtsleiter Franz Kreissl.

Raphael Rauch

«Weil Gott es so will – Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin.» So heisst das Buch, das vor einem Jahr für Furore sorgte. Nun folgt eine Textsammlung mit männlichen Antworten darauf, die meistens zwei bis drei Seiten lang sind.

Bischof Felix Gmür: Inkulturation muss weitergehen

Das Buch enthält Texte von 102 Männern unterschiedlicher Generationen und Positionen – vom Laien bis zu Kardinal Reinhard Marx. Sie solidarisieren sich mit den Forderungen von Frauen nach mehr Teilhabe und Leitungsverantwortung.

Simone Curau-Aepli und Bischof Felix Gmür am Gespräch der Bischofskonferenz mit Vertreterinnen des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes im September 2020.
Simone Curau-Aepli und Bischof Felix Gmür am Gespräch der Bischofskonferenz mit Vertreterinnen des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes im September 2020.

Unter den Autoren sind auch Männer aus der Schweiz. Der Basler Bischof Felix Gmür spricht sich nicht explizit für katholische Priesterinnen aus. Allerdings sieht er «kein grundsätzliches theologisches Hindernis», dass eine Frau «Christus sakramental und kirchenamtlich repräsentieren» könne. «Ein in unserer Kultur glaubwürdiger Katholizismus kommt nicht um die Gleichstellung von Frau und Mann herum, die in derselben Würde ihren Grund hat, sich aber nicht darin erschöpft, sondern auch die Ausgestaltung von gleichen Pflichten und Rechten braucht. Die Inkulturation in der hiesigen Kultur ist nicht abgeschlossen. Sie ist ein Prozess, der weitergeht.»

Ämtertheologie überdenken

Gmür schreibt, er werde als Bremser gescholten, wenn er anmahne, «dass es sinnvoll ist, zuerst oder zumindest gleichzeitig die Ämtertheologie zu überdenken». Doch für ihn stelle sich die Frage, «ob die Weihe von Frauen nicht zur Klerikalisierung der ganzen Kirche beiträgt, die ja ständig, auch von Frauen, gebrandmarkt wird. Deshalb möchte ich den Horizont weiten und fragen: Was braucht die Kirche, damit sie Sakrament ist, heilswirksames Zeichen für die Menschen?»

Eine Wiederbelebung der Tradition verschiedener Weihen und geistlicher Beauftragungen verspreche «nicht nur eine neue Akzentuierung der verschiedenen Dienste in der Kirche». Sie wirke auch dem Klerikalismus entgegen.

Martin Werlen: «Fahr kam nur unter ferner liefen vor»

Der frühere Abt des Klosters Einsiedeln, Martin Werlen, geht auf die Erfahrungen des Doppelklosters Einsiedeln-Fahr ein. Selbstkritisch schreibt er: «Im Zentrum stand das Kloster Einsiedeln. Wenn überhaupt, so kam das Kloster Fahr nur unter ferner liefen vor.» Ein Mitbruder hatte ihn einst sogar vor der im Kloster Fahr lebenden Benediktinerin Silja Walter gewarnt: Sie habe «die Frechheit, sogar den Priester zu hinterfragen oder zurechtzuweisen».

Martin Werlen
Martin Werlen

Martin Werlen hat diese Frechheit gefallen. In der Begegnung mit den Mitschwestern sei ihm «immer mehr aufgegangen, wie tief die Ver-Achtung gegenüber den Frauen in unserer Gemeinschaft und in der Kirche verwurzelt ist».

Weihesakrament gründet auf der Taufe

Zwar hätte es in den letzten Jahrzehnten Fortschritte gegeben. Trotzdem werde immer noch «mit angezogener Handbremse gefahren. Bei allen wichtigen Entscheidungen in der Männer- und in der Frauengemeinschaft sind es die Männer, die letztlich entscheiden. Oder mit anderen Worten: Die Benediktinerinnen vom Kloster Fahr leiten ihr Kloster selbst – soweit es die Männer zulassen. Das ist offensichtlich noch weit weg von Gleichberechtigung.»

Die Benediktinerin Silja Walter.
Die Benediktinerin Silja Walter.

Werlen betont, das Weihesakrament gründe auf der Taufe – und nicht auf dem Geschlecht einer Person. «So hoffe ich, dass auch Frauengemeinschaften bald umsetzen können, was der heilige Benedikt für benediktinische Gemeinschaften vorsieht: Brauchen sie jemanden mit der Weihevollmacht, soll die verantwortliche Person ein geeignetes Mitglied aus der Gemeinschaft weihen lassen», schreibt Werlen.

Niklaus Brantschen: «Ohne gendergerechtes Handeln hat Kirche keine Zukunft»

Der Jesuit Niklaus Brantschen geht auf seine 2014 verstorbene Freundin Pia Gyger ein: «Über Jahre war ich mit ihr befreundet. Es war eine Beziehung auf der Herzensebene, eine zölibatäre Partnerschaft.» Pia Gyger habe «die universale, kosmische Dimension Christi erfahren und bezeugt. Sie verstand es, das Absolute und das Relative, die Ewigkeit und die Zeit, den Himmel und die Erde in ihrem Leben und in ihren Unterweisungen zu verbinden.»

Niklaus Brantschen, Jesuit und Zen-Meister
Niklaus Brantschen, Jesuit und Zen-Meister

Brantschen ist überzeugt: «Keines der Argumente, die gegen ein Priestertum der Frau angeführt werden, hält stand. Am wenigsten der Satz: Die Frau sei dem Mann Untertan.» Für den Jesuiten steht fest: «Ohne gendergerechtes Handeln hat Kirche keine Zukunft.»

Daniel Bogner: «Als Mann muss ich eine Art Halbchristentum leben»

Daniel Bogner ist Professor für Moraltheologie und Ethik in Freiburg. «Der Mann als der ‘Normalfall’ des Menschseins – das ist die Botschaft, welche die Kirche mit ihrer Geschlechterordnung mal offen, mal subtil aussendet», schreibt Bogner. Sich selbst sieht er als «Krisengewinnler». Zwar sei er kein Kleriker, aber als Mann habe er dennoch Vorteile: «Keine Frau zu sein  – das kann schon mal helfen, wenn es darum geht, in kirchlichen Gremiensitzungen zu Wort zu kommen, sich zu behaupten innerhalb des dominanten männlichen Mainstreams.»

Daniel Bogner, Moraltheologe und Ethiker.
Daniel Bogner, Moraltheologe und Ethiker.

Es sei für ihn «beschämend», sich einzugestehen, «welche Abkürzungen und Nebenwege man als Mann angeboten bekommt, um sich mit der ständisch programmierten Grundordnung der Kirche pragmatisch zu arrangieren. Und weil man erkennt, dass man diese Trampelpfade des Überlebens bisher immer wieder mal genutzt hat.»

Bogner ist überzeugt: «Als Mann muss ich eine Art Halbchristentum leben, wenn ich auf so viele Ressourcen der Glaubensvermittlung verzichte».

Franz Kreissl: «Zulassungswege öffnen»

Der Diakon Franz Kreissl leitet das Pastoralamt im Bistum St. Gallen. Er schildert, wie er «in einem Kreis von Frauen» aufgewachsen sei: «neben meiner Mutter waren das fünf ältere Schwestern, die alle einen Beruf gelernt haben». Doch die Frauenfrage in der Kirche wurde für ihn erst später ein Thema. Im Laufe der Jahre seien ihm «die Argumente gegen den Diakonat der Frau – und letztlich auch gegen das Priestertum der Frau – immer unverständlicher geworden. Zugleich ist die Ratlosigkeit und die Ohnmacht gewachsen.»

Franz Kreissl
Franz Kreissl

Kreissl formuliert sechs Perspektiven. Darunter: «Historische Fehlentscheidungen anerkennen und aufheben: Das Bild des Priestertums aus der Klammer historischer Entwicklungen (Überhöhung und monopolartige Position für Männer in der Kirche) befreien und als Charisma neu verstehen lernen. Wo ein relatives, also auf eine Gemeinde bezogenes Priestertum gelebt wird, bekommt auch der Priester eine ganz andere Rolle.»

Und: «Es gibt viele hervorragende Theologinnen und Religionspädagoginnen, Katechetinnen und Ehrenamtliche, nicht nur im deutschsprachigen Raum. Es geht nur noch darum, die Zulassungswege zu öffnen.»

Wolfgang Müller erinnert an Junia

Wolfgang Müller, Diakon und Pfarreiseelsorger Bistum Basel
Wolfgang Müller, Diakon und Pfarreiseelsorger Bistum Basel

Wolfgang Müller ist Diakon im Bistum Basel. «Der Zölibat lässt sich biblisch nicht begründen. Es gibt im Neuen Testament selbstverständlich verheiratete Bischöfe, Priester und Diakone und eben auch eine Apostelin Junia (Röm 16,7)», schreibt Müller. Er fordert, «sich wieder neu von Jesus von Nazareth berühren zu lassen und ihm und nicht etwa den Essenern oder einem anderen monastischen Ideal nachzufolgen». Jesus habe «eine geschwisterliche Kirche aufgebaut, nicht eine nach Geschlechtern getrennte und in Asymmetrie zueinander stehende, sondern eine im besten Sinn gleichwürdig katholische (für alle)».

Nicolaas Derksen: «Die Weihe von Frauen ist eine Sache des Wollens»

Nicolaas Derksen ist Ausbilder in Bibliodramaleitung in Wislikofen AG. Er schreibt: «Ich besuche in der Schweiz öfters liturgische Feiern in Gemeinden, wo Frauen Vorsteherinnen sind, und ich erfahre sie als Priesterin. Darüber freue ich mich, sie tun mir gut, weil sie ihren Glauben häufig wärmer, kommunikativer, weicher und geerdeter zeigen. Dann ist es auch wichtig, dass sie – eucharistische – Vollmacht bekommen, nicht nur von Jesus und ihrer eigenen Berufung – die haben sie schon –, sondern auch von der Kirchenleitung.» Die Weigerung, «Frauen ihren Platz zu geben», beruhe «auf der Angst der Männer», ihre Macht zu verlieren: «Die Weihe von Frauen ist eine Sache des Wollens.»

Gemeindeleiterin Dorothee Becker leitet die Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus in Riehen BS, Juli 2021
Gemeindeleiterin Dorothee Becker leitet die Kommunionfeier in der Kirche St. Franziskus in Riehen BS, Juli 2021

Das Buch hat zwei weitere Bezüge zur Schweiz. Der Limburger Kirchenhistoriker Matthias Kloft berichtet von Exerzitien, die er als junger Theologiestudent bei den Benediktinerinnen in Brügge (Belgien) absolvierte. Die damalige Priorin sei Schwester Felicitas gewesen, eine Schweizerin. Auch die positiven Erfahrungen in Brügge brachten Matthias Kloft zu der Erkentnnis: «Eine geistliche Leitung durch Frauen kann auch für den ‹ordo sacer› eine unverzichtbare Bereicherung sein.»

Ignatius Löckemann leitet die Katholische Hochschulgemeinde in Mainz. Er schildert, wie er in einer christkatholischen Kirche in der Schweiz an einer Altarweihe teilnahm: «Der damalige Pfarrer, ein lieber Freund, lud mich ein. Dort sass ich gemeinsam mit vielen anderen in liturgischer Kleidung im Altarraum – berührend und (heilsam) verstörend zugleich: Männer und Frauen aller christlichen Bekenntnisse, Priester:innen, Diakon:innen, Pastoralreferent:innen, Pastor:innen, Ordensleute. Alle zusammen, bunt gemischt, selbstverständlich», schreibt Löckemann.

Hier habe er erlebt, «was es ‹eigentlich› so nicht gibt oder eben tatsächlich doch: Eine Gemeinschaft von Frauen und Männern, eine Kirche aus Vielen und Verschiedenen. Miteinander feierten wir Christus als unsere Mitte – traumhaft und visionär.»

Das Buch «Frauen ins Amt! Männer der Kirche solidarisieren sich» erscheint am 31. Januar 2022 im Herder-Verlag. Herausgegeben haben es Philippa Rath, Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim-Eibingen, und Burkhard Hose, Hochschulpfarrer in Würzburg.


Bischof Felix Gmür und Monika Schmid | © Raphael Rauch
31. Januar 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 6 Min.
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