Kirchenleute und Politiker bitten Kanton Bern um Milde

Nach 24 Jahren in der Schweiz soll ein aus Indien stammender Mann in seine Heimat zurückgeführt werden. Der Kanton Bern lehne es ab, beim Bund ein Härtefallgesuch für eine Aufenthaltsbewilligung zu stellen, teilte die Katholische Kirche Region Bern mit. Kirchenleute und Politiker protestieren.

Mit «grosser Bestürzung und Empörung» habe man vernommen, dass der Kanton Bern nicht bereit sei, dem Bund ein Härtefallgesuch für den aus Indien stammenden Mann vorzulegen, heisst es in einem Offenen Brief an den Berner Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP). Stattdessen beabsichtige der Kanton, den Betreffenden notfalls auch zwangsweise in sein Heimatland zurückzuführen.

Politiker aus EVP, CVP und BDP

Erstunterzeichner des Briefes sind Kirchenleute aus der Region Bern-Nord, drei Verantwortliche der katholischen Pfarrei St. Marien und zwei Leitungspersonen der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden Markus und Johannes. Diese hätten die Initiative für den Brief ergriffen, der am Freitag abgeschickt worden sei, sagte Karl Johannes Rechsteiner von der Kommunikationsstelle Kirche Region Bern auf Anfrage gegenüber kath.ch.

Ebenfalls zu den Erstunterzeichnern gehören Barbara Streit-Stettler, Grossrätin und Vizepräsidentin EVP Stadt Bern, Béatrice Wertli (Präsidentin) und Syndes Ernst (Vizepräsident) von der CVP Kanton Bern sowie der BDP-Grossrat Ulrich Stähli.

2000 Asylgesuch abgelehnt

Dem Schreiben zufolge lebt der Mann seit 24 Jahren in der Schweiz. 1995 sei er legal in die Schweiz eingereist. Drei Jahre später habe er unter einem falschen Namen ein Asylgesuch gestellt, das 2000 abgelehnt worden sei. Seit 2008 lebe Herr B., wie er in dem Brief genannt wird, unter dem Regime der Nothilfe.

«Personen, die sich beim Ökumenischen Mittagstisch für Asylsuchende mit Nothilfe und Sans-Papiers engagieren, haben die kirchlichen Leitungsverantwortlichen auf das Schicksal des Mannes aufmerksam gemacht und sie zu einer Intervention ermuntert», sagt Rechsteiner weiter.

Herr B. kocht für Ökumenischen Mittagstisch

Dort sei Herr B. seit vielen Jahren als Mitglied im Kochteam tätig, heisst es im Brief an den Regierungsrat. Der Mittagstisch, der ein Begegnungsort sein will, findet abwechslungsweise in der Pfarrei St. Marien und den reformierten Kirchgemeinden Johannes und Markus statt.

In Bern existiert laut Rechsteiner ein ganzes Netz von teils kirchlichen Fachstellen, die sich für Asylsuchende und Migranten einsetzen und unter anderem auch solche Projekte wie den Ökumenischen Mittagstisch organisieren.

«Er ist seiner Heimat völlig entfremdet.»

Bei dem 52-jährigen Mann kann man laut dem Bittbrief nicht von einem «normalen Härtefall» sprechen. Die Unterzeichner machen geltend, dass der Mann mehr als die Hälfte seines Lebens in der Schweiz verbracht habe. «Er ist seiner Heimat völlig entfremdet.»

Auch mit einer Rückkehrhilfe hätte er keinerlei Aussichten auf eine gelingende Reintegration in Indien, argumentieren sie. Die Unterzeichner befürchten, Herr B. würde «auf der Strasse landen». Ohne regelmässige medizinische Betreuung, die der Mann benötige, könne es für ihn zudem rasch lebensbedrohlich werden.

Bitte um Härtefallgesuch

Die Kirchenleute und die Politiker werfen dem Kanton Bern «Härte» im Umgang mit Herrn B. vor, für die sie kein Verständnis zeigen. Der Brief schliesst mit der Bitte, auf den Entscheid zurückzukommen und beim Bund ein Härtefallgesuch für den Mann zu stellen. Die Bittschrift kann auf der Plattform der Kampagnenorganisation Campax unterzeichnet werden.

Eine Härtefallbewilligung ist eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung, die asylsuchende Personen und auch Personen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, auf Antrag des Kantons beim Bund erhalten können. Nicht der Schutz einer Person vor Verfolgung oder kriegerischen Ereignissen ist entscheidend, sondern ob ihr die Rückkehr in persönlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zuzumuten ist. (bal)

Herr B. soll in seiner zweiten Heimat bleiben können. Auf dem Bild die Stadt Bern. | © Pixabay/TeeFarm, Pixabay License
22. Dezember 2019 | 09:58
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