Bernd Nilles, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Fastenaktion
Schweiz

Bernd Nilles: «Es geht darum, auf Dinge zu verzichten, die wir gar nicht brauchen»  

«Weniger ist mehr» – so heisst das Motto der diesjährigen ökumenischen Kampagne zur Fastenzeit. Ob weniger tatsächlich mehr ist, und was das für uns im satten Westen bedeuten könnte, darüber spricht Bernd Nilles im Podcast «Laut + Leis». Er ist Geschäftsführer von Fastenaktion.

Sandra Leis

«Natürlich müssen wir Essen kaufen, natürlich möchten wir auch mal Urlaub machen», sagt Bernd Nilles. Aber, so der der Geschäftsführer des Hilfswerks Fastenaktion weiter: «Es kann nicht nachhaltig sein für uns alle, wenn man alles zehnmal macht – zehnmal in Urlaub fliegt oder immer wieder neue Elektrogeräte kauft und niemals darüber nachdenkt, eines zu reparieren.»

Deshalb spricht die diesjährige ökumenische Kampagne, lanciert von der katholischen Fastenaktion, dem evangelisch-reformierten Heks und dem christkatholischen Hilfswerk «Partner sein», konsequent von Überkonsum. «Es geht uns darum, auf Dinge zu verzichten, die wir eigentlich gar nicht wirklich brauchen», sagt Nilles.

Klimagerechtigkeit dank innerer Umkehr

«Wer verzichtet, vollzieht einen Kulturwandel, dem eine innere Umkehr vorangeht.» Denn uns allen sei beigebracht worden, dass die Wirtschaft viel Konsum brauche und wachsen müsse, sagt Nilles. «Wenn alle Menschen so leben würden wie wir hier in der Schweiz, dann müsste der Planet dreimal so gross sein und das Dreifache an Ressourcen hergeben.» Deshalb setze sich Fastenaktion ein für Klimagerechtigkeit. «Jene Menschen im globalen Süden, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, leiden am meisten darunter.»

Sein Engagement begründet Bernd Nilles auch mit der Enzyklika «Laudato si’» von Papst Franziskus. In diesem ethisch wegweisenden Dokument aus dem Jahr 2015 gehe es im Kern um Armutsbekämpfung. 

Papst Franziskus holt die Sonne hervor. Er hat einen Eimer dabei, auf dem «Laudato si'» steht. Graffito von Maupal in Albano (Italien).
Papst Franziskus holt die Sonne hervor. Er hat einen Eimer dabei, auf dem «Laudato si'» steht. Graffito von Maupal in Albano (Italien).

«Papst Franziskus hat mehrfach klar gemacht, dass das eine Sozialenzyklika ist. Er führt uns vor Augen, dass wir Menschen aktiv eine Ungerechtigkeit begehen. Und er möchte, dass wir das ändern.»

Vom Fuss- zum Handabdruck

Bereits zum vierten Mal in Folge rückt die ökumenische Kampagne die Klimagerechtigkeit ins Zentrum. «Damit wollen wir zeigen, wie ernst es uns mit dem Thema ist und dass wir uns intensiv damit auseinandersetzen», sagt Nilles. Nun hätten Rückmeldungen aus den Pfarreien ergeben, dass es hilfreich wäre, die Klima-Kampagne auf Chancen auszurichten. Also aufzuzeigen, wie Menschen gemeinsam etwas Positives bewirken können.

Die ökumenische Kampagne setzt dieses Jahr auf den Handabdruck mit Tipps für Firmen und Quartiere.
Die ökumenische Kampagne setzt dieses Jahr auf den Handabdruck mit Tipps für Firmen und Quartiere.

Der ökologische Fussabdruck – übrigens ein Instrument, das die Öl-Industrie ins Leben gerufen hat – sei nach wie vor wichtig, doch heuer setze man mit der Kampagne verstärkt auf den Handabdruck. «Die Hand steht symbolisch fürs Handeln. Mit konkreten Tipps wollen wir Firmen und Quartiere dazu motivieren, fürs Klima einen Beitrag zu leisten.»

Der öffentliche Kühlschrank

Die Kampagne schlägt beispielsweise öffentliche Kühlschränke vor: Menschen, die zuviel unverdorbene Lebensmittel haben, können diese in einem öffentlich zugänglichen Kühlschrank deponieren. Andere dürfen sich bedienen. So leisten beide Seiten einen Beitrag zu weniger Foodwaste.

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Solche Aktionen helfen im Kleinen. Doch wie sieht es auf der Weltbühne aus? Schaut man zurück auf die Klimakonferenz vom letzten Dezember in Dubai, so stimmen die Ergebnisse nachdenklich. Die Delegierten mussten bis zuletzt darum ringen, in ihrer Abschlusserklärung die fossilen Brennstoffe – also Kohle, Öl und Gas – überhaupt nur zu erwähnen. Das heisst, der Weg zu Klimagerechtigkeit ist lang und beschwerlich.

Die Wahlschlappe der Grünen

Dessen ist sich natürlich auch Bernd Nilles bewusst und verweist auf das internationale Engagement von Fastenaktion. Dabei beobachtet er, «dass die Schweiz leider zu den Bremsern gehört».

Auch national läuft’s nicht rund für Klimathemen: Die Partei Grüne Schweiz musste an den eidgenössischen Wahlen im Herbst eine Wahlschlappe einstecken. Das heisse aber keineswegs, dass Schweizerinnen und Schweizer Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit nicht als wichtig erachteten, sagt Nilles.

Bernd Nilles: «Die Menschen wollen nicht grün wählen müssen, damit das Klima geschützt ist.»
Bernd Nilles: «Die Menschen wollen nicht grün wählen müssen, damit das Klima geschützt ist.»

«Die Umfragen zeigen sehr deutlich: Die Menschen wissen relativ viel, sie machen sich sehr viel Sorgen, und sie wollen, dass etwas getan wird.» Und weiter: «Sie wollen nicht grün wählen müssen, damit das Klima geschützt ist. Sie wollen auch Mitte oder FDP oder SP wählen können, um Klimapolitik zu bekommen.»

«Mensch, werde wesentlich!»

Ohne Verzicht wird es nicht funktionieren. Nilles sieht Verzicht als Chance: «Wenn ich verzichte, verzichte ich nicht blind. Ich verzichte zugunsten meiner Kinder und zukünftiger Generationen, und ich verzichte auch zugunsten armer Menschen, die heute knallhart vom Klimawandel betroffen sind.»

Der berühmte schlesische Dichter, Arzt und Priester Angelus Silesius (1624–1677) hat das Wort geprägt: «Mensch, werde wesentlich!» Viel kürzer und prägnanter kann man nicht sagen, worum es beim ökumenischen Anliegen «Weniger ist mehr» geht.


Bernd Nilles, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Fastenaktion | © Sandra Leis
16. Februar 2024 | 09:00
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