Blick über Schaffhausen

Antisemitismus und Rassismus-Vorfall in Schaffhausen: Emotionen kochen hoch

Nachdem kath.ch antisemitische Vorfälle an einer Schaffhauser Sekundarschule aufgedeckt hat, kochen die Emotionen hoch. Die Schule verspricht eine Intervention und sieht die Eltern in der Verantwortung. Doch der Fall ist vielschichtiger.

Annalena Müller

Das Hakenkreuz auf der Tischtennisplatte der Primarschule Zündelgut wurde den zuständigen Behörden bereits vor einem halben Jahr gemeldet. «Es ging vergessen, das war ein Fehler», so Stadtschulpräsident Werner Bächtold.

Ebenfalls übersehen wurde, dass ein Junge in der benachbarten Sekundarschule Buchthalen schon länger durch Hitlergruss und dem Malen von Nazisymbolen provozierte. Vieles am Fall der Buchthalen-Schule erinnert an einen ähnlichen Schaffhauser Fall aus dem Jahr 2018, der landesweit Schlagzeilen machte.

Elternbrief

Es herrscht Aufruhr in Schaffhausen seit kath.ch am Donnerstag über die Vorfälle an der Buchthalen-Schule berichtete. Vier Schüler hatten eine Zeichnung angefertigt, auf der Adolf Hitler mit gestrecktem Arm, eine Gaskammer und in dieser ein Mitschüler und eine Lehrerin zu sehen waren.

Sekundarschule Buchthalen in Schaffhausen
Sekundarschule Buchthalen in Schaffhausen

Den Vorfall hätte man lieber aus den Medien gehalten. Aus dem Umkreis der Schule heisst es, die Schülerschaft sei aufgefordert worden, nicht mit der Presse zu reden. Gleichzeitig versucht die Schule in einem Elternbrief die Erziehungsberechtigten zu beruhigen: «Die Schule und der Stadtschulrat nehmen den Vorfall sehr ernst und bleiben wachsam».

Intervention geplant

Man werde zusammen mit der «Fach- und Beratungsstelle Radikalisierung» in den kommenden Wochen Veranstaltungen in der Schule durchführen, «um die Schülerinnen und Schüler auf die Wirkung von unbedachten, antisemitischen oder rechtsextremen Äusserungen zu sensibilisieren», heisst es in dem Schreiben, das am Freitag verschickt wurde.

Auf Nachfrage erklärt Stadtschulpräsident Werner Bächtold: «Es wird eine Intervention in der betroffenen Klasse geben und eine weitere für die Schule allgemein.» Dabei werde den Schülern deutlich gemacht, dass sie mit solchen Zeichnungen möglicherweise strafbare Handlungen begingen und dass diese Konsequenzen haben könnten, so Bächtold gegenüber kath.ch.

Einzelfälle?

Die Schulverantwortlichen sind bemüht, die Ereignisse als Einzelfälle darzustellen. So heisst es in dem Elternbrief: «Weitere Anzeichen dafür, dass antisemitisches Gedankengut an den Schulen in Schaffhausen verbreitet wäre, bestehen nicht. Das bestätigt auch die Schaffhauser Polizei.»

Antifa-Graffito in der Schaffhauser Altstadt
Antifa-Graffito in der Schaffhauser Altstadt

Was genau das heisst, ist unklar. Der Anruf bei der Polizei und die Frage, woran man diese Aussage festmache, führt zu keinen Erkenntnissen. Der Beamte am Telefon könne dazu keine Angaben machen. Stadtschulratspräsident Werner Bächtold sagt, er gehe davon aus, dass keine weiteren Meldungen vorlägen. Dass die Abwesenheit von Anzeigen nicht mit der Abwesenheit von Rassismus gleichzusetzen ist, liegt eigentlich auf der Hand.

Angelegenheit ist vielschichtig

Eine Mutter sagt gegenüber kath.ch, sie glaube nicht, dass es sich um Einzelfälle handle. In Buchthalen sei man eher reserviert gegenüber Auswärtigen und allem, was man als «fremd» empfindet. Zur Reaktion der Schule auf die Berichterstattung sagt sie: «Ich glaube, es brauchte diesen Druck, damit etwas passiert». Sie begrüsst die angekündigte Intervention der Schule ausdrücklich.

Vor einem halben Jahr gemeldet, nach der Berichterstattung durch kath.ch entfernt: das Hakenkreuz auf der Pingpongplatte
Vor einem halben Jahr gemeldet, nach der Berichterstattung durch kath.ch entfernt: das Hakenkreuz auf der Pingpongplatte

Eine weitere Mutter weist darauf hin, dass es nicht allein um Antisemitismus gehe. Weder die Lehrerin noch der Schüler, welche in der gezeichneten Gaskammer ums Leben kämen, seien jüdisch. Es gehe hier auch um Rassismus und Hassrede im allgemeinen. Auch sei es nicht ganz fair, nur die Schule zu kritisieren, die Eltern seien ebenfalls in der Verantwortung.

Stadtschulpräsident Bächtold geht einen Schritt weiter und relativiert die Einflussmöglichkeit der Schule. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich um Jugendliche handle, die Aufmerksamkeit suchten. Mit Begriffen wie Rassismus und Antisemitismus sei er vorsichtig. Bächtold verweist auf die Eltern, die in der Verantwortung stünden. «Die Schule kann nur gering Einfluss nehmen».

Schon 2018 in den Medien

Damit spricht Bächtold eine wichtige Frage an: Wem kommt die Verantwortung zu, Heranwachsende für Rassismus und Antisemitismus zu sensibilisieren? Diese von der gesamtgesellschaftlichen Institution Schule primär auf die Eltern zu transferieren, scheint nicht optimal. Denn, nicht alle Eltern sind frei von Rassismus.

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Dies zeigt auch eine E-Mail, die nach der Berichterstattung an die Redaktion geschickt wurde: «kath.ch ist auf dem muslimischen, ev. migrationsproblematischen, vielleicht linken naiven Auge blind.» Die Verfasserin ist in der Schaffhauser Gesellschaft verankert. Über muslimische Kinder in der eigenen Umgebung schreibt sie: Sie «wussten nicht viel (alle bildungsfern), aber was sie sicher wussten, war, dass man Juden hassen müsse.» Anderes sehe es bei «Urschaffhausern» aus, scheint die Person überzeugt.

Solche E-Mails lassen aufhorchen. Wie auch der Umstand, dass im März 2018 ein ähnlicher Fall aus Schaffhausen landesweit Schlagzeilen machte. Damals war es ein Schüler der Gräfler Sekundarschule, der mit Hitlergruss und Hakenkreuz-Schmierereien die Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Junge wurde damals vom Schaffhauser Stadtschulrat bei der Polizei angezeigt, nachdem er wiederholt rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut in der Schule verbreitet hatte.

*Anmerkung: Keine der an der Zeichnung beteiligen Personen ist muslimischen Glaubens. Eine der Personen in der Gaskammer hingegen ist Muslim. kath.ch kennt die Namen aller beteiligten Schüler und Schülerinnen.


Blick über Schaffhausen | © Regula Pfeifer
17. März 2024 | 16:49
Lesezeit: ca. 3 Min.
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