Kommandant Christoph Graf (l) und Bundespräsident Alain Berset
Schweiz

Als Katholik würdigte er nicht nur die Reformation: Bundesrat Alain Berset und seine religiöse Seite

«Bleiben Sie zu Hause!»: Den Eidgenossinnen und Eidgenossen bleibt Bundesrat Alain Berset vor allem durch sein Management der Corona-Krise in bleibender Erinnerung. Ende des Jahres tritt der 51-Jährige nach zwölf Jahren als Bundesrat zurück. Dabei hatte der Sozialdemokrat während seiner Amtszeit auch einiges mit der Religion am Hut. Bei seinem Vatikanbesuch 2018 twitterte er sogar mit Papst Franziskus auf Lateinisch.

Wolfgang Holz

Er ist ein Katholik. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Und er besucht mit seiner Familie auch schon mal die Fronleichnamsprozession im Kanton Fribourg. Sozialdemokrat Alain Berset ist also nicht nur ein Vertreter der Schweizer Sozialdemokratie.

Dem Himmel stets so nah

Er verfügt auch über religiöse Wurzeln und ist mit katholischen Ritualen bestens vertraut. Und das nicht nur, weil er während seiner geliebten Ausflüge mit dem Sportflugzeug dem Himmel stets so nah ist.

Bundespräsident Alain Berset engagiert sich am WEF in Davos für soziale Gerechtigkeit weltweit.
Bundespräsident Alain Berset engagiert sich am WEF in Davos für soziale Gerechtigkeit weltweit.

Und trotzdem hat Berset die Religion als Bundesrat nicht an die grosse Glocke gehängt. Denn die heutigen Bundesräte vermeiden religiöse Verweise; manchmal selbst dann, wenn sie naheliegen. Um gesellschaftliche Irritationen zu vermeiden.

«Werte, die über den Religionen stehen»

Als der Bundesrat einmal in der Kathedrale in St. Gallen den Stadtgründer Gallus würdigte, einen irischen Mönch, kam seine Rede ohne einen expliziten Bezug zum Christentum aus. Stattdessen sprach der katholische Bundesrat über «Werte, die über den Religionen stehen», und nannte die Freiheit und die Menschenrechte.

Krypta der Kathedrale St. Gallen mit Gallus-Reliquiar
Krypta der Kathedrale St. Gallen mit Gallus-Reliquiar

Der Romand läutete als Katholik in Genf 2016 sogar das Lutherjahr ein. «Ich weiss nicht, was Calvin oder Zwingli gesagt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass ein katholischer Bundesrat aus dem Kanton Freiburg das Wort zur Feier von 500 Jahren Reformation ergreifen wird», sagte Berset damals vor Kirchenvertretern aus verschiedenen Ländern Europas.

«Reformation prägte weite Teile der Welt»

Berset bezeichnete in seiner Eröffnungsrede die Reformation als «eine Bewegung, deren geistige, kulturelle, gesellschaftliche und politische Dynamik seit einem halben Jahrtausend weite Teile der Welt prägt».

Huldrych Zwingli – Denkmal des Reformators vor der Wasserkirche Zürich
Huldrych Zwingli – Denkmal des Reformators vor der Wasserkirche Zürich

Es sei wichtig, den 500. Geburtstag der Reformation konfessionsübergreifend zu feiern und den Dialog zu vertiefen. Zwischen den verschiedenen Religionen gebe es mehr Verbindendes als Trennendes, viel mehr Brücken als Gräben, so Berset.

Debattenkultur der Schweiz

Der Bundesrat unterstrich auch die entscheidende Rolle, welche die Schweiz in der Geschichte der Reformation gespielte habe. Die Schweiz sei nicht nur von dieser europäischen Bewegung berührt worden, sondern eines ihrer Epizentren gewesen.

Bundesrat Alain Berset (Mitte) an der Eröffnung der Ausstellung «Wunder der Überlieferung» im Stiftsbezirk, April 2019
Bundesrat Alain Berset (Mitte) an der Eröffnung der Ausstellung «Wunder der Überlieferung» im Stiftsbezirk, April 2019

«Die Fähigkeit Debatten zu führen, pragmatische Lösungen zu suchen und zu finden hat sehr viel mit dem Erfolg der Schweiz zu tun. Diese Debattenkultur hat auch sehr viel mit der Reformation zu tun», erklärte Berset bei SRF.

Dialog mit allen religiösen Gemeinschaften

Auch für die multikulturelle Schweiz brach Berset eine Lanze. «In der multikulturellen Schweiz sei es Aufgabe jedes Einzelnen, täglich zu einem ausgeglichenen Zusammenleben beizutragen», ist Berset überzeugt. Dieses Zusammenleben funktioniere in der Schweiz gut, weil sowohl die Bevölkerung als auch zahlreiche Organisationen und Institutionen ihren Teil zum sozialen, kulturellen und religiösen Frieden beitragen.

Der damalige Schweizer Innenminister unterstützte die Aufrufe zum gegenseitigen Respekt und zur Verurteilung des Rassismus, welche christliche und jüdische Gemeinschaften aber auch muslimische Dachorganisationen publiziert haben.

Privataudienz beim Papst

Der Bundesrat ermunterte die Gesellschaft auch dazu, den Dialog mit allen religiösen Gemeinschaften zu intensivieren. Nur das regelmässige gemeinsame Gespräch und die tägliche Integrationsarbeit könnten verhindern, dass die Menschen sich in ihre eigenen Gemeinschaften zurückziehen.

Papst Franziskus begrüsst Bundespräsident Alain Berset im Vatikan, November 2018.
Papst Franziskus begrüsst Bundespräsident Alain Berset im Vatikan, November 2018.

Katholik Alain Berset hatte erstmals im Jahr 2015 eine Privataudienz beim Papst, im Rahmen der Vereidigung der Schweizer Garde. 2018 wurde Alain Berset als Bundespräsident von Papst Franziskus empfangen. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen damals nach Angaben von Vatican News Fragen der Migration sowie das Engagement für internationalen Dialog, Frieden und Menschenrechte. Bei dem Besuch sei es auch um eine Regelung der Migration durch den Uno-Globalpakt gegangen, sagte Berset in Rom.

Twittern auf Lateinisch

Seine katholische Bildung ermöglichte es ihm auch, eine Kommunikation der ganz gehobenen Art zu führen: Mit Papst Franziskus twitterte Alain Berset nämlich auf Lateinisch. Sic!

Papst Franziskus mit Bundesrat Alain Berset bei der Ankunft am Flughafen Genf
Papst Franziskus mit Bundesrat Alain Berset bei der Ankunft am Flughafen Genf

Überhaupt schien das Aufeinandertreffen im Apostolischen Palast 2018 wie das Wiedersehen alter Freunde. Obwohl sich Berset und Franziskus zuvor erst zweimal länger gesehen hatten. In Genf, wo der Papst am Treffen des Weltkirchenrats teilnahm und in einer Privataudienz 2015. Papst Franziskus sei nicht nur Politiker, sondern auch ein spiritueller Führer mit feinem Humor, würdigte der Bundesrat den Heiligen Vater.

Erster Bundespräsident bei der Schweizer Garde

Als erster Bundespräsident widmete Alain Berset 2018 übrigens auch der Schweizer Garde – dem wehrhaften Stolz der Schweiz – volle drei Stunden Aufmerksamkeit. Jenen mutigen Männern, also, die keine Sekunde zögern würden, ihr Leben für das des Papstes zu geben.

Kommandant Christoph Graf (l) und Bundespräsident Alain Berset
Kommandant Christoph Graf (l) und Bundespräsident Alain Berset

Der Besuch von Alain Berset war eine gute Werbung für die Schweizer Garde. Er stellte die Garde zu einem Zeitpunkt ins Rampenlicht, in dem wichtige Entscheidungen anstanden. Zum einen sollte die Garde auf 135 Mann aufgestockt werden. Zum anderen ging es um die Totalrenovation der Kaserne, an die der Bund bekanntlich einen Betrag von fünf Millionen Franken bewilligte. Bersets Einsatz für die neue Kaserne kann also im Nachhinein als erfolgreiches Lobbying bewertet werden.


Kommandant Christoph Graf (l) und Bundespräsident Alain Berset | © Oliver Sittel
22. Juni 2023 | 14:00
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