Schweizer Jugend forscht: Christin Pandiamakkal skypt mit Frauen in Indien.
Konstruktiv

Auch Frauen in Indien können sich eine Päpstin vorstellen

«Eine indische Päpstin – ein Ding der Möglichkeit?» Mit dieser Maturaarbeit kam Christin Pandiamakkal (19) ins Finale von «Schweizer Jugend forscht». Die gläubige Katholikin fordert Reformen in der Kirche. Auch in Indien würden sich junge Menschen von der Kirche abwenden.

Jacqueline Straub

Der Titel Ihrer Maturaarbeit lautet «Eine indische Päpstin – ein Ding der Möglichkeit?». Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Christin Pandiamakkal*: Meine Eltern stammen aus Indien, aus dem Bundesstaat Kerala. Für mich war schnell klar, dass meine Maturaarbeit sich mit Frauen in Indien befassen soll. 

Christin Pandiamakkal
Christin Pandiamakkal

Was haben Sie untersucht?

Pandiamakkal: Ich bin der Frage nachgegangen, wie Frauen aus der syro-malabarischen Glaubensgemeinschaft sich beruflich in der Kirche engagieren können. Dabei habe ich mit einheimischen Frauen qualitative Interviews geführt.

«Face-to-Face-Interviews waren wegen Corona nicht möglich.»

Wie haben Sie die Interviews geführt?

Pandiamakkal: Aufgrund der eingeschränkten Corona-Situation sowohl in der Schweiz als auch in Indien waren Face-to-Face-Interviews nicht möglich. Aber dank der heutigen Technologie und mit technisch begabten Angehörigen der Interviewpartnerinnen hat die Kommunikation auf Zoom sehr gut geklappt. Trotz der grossen geographischen Distanz konnte ich einen Einblick in ihr Leben gewinnen.

Schweizer Jugend forscht: Christin Pandiamakkal skypt mit Frauen in Indien.
Schweizer Jugend forscht: Christin Pandiamakkal skypt mit Frauen in Indien.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Pandiamakkal: Ich habe die Frauen zum Thema Gleichberechtigung in der Kirche befragt und wissen wollen, ob sie sich vorstellen könnten, dass auch Frauen in höhere Ämter zugelassen werden. Anfangs sagten alle, dass sie das nicht brauchen und haben teilweise die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit als «westlichen Unsinn» abgetan.

«In vielen Frauen steckt eine Kämpfernatur.» 

Haben die befragten Frauen Ihre Meinung während der Interviews geändert?

Pandiamakkal: Ja. Später habe ich klar herausgehört, dass die Frauen es sich durchaus vorstellen könnten, Frauen in höheren Kirchenämtern zu haben. Sie sagten mir, dass es hierfür aber sicher noch 50 Jahre braucht. Es brauche die junge Generation, die die alten Traditionen in Frage stelle. Selbst eine indische Päpstin haben sie nicht ausgeschlossen. Was mir auch aufgefallen ist: In vielen Frauen, die von der Gesellschaft oder der Kirche als eher ruhig wahrgenommen werden, steckt eine Kämpfernatur. 

Jugend forscht: Christin Pandiamakkal skypt mit Frauen in Indien
Jugend forscht: Christin Pandiamakkal skypt mit Frauen in Indien

Ist Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in der indischen Gesellschaft ein Thema?

Pandiamakkal: Definitiv. Allerdings wird zwischen Geschlechtergerechtigkeit in der Gesellschaft und der Kirche stark unterschieden. Ein paar Frau meinten, dass Kirchenberufe ja keine normalen Berufe seien und sie deswegen auch die Geschlechterfrage in der Kirche anders bewerten als in der Gesellschaft. Ich habe mit Frauen gesprochen, die noch nie über Gleichberechtigung in der Kirche nachgedacht haben und die Rolle der Frau einfach so annehmen. Ich habe aber auch Frauen interviewt, die schon als Jugendliche das Kirchensystem hinterfragt haben, etwa weil sie nicht ministrieren durften. Sie haben das aber nie öffentlich kritisiert. Denn die Kirche zu hinterfragen, gilt als unanständig und wird in der indischen Gesellschaft nicht gerne gesehen.

«Der Bildungsgrad von Frauen ist extrem hoch – aber das Frauenbild ist sehr traditionell geprägt.»

Welche Stellung haben die Frauen im Bundesstaat Kerala im Süden Indiens?

Pandiamakkal: Ich erlebe die Gegend als konservativer als die Schweiz. Der Bildungsgrad von Frauen und Männern ist extrem hoch. Aber das Frauenbild ist sehr traditionell geprägt.

Narendra Modi, Premierminister von Indien, und Papst Franziskus am 30. Oktober 2021 im Vatikan.
Narendra Modi, Premierminister von Indien, und Papst Franziskus am 30. Oktober 2021 im Vatikan.

Sie haben mit Frauen aus der syro-malabarischen Gemeinschaft gesprochen. Wie ist diese Kirche strukturiert?

Pandiamakkal: Die syro-malabarische Gemeinschaft ist uniert mit der römisch-katholischen Kirche. Papst Franziskus ist somit an der Spitze. Gefolgt von Bischöfen, Priestern, Diakonen. Frauen sind von sämtlichen Weiheämtern ausgeschlossen. Wie auch in der römisch-katholischen Kirche gibt es Laienämter, die Frauen ausführen dürfen. Etwa Religionslehrerinnen oder Ministrantinnen. Wenn allerdings ein Bischof oder Priester sagt, dass er keine Ministrantinnen möchte, dann stellt sich keiner gegen diese Entscheidung. Keiner traut sich die Kirche oder die Kirchenleitung zu kritisieren. 

«Immer weniger gehen in die Kirche.»

Wie nimmt die Jugend die Kirche in Indien wahr?

Pandiamakkal: Auch dort ist es ähnlich wie in der Schweiz. Immer weniger gehen in die Kirche. Sie können sich immer weniger mit der Kirche identifizieren und hinterfragen die traditionellen Werte, die nicht mehr in ihr Leben passt.

Mit Regenbogen-Fahne: die Elisabethenkirche in Basel.
Mit Regenbogen-Fahne: die Elisabethenkirche in Basel.

Was wünschen Sie sich von der katholischen Kirche?

Pandiamakkal: Ich gehe jeden Sonntag mit meinen Schwestern und meinen Eltern in den katholischen Gottesdienst. Alle zwei Monate kommt ein syro-malabarischer Priester, mit dem wir dann die Messe feiern. Die Kirche bedeutet mir viel. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass die Kirche die Menschen so aufnimmt und akzeptiert, wie sie sind. Es darf nicht sein, dass homosexuelle Menschen sich nicht willkommen fühlen. Die Kirche muss sich ändern und auf die Menschen zugehen.

"Wenn ich gross bin, werde ich Päpstin". Drei Frauen demonstrieren in Frankfurt, am 4. September 2020
"Wenn ich gross bin, werde ich Päpstin". Drei Frauen demonstrieren in Frankfurt, am 4. September 2020

Könnten Sie sich eine Päpstin vorstellen?

Pandiamakkal: Absolut. Was mir bei meiner Maturaarbeit erneut bewusst wurde: Die fehlende Gleichberechtigung in der Kirche ist nicht einfach nur ein europäisches Problem, sondern ein globales, das von der Kirche angegangen und umgesetzt werden muss. Ich wünsche mir auf jeden Fall eine Päpstin – ob es eine Inderin ist oder nicht, ist zweitrangig.

«Es kam der Vorwurf, dass ich zu jung sei und mein Weltbild zu verwestlicht.»

Kürzlich hat «Telebasel» über Sie berichtet. Haben Sie auch negative Reaktionen zu Ihrer fortschrittlichen Haltung erfahren?

Pandiamakkal: Leider, ja. Wie in jeder anderen Diskussion gibt es auch bei der Geschlechterfrage in der Kirche zwei Seiten. Wenn ich anderen Bekannten aus Indien erklärt habe, dass ich die Geschlechterrollen in der Kirche hinterfrage, kamen oft Kommentare wie: «Wieso muss man das System ändern, wenn es schon so lange so gut bestehen bleibt?» Und es kam der Vorwurf, dass ich zu jung sei und mein Weltbild zu verwestlicht. Selbstverständlich respektiere ich, wenn jemand eine andere Meinung hat als ich. 

* Christin Pandiamakkal (19) kommt aus Liestal. Nach ihrer Matura wird sie ein Zwischenjahr machen, um dann Biologie und Englisch auf Gymnasiallehramt zu studieren. Mit ihrer Maturaarbeit «Eine indische Päpstin – ein Ding der Möglichkeit?» kam sie ins Finale von «Schweizer Jugend forscht».


Schweizer Jugend forscht: Christin Pandiamakkal skypt mit Frauen in Indien. | © zVg
18. Mai 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!