Theresia Hardegger (r) bringt sich an der Basler Synode ein. Rechts von ihr Ordensfrau Beatrice Kohler und Helena Jeppesen
Schweiz

Anhängerin der Petrusbrüder kritisiert den synodalen Prozess: «Wir müssen die göttliche Ordnung wiederherstellen»

Die Ärztin Theresia Hardegger (65) ist im Bistum Basel in der Minderheit. Die Anhängerin der Alten Messe fühlt sich im synodalen Prozess nicht gehört und kritisiert den «Zeitgeist». Homosexuelles Verhalten sei von der Bibel «als sündig deklariert». Entsprechend gehöre der «Segen für alle» verboten.

Regula Pfeifer

Sie haben sich gemeldet, weil wir ein Foto von Ihnen von der synodalen Versammlung des Bistums Basel veröffentlicht hatten.

Theresia Hardegger
Theresia Hardegger
Theresia Hardegger*: Ja, ich war darauf mit zwei anderen Frauen zu sehen. Das irritierte mich, gerade weil ich deren Ansichten nicht teile. Es gab da nicht eine einzige Frauenmeinung.

Sie wünschen sich also keine Priesterinnen oder Bischöfinnen?

Hardegger: Genau, das ist für mich keine Option. Selbstverständlich wären Frauen prinzipiell fähig, Messen, christliche Rituale zu führen, so wie Frauen in den letzten Jahrzehnten in viele männerdominierte Berufe eingestiegen sind. Etwa in den Arztberuf, den auch ich 40 Jahre lang ausgeübt habe.

Weshalb also keine Priesterinnen?

Hardegger: Es geht hier nicht ums Können. Jesus hatte Jüngerinnen, aber er hat sie nicht ausgewählt für die priesterliche Aufgabe. Er wird hierfür seine Gründe gehabt haben, über die wir heute nur spekulieren können. Er wollte das nicht so, und das sollten wir respektieren. In der synodalen Versammlung waren aber einige Frauen präsent, die sich befähigt sehen, in der Kirche die zentrale Rolle zu übernehmen.

Frau im liturgischen Gewand
Frau im liturgischen Gewand

Das gefällt Ihnen nicht?

Hardegger: Nein. Diese Frauen und auch die «Viri probati» liessen in meinen Augen die Liebe zu Gott, Ehrfurcht und Demut vor Gott kaum erkennen, obwohl sie sich zum Priestertum befähigt sehen – im Sinne eines «Priestertums für alle». Mir schien, dass Gott als oberste Instanz durch den Menschen abgelöst oder ersetzt wurde. Der Mensch entscheidet, was gut und was schlecht ist, gemäss dem vorherrschenden Zeitgeist. Das prangere ich an.

«Gott ist die oberste Instanz.»

Wir müssen wegkommen von einer solchen Überheblichkeit und die göttliche Ordnung wiederherstellen. Gott ist die oberste Instanz, der Schöpfer des Universums und allen Lebens, die Wahrheit, die Liebe, die Barmherzigkeit. Er hat die Vorgaben gemacht, wir sollten uns nach ihnen ausrichten.

Allerdings gibt es Priestermangel.

Hardegger: Ja, es gibt dieses Problem infolge Überalterung und Wegsterbens der Priester und infolge nur spärlicher Berufungen. Deshalb sollten wir zu Gott beten, damit er bei jungen Frauen und Männern Berufungen weckt zum Ordensleben – oder bei Männern auch zum Priestertum.

«Es braucht Priester, die mit ihrem Glauben an Gott in der Tradition verwurzelt sind.»

Es braucht Priester, die mit ihrem Glauben an Gott in der Tradition verwurzelt sind und ohne Scheu und Scham dazu stehen können. Sie sollen uns heute noch das weitergeben, was Jesus ursprünglich seinen Aposteln für die Unterweisung und Weiterverbreitung des christlichen Glaubens gegeben hat – etwa den ewigen Bund mit ihm. Dazu gehört eine entsprechende Ausbildung zu wirklich katholischen Priestern, Ordensleuten, Katechetinnen und Katecheten.

Gebet
Gebet

Was missfiel Ihnen sonst?

Hardegger: An der Synode schien mir, dass der Zeitgeist bestimme, was in der Kirche heute gehe. Es gibt keine «Unité de doctrine» mehr. Die Kirche heute scheint mir am Zerbröckeln, quasi in Auflösung begriffen. Liturgische Texte sind abgeändert worden. Das Feiern der alten tridentinischen Messe ist nicht mehr eine Selbstverständlichkeit, sondern muss speziell beantragt und genehmigt werden. Das ist für mich kaum zu verstehen.

«Wir leben in einer gottvergessenen Gesellschaft.»

Ist eine Anpassung ans Heute nicht notwendig?

Hardegger: Klar steht die katholische Kirche mitten in der Welt von heute mit all ihren Problemen. Aber der Kompass sollte immer auf Jesus gerichtet sein, unseren Erlöser. Jesus sagte, kein Weg führe zum Vater ausser über ihn. Der Priester ist demzufolge Mediator zwischen Gott und den Menschen und von diesen zu Gott. Da wir in einer gottvergessenen Gesellschaft leben, ist eine Neuevangelisierung und Missionierung dringend notwendig. Das Anerkennen Gottes ist zentral. Letztlich geht es um unser Seelenheil, das Endziel des Lebens.

Eine Frau putzt mit einem Staublappen das Holz an einer Figur von Jesus unter dem Kreuz.
Eine Frau putzt mit einem Staublappen das Holz an einer Figur von Jesus unter dem Kreuz.

Diese Ansicht ist theologisch überholt. Alle Menschen können einen direkten Draht zu Gott aufbauen – unabhängig von einem Priester. Konnten Sie denn Ihre Anliegen an der synodalen Versammlung einbringen?

Hardegger: Das war ganz schwierig. Die Versammlung diskutierte über die Ergebnisse der Umfrage bei der Kirchenbasis. Und da waren meine Anliegen nicht drin enthalten. Nur einmal erhielten wir die Chance, unser eigenes Glaubensbekenntnis oder die Wünsche an die Synode mitzuteilen. An eine Steckwand konnte man seine Wünsche für die Zukunft anheften: dies war für mich der uneingeschränkte Erhalt der tridentinischen Messe.

«Bei inoffiziellen Gesprächen nahm ich Sympathien wahr.»

Gab es Sympathisantinnen Ihrer Meinungsrichtung?

Hardegger: Bei inoffiziellen Gesprächen nahm ich Sympathien wahr, doch diese wenigen Synodenteilnehmenden fielen im offiziellen Teil nicht entsprechend auf. Und im Schlussbericht wurden entsprechende Wortmeldungen nur kurz als Minderheitenpositionen erwähnt, ohne ins Detail zu gehen.

«Die Kirche ist von Gott geschaffen und funktioniert nicht nach demokratischen Regeln.»

Mit welchen weiteren synodalen Anliegen sind Sie nicht einverstanden?

Hardegger: Mit dem Teilen von Macht und Verantwortung. Die Kirche ist kein demokratisches Gebilde, sie ist eine Institution, die Jesus seinen Jüngern und damit der Urchristengemeinde als dauerhaftes Erbe hinterlassen hat. Das Zentrale dabei ist das eucharistische Sühneopfer, und die ständige Präsenz unseres Herrn Jesus Christus im Tabernakel. Die Institution ist von Gott geschaffen, deshalb funktioniert die Kirche nicht nach demokratischen Regeln, und es bestimmt nicht der Mehrheitsentscheid.

Meinrad Furrer beim "Segen für alle" – hier ein lesbisches Paar.
Meinrad Furrer beim "Segen für alle" – hier ein lesbisches Paar.

Zudem bin ich nicht einverstanden mit dem aktuellen Umgang der Kirche mit Homosexuellen. Deren Verhalten ist in der Bibel als sündig deklariert, deshalb empfinde ich es als Unterlassung von priesterlicher Seite, dies nicht klar zu benennen und diese Menschen sogar noch zu segnen. Den Fehlbaren wird damit meines Erachtens kein Dienst getan.

«Ich fühlte mich klar in der Minderheit – und überrollt.»

Wie empfanden Sie den Anlass?

Hardegger: Ich fühlte mich klar in der Minderheit – und überrollt. Dass man als Katholikin, der Tradition verbunden, an der Synode unter weiteren Katholiken keine Verbündete mehr findet, ist deprimierend. Ich bin doch nicht absonderlich, nicht frömmlerisch, sondern einfach katholisch!

Wo sind Sie kirchlich beheimatet?

Hardegger: Ich besuche seit etwa vier Jahren die Gottesdienste in der Sentikirche in Luzern. Diese leitet ein Priester der Petrusbruderschaft. Die feierliche und andächtige Messgestaltung, die Ehrfurcht von Seiten des Priesters, aber auch der zahlreichen Gläubigen aus allen Altersklassen während der Messe, die interessanten Predigten, aber auch viele Andachten zu Anliegen der aktuellen Zeit, zeigen mir den tiefen katholischen Glauben der Anwesenden. Der katholische Glaube entwickelt eine Kraft für das ganze Leben. Und eine tiefe Ehrfurcht ist zu spüren, das berührt mich (kurzes Schweigen).

Kardinal Walter Brandmüller (Mitte) zelebriert in Rom mit dem Rücken zur Gemeinde eine Messe nach dem alten Ritus, Mai 2011.
Kardinal Walter Brandmüller (Mitte) zelebriert in Rom mit dem Rücken zur Gemeinde eine Messe nach dem alten Ritus, Mai 2011.

Was gefällt Ihnen dort?

Hardegger: Einerseits die Schönheit der Heiligen Messen, der Andachten, die Erkenntnisse aus den Predigten. Andererseits die ungezwungene und selbstverständliche Verbundenheit der Gläubigen untereinander. Es ist leicht, Kontakte zu knüpfen. Da ist meine geistige Heimat.

Wie sind Sie zu dieser traditionellen Gemeinde gekommen?

Hardegger: Durch Zufall – oder war es die Vorsehung? Als unsere Pfarrei in Ebikon LU die Kirche renovierte, suchten meine Mutter und ich einen neuen Ort, wo wir die Heilige Messe würdig besuchen konnten. Dabei stiessen wir auf die Sentikirche in Luzern und sind ihr bis heute treu geblieben.

Der exkommunizierte Erzbischof Marcel Lefebvre, 1976
Der exkommunizierte Erzbischof Marcel Lefebvre, 1976

Was halten Sie von der Piusbruderschaft?

Hardegger: Erzbischof Lefebvre, der Gründer der Piusbruderschaft, hat die ungute Entwicklung des Zweiten Vatikanischen Konzils erkannt und auf Bitten von Seminaristen ein erstes Priesterseminar in der Schweiz eröffnet, es folgten weitere. Er hat vier Bischöfe geweiht, um sein Werk weiterleben zu lassen. Dies hat zu Spannungen mit Rom geführt. Aber die Piusbrüder haben sich immer um den Verbleib in der katholischen Kirche bemüht. Die Piusbruderschaft ist keine Sekte, sie ist einfach streng der Tradition verpflichtet und hat als Hauptaufgabe die Bildung von katholischen Priestern. Die Piusbruderschaft hat Priesterseminare weltweit und viel Zulauf.

«Ich habe als Ärztin versucht, meine christliche Haltung einfliessen zu lassen.»

Zeigte sich Ihr Katholisch-Sein auch in ihrem Beruf als Ärztin?

Hardegger: Ich habe versucht, meine christliche Haltung einfliessen zu lassen. So habe ich zum Beispiel verunsicherten Patienten gegenüber motivierend gesagt, dass unser Leben das beste Geschenk ist, das wir je erhalten haben. Etwa, wenn ein Patient die Giftspritze oder die Sterbehilfeorganisation Exit ansprach. Meine Überzeugung habe ich einfliessen, die Patienten aber immer selbst entscheiden lassen. Als Onkologin versuchte ich das Leben bestmöglich zu erhalten, Leiden zu lindern. Das war aber immer abhängig auch vom Tumorstadium.

Eine Ärztin zeigt, wie sie Reflexe kontrolliert.
Eine Ärztin zeigt, wie sie Reflexe kontrolliert.

Sie sind nicht Teil der Schweizer Delegation in Prag. Was möchten Sie den Betreffenden mitgeben?

Hardegger: Ich hoffe, dass sich die eingeladenen Delegationen von der Liebe zu Gott leiten lassen. Dass der unschätzbare Wert des geistigen kirchlichen Erbes erkannt und verteidigt wird und ein Sich-Besinnen auf die geistige Quelle stattfindet. Ich hoffe, dass dies in einer Atmosphäre eines tiefen Glaubens und Gebetes erfolgt und nicht im Machtkampf und Streit. Dies wird Mittel und Wege finden lassen, die zur Überbrückung der festgefahrenen Situation führen.

«Das Grundproblem ist die Gottvergessenheit.»

Ihr Hauptanliegen?

Hardegger: Das Grundproblem scheint mir in der Gottvergessenheit der heutigen Gesellschaft zu liegen, was Auswirkungen auf allen Lebens-Ebenen zur Folge hat und die Sünde begünstigt. Möglicherweise ist auch der Wohlstand ein Faktor, der die Abkehr von Gott mitbegründete. Man ist doch mit allem übersättigt, der moderne Mensch hat das Danken verlernt. Ziel ist nur noch das eigene Ego und das bestmögliche Vergnügen auf Erden. Diese Gesellschaft wieder dazu zu bringen, den Schöpfer allen Lebens zu erkennen, anzubeten und zu lieben wäre notwendig, um die weiteren Schritte der Nächstenliebe, Respekt vor dem Leben, Wahrung der Gebote dann einpflanzen zu können. Dazu bräuchte es die Intensivierung der Glaubenslehre, Verkündigung des Evangeliums, Gebete, gute gelebte Beispiele. Kurz: eine Neuevangelisierung unserer Gesellschaft.

* Theresia Hardegger (65) ist Onkologin und führte bis vor wenigen Monaten eine Praxis in Luzern. Nun ist sie pensioniert. Kirchlich ist sie in keinen Gremien engagiert. Auch bei der Vereinigung katholischer Ärzte ist sie nicht dabei. Sie wurde zur synodalen Versammlung des Bistums Basel eingeladen.


Theresia Hardegger (r) bringt sich an der Basler Synode ein. Rechts von ihr Ordensfrau Beatrice Kohler und Helena Jeppesen | © Hansruedi Huber / Bistum Basel
13. Januar 2023 | 13:00
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