Amazonas-Ausstellung: Verbrennt den Regenwald nicht!
Der brasilianische Starfotograf Sebastião Salgado kämpft für Indigenenrechte und den Erhalt des brasilianischen Regenwaldes. Davon zeugt die eindrückliche Fotoausstellung «Amazônia» in der Maag-Halle in Zürich.
Sarah Stutte
Zu Beginn dieser Reise zum Amazonas betritt man einen dunklen Raum und blickt auf ein grossflächiges schwarz-weiss-Bild. Darauf zu sehen ist ein dichter Regenwald, umgeben von einem Fluss, der tiefe Stellen in sich birgt. Aufgenommen wurde das Bild im Nationalpark Jaú, dem zweitgrössten in Brasilien. Dieser befindet sich am Rio Negro im Bundesstaat Amazonas.
In diesem Nationalpark sind weitere Bilder des 79-jährigen Fotografen Sebastião Salgado entstanden. Auf riesige Leinwände gezogen, hängen sie tief von der Decke der Maag-Ausstellungshalle in Zürich – wie stumme Zeugen einer vergessenen Welt.
Aus Lautsprechern tönt ein eigens komponierter Audiotrack des französischen Elektromusik-Wegbereiters Jean-Michel Jarre. Dieser ist von den Geräuschen des Waldes inspiriert, tierischen Lauten, menschlichen Stimmen, vom Prasseln des Regens und dem Rascheln im Gehölz.
Kraftvolle und bedrohliche Natur
Die Besucherinnen und Besucher müssen sich durch die Installationen, die wie Domino-Steine im Raum schweben, hindurch lavieren und werden so zu Entdeckerinnen und Entdeckern einer für sie ungewohnten Umgebung.
Auf den Bildern – teilweise aus der Vogelperspektive geschossen – kriechen Flüsse schlangenlinienförmig durch die Wälder, dichter Nebel hüllt die spitzen Bergformationen ein und bedrohliche Wolken türmen sich über ruhigem Gewässer.
Die Fotoausstellung ist unterteilt in Naturgewalten, dem Wasser, den Bergen, Inseln und dem Wald. Die Sujets von mächtigen Bäumen, auf die starke Regenschauer niedergehen, sind schlicht überwältigend.
Als Besucherin oder Besucher steht man lange davor und fühlt sich davon magisch an-, beziehungsweise fast ins Bild gezogen. Kraftvoll, mitunter beängstigend, wirken sie auf einen. Wir kennen die Geheimnisse dieser unberührten Schöpfung nicht.
Von der grünen Hölle zum grünen Paradies
Das bestätigt auch eine Tafel, die sagt: «Jahrhundertelang wurde der Amazonas die ‹grüne Hölle› genannt. Ein undurchdringlicher, vom Regen getränkter Dschungel, der Aussenstehenden nichts als Gefahren bot.»
In den Erläuterungen steht aber auch, dass der Blick auf den Regenwald heute positiver sei, manchmal sogar romantisch. «Er wird als das grüne Paradies betrachtet, als aussergewöhnliches Naturerbe mit einer der höchsten Dichten an verschiedenen Pflanzenarten».
Doch nicht nur Sebastião Salgados beeindruckende Landschaftsaufnahmen rückt die Ausstellung mit über 200 Bildern ins Zentrum, sondern auch zahlreiche Porträts von indigenen Menschen. Salgado hat ihr Leben im Einklang mit der Natur in nicht minder faszinierenden Momentaufnahmen eingefangen.
Ihre Umgebung, ihre Rituale, persönliche Augenblicke – Fotos, die in dieser Intensität wohl einmalig sind, weil einige der indigenen Gruppen völlig zurückgezogen leben und noch nie einem Fotografen solche Einblicke erlaubt haben.
Indigener Glaube dämonisch
Im Raum sind dabei jeder Stammesgruppe kleine, offene Pavillons gewidmet, die inmitten der Naturbilder um sie herum, tatsächlich wie kleine burgunderfarbene Hütten angeordnet sind. Aussen wie innen hängen die Porträts an den Wänden.
Dazu kommen in kurzen Videointerviews Stammesangehörige zu Wort. Auf einem ist ein Anführer mit rotbemaltem Gesicht zu sehen. Mit leiser Stimme mahnt er: «Verbrennt den Regenwald nicht. Zerstört ihn nicht. Warum verletzen wir, was uns immer ernährt hat?»
Auf der Wand gegenüber ist zu lesen, dass der indigene Stamm der Yawanawá jahrzehntelang durch evangelische Missionare bedroht war. Sie wollten den Indigenen das Christentum aufzwingen und deren eigene Riten unterdrücken.
«Unser Glaube und unsere Traditionen wurden von den Missionaren als dämonisch angesehen, und viele von uns glaubten ihnen», berichtet ein Stammesführer. Die Gemeinschaft erkämpfte sich die eigene Sprache und Lebensweise wieder zurück, indem sie die Missionare vertrieb und ihre Bibeln zerstörte.
Tod ist allgegenwärtig
Eine andere Gruppe, die Suruwahá, glauben, dass Menschen nach ihrem Tod an einen von drei Orten kommen. Einen für die Starken und Gesunden, den erstrebenswertesten. Der andere Ort ist für Menschen, die von giftigen Schlangen gebissen wurden und so den Tod fanden, und dann gibt es noch einen Platz für diejenigen, die im hohen Alter sterben.
Der Tod ist für alle diese Stämme allgegenwärtig, besonders für die in freiwilliger Isolation lebenden Gruppierungen. Ihr Lebensraum ist akut bedroht, der Kontakt mit der Aussenwelt stellt Gefahren dar, denen sie hilflos gegenüberstehen.
Seit Jahrzehnten setzt sich Sebastião Salgado für den Schutz des Regenwalds und der dort lebenden Völker ein. Nicht nur durch seine Bilder. 1998 gründete er zusammen mit seiner Frau Lélia das «Instituto Terra».
Eine Non-Profit Organisation, die sich zum Ziel setzte, im Einzugsgebiet des brasilianischen Doce-Flusstals ein Stück Wald wiederzubeleben, dass durch massive Umweltzerstörung vollständig brach lag.
Das Stück Land wurde durch die Salgados und ihr Team wieder vollständig aufgeforstet, mit bis heute fast 2,4 Millionen neu gepflanzter Bäume, und zum privaten Naturschutzgebiet erklärt.
Auch für blinde Menschen erlebbar
Diesen Einsatz für das Amazonasgebiet hat auch Papst Franziskus mit seinem apostolischen Schreiben «Querida Amazonia» betont.
Seine sozialen, kulturellen, ökologischen und kirchlichen Visionen sah er darin, dass er von einem «Amazonien träume, das für die Rechte der Ärmsten, der ursprünglichsten Völker, der Geringsten kämpft, wo ihre Stimme gehört und ihre Würde gefördert wird».
Er träume auch von christlichen Gemeinschaften, die sich in Amazonien einsetzen und so der «Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken».
In diesem Geiste steht auch die Ausstellung in Zürich, die anhand einer Zeittafel des Weiteren Salgados biografisches Engagement beleuchtet und noch ein anderes, bemerkenswertes Projekt vorstellt: den ersten Bildband für blinde und sehbehinderte Menschen: «Amazônia Touch».
Um den Amazonas und das Leben der indigenen Bevölkerung auch dieser Besuchsgruppe näherzubringen, hat Salgado spezielle Messingplatten als taktile Fotos entwerfen lassen. Deren plastische Vorlagen können in einem kleinen Raum ertastet werden.
Kuratiert wurde das alles von Lélia Wanick Salgado. Am Schluss wird man mit ihren geschriebenen Worten nachdenklich aus dem «grünen Paradies» entlassen: «Diese Ausstellung entstand aus dem tiefen, menschlichen, ökonomischen wie politischen Bedürfnis heraus, den Menschen aufzuzeigen, wie dringlich der Schutz der Artenvielfalt und indigenen Gemeinden des Amazonas ist.» Ein Aufruf, der uns hoffentlich – spätestens nach dem Besuch der Ausstellung – wachzurütteln vermag.
Sebastião Salgado (79) ist ein brasilianischer Fotograf und Umweltaktivist, der heute in Paris lebt. Seit den 1970er-Jahren setzt er sich für die Lebensbedingungen indigener Völker in Afrika und Lateinamerika ein. Für sein ökologisches Engagement und sein künstlerisches Schaffen wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. 2014 drehte der deutsche Regisseur Wim Wenders in Co-Regie mit Salgados Sohn Juliano den Dokumentarfilm «Das Salz der Erde» über den Fotografen. (sas)
Die «Amazônia»-Ausstellung ist noch bis zum 24. September in der Maag-Halle Zürich zu besuchen.
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