Benno Tscherrig
Schweiz

Benno Tscherrig über den künftigen Kardinal Tscherrig: «Ich bin stolz auf meinen Bruder»

Benno Tscherrig (70) hat aus dem Familienchat erfahren, dass sein Bruder Emil zum Kardinal ernannt wird. Ende September reist er mit der ganzen Tscherrig-Familie ans Konsistorium in Rom. Über seinen ältesten Bruder sagt er: «Emil hat als Nuntius die Welt kennengelernt und ist trotzdem ein sehr einfacher Mensch geblieben.»

Barbara Ludwig

Von wem haben Sie erfahren, dass Ihr Bruder Kardinal wird?

Benno Tscherrig*: Von meiner Schwester. Sie hat es wohl über ihren Mann mitbekommen, er liest regelmässig vatikanische Meldungen. Sie hat die Meldung umgehend über WhatsApp verschickt – im Familienchat. So hat es die ganze Familie sofort erfahren.

Was hat die Nachricht bei Ihnen ausgelöst?

Tscherrig: Zunächst grosses Erstaunen und Überraschung, obschon ich nicht mehr mit seiner Ernennung zum Kardinal gerechnet habe. Dann spürte ich eine riesige Freude. Und schliesslich kam Stolz auf: Stolz auf meinen Bruder, der aus einem kleinen Bergdorf kommt, aus einer Arbeiter- und Bauernfamilie, und diese Diplomaten-Karriere geschafft hat und jetzt noch den Kardinalstitel erhält.

Erzbischof Emil Paul Tscherrig, Apostolischer Nuntius in Italien und San Marino, im September 2022.
Erzbischof Emil Paul Tscherrig, Apostolischer Nuntius in Italien und San Marino, im September 2022.

Ich sehe die Ernennung durch den Papst auch als Wertschätzung und Anerkennung der 45 Jahre, die mein Bruder als Diplomat im Dienst des Papstes gewirkt hat. Er hat sehr viel geleistet in dieser Funktion, in aller Herren Länder.

«Er hatte schon Zukunftspläne ohne den Kardinalshut.»

Sie haben also immer mit seiner Ernennung gerechnet.

Tscherrig: Früher machte ich mir dann und wann Gedanken: Jetzt ist er schon so lange Erzbischof, was kommt noch? Er selber hat in den letzten Jahren jedoch immer wieder gesagt, für ihn sei nun Schluss. Er wolle in Pension gehen und seinen Ruhestand geniessen. Er hatte ja schon Zukunftspläne ohne den Kardinalshut. Irgendwann dachten wir alle, dass es zu spät sei.

Wie sahen denn seine Pläne für den Ruhestand aus?

Tscherrig: Emil hat immer wieder gesagt, er wolle etwas machen ohne Stress, lesen, vielleicht reisen. Über die Sommermonate wolle er im Elternhaus in Unterems wohnen, wo er noch eine Wohnung hat. Er hat sich vorgestellt, jeweils im Wallis den Sommer geniessen zu können. Und in den Wintermonaten zurück nach Rom zu gehen oder irgendwo in den Süden, wo der Winter weniger hart ist. Davon hat er immer wieder gesprochen – und nun wird alles anders.

Werden Sie und andere Familienmitglieder anlässlich des Konsistoriums nach Rom reisen?

Tscherrig: Selbstverständlich. Alle Geschwister werden teilnehmen, mit ihren Familien. Meine Kinder werden also auch mitkommen und die Kinder meiner Geschwister. Das wird eine ganze Mannschaft, ungefähr 30 Personen. Zusammen mit Emil sind wir bereits daran, die Hotelübernachtungen zu organisieren.

Kindheit im Wallis: Emil Tscherrig (l.) mit seinen sieben Geschwistern. Benno Tscherrig (5.v.l.).
Kindheit im Wallis: Emil Tscherrig (l.) mit seinen sieben Geschwistern. Benno Tscherrig (5.v.l.).

Ihr Bruder lebt als Vatikan-Diplomat seit Jahrzehnten weit weg von der Heimat. Wie oft sehen Sie sich?

Tscherrig: Mein Bruder kommt jeden Sommer für vier oder fünf Wochen zurück ins Elternhaus. Während dieser Zeit haben wir Geschwister sehr regen Kontakt untereinander. Zwischendurch haben wir immer wieder auch telefonisch Kontakt oder über WhatsApp.

Haben Sie ihn auch mal besucht an einem seiner Einsatzorte im Ausland?

Tscherrig: Ja. Ich war zum Beispiel mit meiner Familie in Schweden, als er dort Nuntius war. Andere Geschwister haben ihn in der Mongolei besucht oder in Südkorea. Meine Kinder besuchten ihn in Argentinien. Wir pflegen einen sehr engen Kontakt zu meinem Bruder.

«Meine Mutter musste die acht Kinder nach dem Tod des Vaters alleine durchbringen.»

Wie erlebten Sie Ihren Bruder in der gemeinsamen Kindheit?

Tscherrig: Emil war das älteste von acht Geschwistern. Wir stammen – wie ich anfangs sagte – aus einer Arbeiter- und Bauernfamilie. Mein Vater war Hilfsarbeiter und Landwirt im Nebenerwerb. Er starb sehr früh, mit 51 Jahren. Meine Mutter musste dann die acht Kinder alleine durchbringen. Das war eine sehr schwierige Zeit für unsere Familie, in der Emil als Ältester sehr gefordert war. Die Zeit der Nachkriegsjahre war allgemein sehr hart im Wallis – auch wenn unsere grossen Familien genug zu essen hatten. Es war eine unglaubliche Herausforderung für unsere Mutter.

Emil Tscherrig (hinten) zwischen Mutter Lina (†1991) und Vater Walter ( †1971) - anlässlich der Erstkommunionfeier des jüngsten Bruders (*1967).
Emil Tscherrig (hinten) zwischen Mutter Lina (†1991) und Vater Walter ( †1971) - anlässlich der Erstkommunionfeier des jüngsten Bruders (*1967).

Welche Aufgabe übernahm er in dieser vaterlosen Zeit?

Tscherrig: Er kümmerte sich vor allem um die Sorgen der Mutter. Die beiden Schwestern übernahmen mehr Aufgaben in der Betreuung der jüngeren Geschwister. Ab 1974 war er in Rom. Aber er half der Mutter weiterhin in administrativen Angelegenheiten. Er war eine sehr grosse Stütze.

Hat es Sie damals überrascht, dass er Priester werden wollte?

Tscherrig: Der Weg dorthin war irgendwie vorbestimmt, ich möchte von Berufung sprechen. Wir haben einen Onkel und einen Grossonkel, die Priester waren. In unserer Familie war es Tradition, dass jemand das Priesteramt wählt. Als junger Mensch war mein Bruder fröhlich, aufgestellt, musikalisch. Er hat schon ganz früh gesagt, er wolle Priester werden. Nach der Matura, da war er 20 Jahre alt, hat sich das dann auch klar abgezeichnet. Für uns und vor allem für meine Mutter war es eine grosse Ehre und Freude, dass er den Priesterberuf gewählt hat.

Die Geschwister Tscherrig als Erwachsene, Emil ganz links, Benno fünfter von links.
Die Geschwister Tscherrig als Erwachsene, Emil ganz links, Benno fünfter von links.

Was zeichnet Ihren Bruder als Mensch aus?

Tscherrig: Mein Bruder ist sehr gebildet, und als Nuntius hat er die Welt kennengelernt. Trotzdem ist er ein sehr einfacher Mensch geblieben. Ein Mensch wie Sie und ich. Sehr bescheiden. Er ist ein Freund und Bruder auf Augenhöhe. Das ist eindrücklich. Mein Bruder ist sehr kommunikativ und empathisch, er kann zuhören und auf die Menschen eingehen. Wenn er heimkommt ins Wallis, besuchen ihn viele Freunde und Bekannte. Er ist einer vom Volk geblieben.

«Mein Bruder hat so viel erlebt.»

In einem Zeitungsartikel wurde Emil Tscherrig als Abenteurer bezeichnet, weil er als Diplomat herausfordernde Aufgaben in verschiedenen Ländern übernehmen musste. Trifft die Bezeichnung zu?

Tscherrig: Ja, wenn man den Begriff «Abenteurer» im positiven Sinne verwendet. Mein Bruder hat so viel erlebt. Immer wieder wurde er in Länder mit grossen Problemen geschickt. Emil hat eine Riesenerfahrung und so viele Abenteuer durchgestanden, dass man den Ausdruck «Abenteurer» durchaus verwenden kann. Aber nicht im Sinne von jemandem, der unbedacht Risiken auf sich nimmt.

«Am Telefon sagte er mir, um ihn herum würde geschossen.»

War er einmal persönlich bedroht in einem der Krisenländer?

Tscherrig: Er hat – als Diplomat berufsbedingt – sehr wenig von seinen geschäftlichen Aktivitäten erzählt. Aber ich kann mich an die Zeit erinnern, als er in Uganda Botschaftssekretär war. Ende der 1980er Jahre herrschte dort Idi Amin. Wir hatten lange nichts mehr von Emil gehört. Meine Mutter war verzweifelt. Mir gelang es dann, über den Vatikan mit ihm Kontakt aufzunehmen. Am Telefon sagte er mir, um ihn herum würde geschossen. Er war mitten im Kampfgebiet.

2007 soll der Name von Emil Tscherrig laut Medienberichten auf der Dreierliste für die Wahl des Bischofs von Chur gestanden haben. Wussten Sie das?

Tscherrig: Das kann ich nicht bestätigen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass mein Bruder in die Schweiz zurückgekehrt wäre, um Bischof von Chur zu werden. Nach all dem, was er als Diplomat geleistet hat. Emil hat rund zehn Jahre lang die Reisen des Papstes organisiert. Ich glaube nicht, dass er sich als Diözesanbischof in einem Ordinariat wohl gefühlt hätte.

*Benno Tscherrig (70) ist der drittälteste Bruder von Emil Tscherrig. Er ist Rechtsanwalt und lebt in Susten VS. Benno Tscherrig ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.


Benno Tscherrig | © Patrik Ngu
13. Juli 2023 | 17:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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