Ann-Katrin Gässlein zur Weltsynode: «Die Ursache für die Missbrauchskrise ist erkannt»
Die St. Galler Theologin Ann-Katrin Gässlein findet, die Weltsynode habe positive Erkenntnisse hervorgebracht – etwa bezüglich Transparenz und Macht. Aber es brauche mehr. Und die Weihefrage für Frauen bleibe ungelöst. Ein Kommentar.
Ann-Katrin Gässlein*
Die Synode hat erkannt: Das vordringliche Problem der römisch-katholischen Kirche sind die mangelnde Transparenz und die konzentrierte Macht auf das Bischofsamt. Beides führt zu Befangenheit und ist Ursache für das Ausmass der Missbrauchskrise. Jetzt werden eine umfassende Rechenschaftspflicht und Mitwirkung von Gremien gefordert, um Missbrauch auch systemisch einen Riegel vorzuschieben.
Transparenz auch bei Bischofswahlen
Viele dieser Forderungen sind in der Schweizer Kirche – auch dank des dualen Systems – erfüllt. Andere, wie die «Errichtung eines nationalen Strafgerichtshof» hat die RKZ bereits kurz nach Bekanntwerden der Missbrauchsstudie formuliert und dürfte nun Chancen auf Erfolg haben. Wer eine «Kultur der Transparenz» aber wirklich ernst meint, muss auch für die Schweizer Kirche weiterdenken – zum Beispiel bei Verfahren wie Bischofswahlen.
Beim Thema «Frauen» hat sich gezeigt: Es sind nicht einfach nur einzelne Bischöfe, sondern katholische Gläubige auf der ganzen Welt, die um gemeinsame Haltungen ringen und hier unterschiedliche Positionen vertreten.
(Noch) kein Weiheamt für Frauen: nachvollziehbar, aber enttäuschend
Eine schrankenlose Öffnung des Weiheamtes für Frauen ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht umsetzbar. Einerseits nachvollziehbar, weil sich die mit der (katholischen) Weihe verbundenen Fragen wie Pflichtzölibat und priesterliche Aufgaben in einem epochalen Umbruch befinden und auch theologisch geklärt werden müssen.
Andererseits enttäuschend, da es gerade für den weiblichen Diakonat gute liturgiehistorische Argumente gibt, die sich nicht durchsetzen konnten. Immerhin wurden die (bislang) unvereinbaren Positionen auch benannt – wie tragfähig sie sind, kann jede*r selbst nachlesen – und auf weitere Diskussionen in der Sitzungsperiode 2024 verwiesen.
Die Synode fordert explizit auf, darüber nachzudenken, wie Frauen «in bestehende Rollen und Ämter» einbezogen werden sollen, «um die Charismen aller besser zum Ausdruck zu bringen und den pastoralen Bedürfnissen besser gerecht zu werden». Wenn in naher Zukunft auf Weltkirchenebene kein Wandel auf allen Ebenen zu erwarten ist, müssen wir vor Ort alle Möglichkeiten ausschöpfen, die sich bereits jetzt bieten. Für uns vor Ort heisst das: Hartnäckig Reformen einfordern und dranbleiben.
Kein Zurück zu alleiniger Bischofsmacht
Es ist auf jeden Fall aussergewöhnlich und positiv, dass eine Synode erstmals katholische Laien als stimmberechtigte Mitglieder einbezogen hat. Nach diesem Schritt darf es kein Zurück zur alleinigen Macht bischöflicher Gremien mehr geben.
Besser Schweigen als Verurteilen
Die Reaktionen auf die Synode, ihre Arbeitsprozesse und ihre Ergebnisse zeigen aber auch, wie unterschiedlich die Weltdeutungen, das Tempo gesellschaftlicher Reformen und Liberalisierungsprozesse sind – zum Beispiel beim Thema LGBTQ. Denn dazu lässt sich – sehr traurig – nach dieser Synode kaum etwas sagen… ausser dass Schweigen besser ist als Verurteilen.
*Ann-Katrin Gässlein arbeitet als Theologin in der Citypastoral bei der katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen und seit Sommer 2017 als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Universität Luzern. Sie gehört der Steuerungsgruppe der neuen Ostschweizer Bewegung «Reformen jetzt» an, die als Reaktion auf die Pilotstudie über Missbrauch in der katholischen Kirche der Schweiz entstand.
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