Tony Jossen
Schweiz

Tony Jossen: «Hans Küng und andere Star-Theologen sind an Ratzingers bescheidenem, stillen Wesen gescheitert»

Der Walliser Katholik Tony Jossen (72) war von 1984–1986 Vize-Kommandant der Schweizergarde. Als solcher hatte er auch mit Joseph Ratzinger zu tun, der damals Präfekt der Glaubenskongregation war: «Er war die Liebenswürdigkeit in Person.» Er ist überzeugt: «Hans Küng und andere Star-Theologen sind an Ratzingers bescheidenem, stillen Wesen gescheitert.»

Sarah Stutte

Von 1982 bis 2005 war der spätere Papst Benedikt XVI. noch als Joseph Ratzinger Kurienkardinal und Präfekt der Glaubenskongregation. Als solchen hat ihn Tony Jossen kennengelernt, der von 1984–1986 Vize-Kommandant der Schweizergarde war. «Sein Tod ist ein Riesenverlust. Ich habe ihn in sehr positiver Erinnerung.

Kardinal Joseph Ratzinger 2002 in Lugano
Kardinal Joseph Ratzinger 2002 in Lugano

Als Kardinal war er die Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit in Person. So war er später auch als Papst», sagt der Walliser Ex-Gardist, der heute das Gardemuseum in Naters leitet.

Vorsitzender «schweren Herzens»

Joseph Ratzinger habe den Vorsitz der Glaubenskongregation gar nicht gewollt und diesen nur «schweren Herzens, auf Drängen von Papst Johannes Paul II. übernommen», sagt Jossen.

Doch gerade aufgrund seiner stillen, bescheidenen Art, gepaart mit scharfem Verstand, sei es Ratzinger immer um die Sache gegangen – und nicht um ihn selbst. «Ratzinger ging es um das Glück und die Einheit der Kirche», sagt Tony Jossen. «Dutzende provokante Theologen wie beispielsweise Hans Küng sind an ihm gescheitert.»

Ein seltenes Bild aus der Konzilszeit: Joseph Ratzinger (ganz links) und Hans Küng (rechts).
Ein seltenes Bild aus der Konzilszeit: Joseph Ratzinger (ganz links) und Hans Küng (rechts).

Besonders die Entzweiung mit Küng, mit dem ihn aus Tübinger Zeiten einst eine enge Freundschaft verband, habe Joseph Ratzinger schwer zugesetzt. «Die beiden Professorenkollegen Küng und Ratzinger kannten sich seit Jahrzehnten», sagt Jossen. Dann trennten sich ihre Wege aufgrund der gegenteiligen Auffassung der kirchlichen Lehre.

Disput zwischen Küng und Ratzinger

«Ich erinnere mich, dass ich an einem Morgen zusammen mit Joseph Ratzinger über den Petersplatz zur Glaubenskongregation ging und ihn fragte, ob er gut geschlafen habe. Er erwiderte: ›Nein, ich konnte leider nicht gut schlafen, wegen eines Landsmannes von Ihnen.’ Damit meinte er Hans Küng», berichtet Tony Jossen.

Schon Küngs Dissertation über Karl Barth hatte in Rom dazu geführt, dass ein Inquisitionsdossier über ihn angelegt worden war. Seine theologischen Ansichten machten ihn später weit über Fachkreise hinaus bekannt. In seinen Werken setzte sich Küng kritisch mit der christlichen Dogmatik und der Unfehlbarkeit des Papstes auseinander.

Der Walliser Ex-Gardist Tony Jossen.
Der Walliser Ex-Gardist Tony Jossen.

1979 führte dies dazu, dass ihm Johannes Paul II. die Lehrerlaubnis entzog. Dies führte später auch zum Bruch mit Ratzinger, der sich glücklicherweise einige Jahre später in einem persönlichen Gespräch wieder teilweise ausräumen liess.

Bei Missbrauch Weichen gestellt

Auch wenn Benedikt XVI. hart kritisiert werde: Er habe die entscheidenden Weichen mit Blick auf die Aufarbeitung des Missbrauchskomplexes gestellt, ist Tony Jossen überzeugt. «Er verschärfte die Regeln zur Verfolgung der Schuldigen. In den Medien wurde aber nur ein Bruchteil darüber geschrieben, was er alles angeordnet und durchgesetzt hatte.», sagt Tony Jossen.

«Joseph Ratzinger war ein unwahrscheinlich frommer Mensch. Besonders sein Intellekt hat mich beeindruckt. Ich weiss noch, dass wir uns eine Viertelstunde über etwas unterhielten. Danach sagte er: ›Aber Herr Jossen, vor 15 Minuten haben Sie mir das und das gesagt’ – und dann hat er mich wörtlich zitiert.» Das habe er in dieser Brillanz bei keiner anderen Person erlebt, sagt Tony Jossen.

Papst Benedikt XVI. und Bischof Jean-Marie Lovey
Papst Benedikt XVI. und Bischof Jean-Marie Lovey

Auch in seinen vielen Publikationen scheint diese tiefe Liebe und Sorge um alle Menschen immer und immer wieder auf. Die fast übermenschliche Bürde seines Petrusamtes hat letztlich auch nach reiflicher Überlegung und intensivem Gebet dazu geführt, dass er sich in die Stille des Klösterleins in den vatikanischen Gärten zurückzog , um sich dem Gebet und der Kontemplation zu widmen.

Stress für die Schweizer Garde

Bedeutet nun der Tod des emeritierten Papstes eine Stresssituation für die Schweizergarde? «Ja, die ganze Organisation rund um die Beerdigung wird sicher stressig, aber das Konklave ist diesbezüglich viel schlimmer.» Denn ein Konklave bedeute, mehrere Tage oder Wochen hintereinander im Dienst zu sein.

«Weil das den jungen Gardisten heute nicht mehr zuzumuten ist, hat Franziskus die Garde aufgestockt. So ist man jetzt personell weniger unter Druck», sagt Jossen. Er ist überzeugt: Benedikt XVI. hat ein schönes Begräbnis verdient. Am Donnerstag wird Tony Jossen das Requiem im Fernsehen verfolgen und stolz sein, wie auch viele Gardisten, Benedikt XVI. die letzte Ehre erweisen zu dürfen.

Der Walliser Tony Jossen (72) führt Besucherinnen und Besucher durch das Schweizergarde-Museum in Naters.


Tony Jossen | © Beate Laurenti
1. Januar 2023 | 09:34
Lesezeit: ca. 3 Min.
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