Alain de Raemy, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg
Schweiz

Bischof de Raemy: «Es ist für junge Menschen nicht immer einfach, zur Kirche zu stehen»

Die Kirche muss stärker auf die Jugend zugehen und dabei vor allem auch auf die Laien setzen. Das sagt der Schweizer Jugendbischof Alain de Raemy im Vorfeld des nächsten nationalen Weltjugendtages. Dieser startet am Freitag online. Vorgesehen sind aber auch physische Anlässe.

Gioele Anni, catt.ch / Adaption: Georges Scherrer

Wie lautet die Hauptbotschaft des anstehenden nationalen Weltjugendtages?

Alain de Raemy: Das Motto ist ein Vers aus der Apostelgeschichte, Kapitel 26: «Steh auf! Ich erwähle dich zum Zeugen dessen, was du gesehen hast.» Wir möchten darüber nachdenken, wie junge Menschen Zeugen ihres Glaubens in der täglichen Realität sein können.

Was sind Merkmale dieser Realität?

De Raemy: Die Jugendlichen leben in einer weitgehend liberalen und relativistischen Gesellschaft. Alles scheint möglich, alles kann getan werden, fast ohne Grenzen, alles kann in ihren Augen «glaubwürdig» werden.

«Das Christentum öffnet eine Perspektive für die Sinnfrage.»

In diesem Zusammenhang ist es nicht einfach, einen präzisen Glauben an Christus zu entwickeln und über die Freude an der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche zu sprechen, die oft kritisiert wird.

Farbenvielfalt am Weltjugendtag in Panama. © KNA
Farbenvielfalt am Weltjugendtag in Panama. © KNA

Warum lohnt es sich zu glauben?

De Raemy: Das Christentum öffnet eine Perspektive für die Sinnfrage. Die Liebe zu Gott, zu den anderen wie auch zu sich selber trägt zu einem erfüllten Leben in Gott bei. Man kann versucht sein, zu wachsen, indem man nur die Aussichten auf Erfolg, Gewinn und persönliches Wohlbefinden betrachtet. Das alles führt aber nicht zum wahren und endgültigen Glück. Der Schlüssel liegt in der Gabe des Selbst, verursacht durch die Entdeckung der Liebe Gottes zu uns.

«Bei den wichtigen Dingen dürfen wir keine Pause machen.»

Sie haben darauf bestanden, dass der Weltjugendtag trotz der Pandemie stattfinden soll – unter Wahrung der Corona-Vorschriften. Warum?

De Raemy: Um die jungen Menschen in diesen Zeiten der Pandemie zu fördern, sind Zeichen der Ermutigung nötig. Verbote und Einschränkungen machen sie traurig. Wir möchten sagen, dass das Leben weitergeht und dass wir bei den wichtigen Dingen keine Pause machen dürfen: Der Glaube ist definitiv bei ihnen.

Das vergangene Jahr hat die jungen Menschen auf die Probe gestellt. Die Anfragen nach psychologischer Hilfe nehmen zu und in letzter Zeit gab es Berichte über Gewalt von Jugendlichen. Hört die Kirche dieses Unbehagen?

De Raemy: Diejenigen, die bereits in unseren Pfarreien aktiv sind, können wir leichter erreichen. Es ist schwieriger, jene zu kontaktieren, die unsere Angebote nicht besuchen. Während der Pandemie wurden viele Aktivitäten ausgesetzt, die in normalen Zeiten informelle Treffpunkte wie Schullager ermöglichten.

Die Weltjugendtage richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 30 Jahren aus aller Welt. Diese Treffen gehen auf Papst Johannes Paul II. zurück. Er lud 1984 erstmals zu einem «Internationalen Jubiläum der Jugend» nach Rom ein. Die Weltjugendtage finden jährlich alternierend als internationale Grossveranstaltung oder als nationale Treffen statt. Der nächste internationale Weltjugendtag soll 2023 in Lissabon stattfinden.

In Zukunft müssen wir immer mehr Seelsorger ausbilden, die in der Lage sind, junge Menschen anzusprechen, ihnen zuzuhören und ihnen bei der Sinnsuche zu helfen. Wir sind aufgerufen, Entscheidungen in diese Richtung zu treffen. Es wird notwendig sein, uns mehr und mehr auf die Bildung der Laien zu konzentrieren.

Können Sie die jungen Leute in Ihrer Diözese kennenlernen?

De Raemy: Als Bischof treffe ich hauptsächlich Firmlinge, junge Erwachsene. Wir haben eine schöne Tradition: Sie schreiben mir vertrauliche Briefe, die oft echte Schätze über ihre Lebenserfahrungen enthalten. Es kommt vor, dass sie mich nach der Firmung oder bei anderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel einem Weltjugendtag, kontaktieren und das Gespräch suchen.

«Auch das Thema der geistigen Begleitung ist wichtig.»

2018 haben Sie an der Jugendsynode in Rom teilgenommen. Was bleibt nach einigen Jahren von dieser Erfahrung übrig?

De Raemy: Ich würde vor allem die Notwendigkeit hervorheben, junge Menschen einzubeziehen. Denn es gibt keinen besseren Zeitpunkt, in dem man in der Lage ist, das Evangelium zu verkünden: Jeder kann es unter den Lebensbedingungen tun, in denen er sich befindet, und seine eigene Freiheit und sein eigenes Gewissen einsetzen. Auch das Thema der geistigen Begleitung ist wichtig, auf das ich bereits hingewiesen habe.

Briefmarke Franz von Sales
Briefmarke Franz von Sales

Die Kirche hat eine immense Tradition: vom Heiligen Ignatius bis zu Don Bosco, vom Heiligen Franz von Sales bis zum Heiligen Benedikt. Zuweilen sind wir nicht in der Lage, die Vorteile dieses Erbes zu nutzen.

Was geben Sie jungen Menschen und ihren Begleitern in dieser Zeit der Prüfung mit?

De Raemy: Die bedeutende Botschaft, die Papst Franziskus im vierten Kapitel des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens «Christus Vivit» festgehalten hat: Gott liebt uns, Christus rettet uns, seine Gnade ist in der Welt aktiv. Wir müssen an dieser Gewissheit festhalten, auch in schwierigen Momenten.

Der nationale Weltjugendtag dauert vom 23. bis 25. April. Er findet vor allem virtuell statt. Es werden aber in Bern, aber auch an anderen Orten in der Schweiz regionale Treffen organisiert. Informationen gibt es auf dieser Karte.


Alain de Raemy, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg | © Barbara Ludwig
20. April 2021 | 17:59
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