Anton Cadotsch, früherer Generalvikar des Bistums Basel
Schweiz

Anton Cadotsch: «Statt in Rom trafen wir Joseph Ratzinger im Zwinglihaus»

Im Jahr 1989 fand in Zürich ein ungewöhnliches Treffen statt. Kardinal Joseph Ratzinger kam zu Besuch, um sich mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) zu treffen. Der spätere Papst holte damit ein verpasstes Gespräch in Rom nach.

Sarah Stutte

Vier Jahre nach dem Besuch von Johannes Paul II. in der Schweiz reiste eine Delegation der AGCK vom 4. bis 10. November 1988 nach Rom. Dort wollten die 23 Mitglieder der AGCK unter anderem den Präfekten der Glaubenskongregation treffen – Kardinal Joseph Ratzinger.

Doch zum Besuchstermin erschien dann «nur» dessen Stellvertreter – der spätere Kurienkardinal Alberto Bovone. 1988 war dieser noch Erzbischof und Sekretär der Glaubenskongregation.

Die Enttäuschung wegtrinken

«Das fanden wir schade und waren enttäuscht», erinnert sich der reformierte Theologe Pierre Vonaesch. Er war von 1979 bis 2004 Mitglied der AGCK und als damaliger Sekretär der Arbeitsgemeinschaft beim Treffen in Rom dabei.

«Wir hatten natürlich erwartet, dass ein Treffen mit Joseph Ratzinger zustande kommt», erzählt Pierre Vonaesch. Um den Frust darüber zu vergessen, hätten die AGCK-Mitglieder dafür dann abends – zusammen mit Pierre Mamie, dem damaligen Bischof des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg – «noch einen Schlummertrunk genommen».

Pierre Mamie war Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg.
Pierre Mamie war Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg.

Das war aber noch nicht das Ende der Geschichte. Knapp ein Jahr später, am 16. Oktober 1989, besuchte Kardinal Joseph Ratzinger extra die Schweiz, um das verhinderte Treffen mit der AGCK nachzuholen. In Zürich sei das Gespräch «offen» und in «freundschaftlicher Atmosphäre» verlaufen, wie aus einem alten Communiqué der AGCK hervorgeht.

Weiter heisst es dort, dass bei diesem Treffen Themen der Bioethik, der Bedeutung der römisch-katholischen Bischofskonferenzen sowie der Spannung zwischen kirchenamtlicher Autorität und theologischer Lehrfreiheit zur Sprache gekommen sind. Ferner seien «auch kritische Fragen freimütig erörtert» worden.

Joseph Ratzinger in Zürich

Doch wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Besuch? «Bei dem Treffen in Zürich war ich nicht dabei. Ich kann nur vermuten, dass die Idee, Joseph Ratzinger in die Schweiz einzuladen, von der Bischofskonferenz ausging», meint Pierre Vonaesch.

Schliesslich hätte die SBK damals auch vorgeschlagen, eine Schweizer Delegation zum Gegenbesuch nach Rom zu schicken, nachdem der Papst in der Schweiz war, ergänzt Vonaesch.

Joseph Ratzinger (l.), Erzbischof von München und Freising, und Papst Johannes Paul II. am 5. November 1979 im Vatikan.
Joseph Ratzinger (l.), Erzbischof von München und Freising, und Papst Johannes Paul II. am 5. November 1979 im Vatikan.

«So war es», bestätigt der 99-jährige Anton Cadotsch. Er war von 1975 bis 1983 SBK-Sekretär und später Generalvikar des Bistums Basel. «Dieses Treffen wurde schon ein Jahr zuvor in Rom beschlossen, kurz nachdem uns Kardinal Ratzinger dort nicht empfangen konnte», berichtet Cadotsch. Also habe die SBK beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen angefragt, ob der Besuch nachgeholt werden könne.

«Der Papst hat das gutgeheissen und unterstützt und Joseph Ratzinger aufgefordert, das Gespräch in der Schweiz zu führen. So fand dieses dann im Oktober 1989 im Zürcher Zwingli-Pfarrhaus dann doch noch statt», erinnert sich Anton Cadotsch.

Das Zwinglihaus in Zürich Wiedikon
Das Zwinglihaus in Zürich Wiedikon

Schadenfrohe Schweizer

Cadotsch selbst war an dem Treffen anwesend. «Ich kann mich noch erinnern, dass der Kardinal sehr positiv auf unsere Einladung reagiert hat und wir haben ein wenig mit Schadenfreude konstatiert, dass Joseph Ratzinger jetzt statt in Rom, mit der AGCK im Zwinglihaus zusammengekommen ist», erzählt der 99-Jährige schmunzelnd.


Anton Cadotsch, früherer Generalvikar des Bistums Basel | © zVg
1. Januar 2023 | 14:41
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!