Gedenkstein für Anne Frank und ihre Schwester Margot Frank.
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«Als hätte sich plötzlich die Welt umgedreht»

Anne Frank hatte eine Art Todesahnung: «Ich höre den anrollenden Donner immer lauter, der auch uns töten wird», schrieb das jüdische Mädchen im Juli 1944 ins Tagebuch. Wenige Monate später starb sie im Alter von 15 Jahren im KZ.

Norbert Demuth

Eigentlich war es ein Poesiealbum. Fast quadratisch, mit rot-weiss-kariertem Stoffeinband und einem Verschluss auf der Vorderseite. Das Tagebuch der Anne Frank. Das jüdische Mädchen hatte es zum 13. Geburtstag von seinen Eltern geschenkt bekommen. Am 12. Juni 1942 schrieb sie ihren ersten Eintrag: «Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine grosse Stütze sein.»

Zwei Jahre im Versteck

Anne Frank war 1934 mit ihren Eltern und ihrer Schwester aus ihrer Heimatstadt Frankfurt am Main in die Niederlande gegangen, nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen hatten. In Amsterdam tauchte die Familie unter. Gut zwei Jahre versteckten sie sich in einem Hinterhaus des Firmengebäudes von Annes Vater Otto Frank in der Prinsengracht.

«Liebe Kitty!»

Anrede in Anne Franks Tagebuch

Was Anne dort ihrem Tagebuch anvertraute, gehört zu den erschütterndsten Berichten über die Judenverfolgung in der NS-Zeit. Adressat ist eine imaginäre Freundin: «Liebe Kitty! Zwischen Sonntagmorgen und jetzt scheinen Jahre zu liegen. Es ist so viel geschehen, als hätte sich plötzlich die Welt umgedreht», schrieb Anne Frank am 8. Juli 1942.

Ihr letzter Eintrag – rund zwei Jahre später – stammt vom 1. August 1944. Am 4. August 1944 wurde das Versteck aufgespürt, alle dort Untergetauchten wurden verhaftet. Anne starb im Konzentrationslager Bergen-Belsen im Februar oder März 1945, vermutlich an dem von Läusen übertragenen Fleckfieber. Sie wurde nur 15 Jahre alt. Ihr genauer Todestag ist nicht bekannt.

Rede eines Politikers animierte sie

Zunächst hatte Anne gar keine grossartigen schriftstellerischen Ambitionen: «Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines 13-jährigen Schulmädchens interessieren wird.»

Doch im Frühjahr 1944 hörte sie im Radio aus London eine Rede des niederländischen Erziehungsministers. Er riet dazu, nach dem Krieg alles über die schwere Zeit des niederländischen Volkes während der deutschen Besatzung zu publizieren, etwa Tagebucheinträge. In der Folge, so Historiker, entschied sich Anne, nach dem Krieg ein Buch zu veröffentlichen.

«Mit Schreiben kann ich alles ausdrücken.»

Anne Frank in ihrem Tagebuch

Am 5. April 1944 schrieb sie: «… werde ich jemals etwas Grosses schreiben können, werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden? Ich hoffe es, ich hoffe es so sehr! Mit Schreiben kann ich alles ausdrücken, meine Gedanken, meine Ideale und meine Phantasien.»

Todesahnung und Trotz

Ihr Vater Otto überlebte als einziges Familienmitglied den NS-Terror. Er veröffentlichte nach längerer Überlegung 1947 das Tagebuch seiner Tochter. In einem ihrer letzten Einträge vom 15. Juli 1944 beschreibt Anne eine Art Todesahnung: «Ich sehe, wie die Welt langsam immer mehr in eine Wüste verwandelt wird, ich höre den anrollenden Donner immer lauter, der auch uns töten wird, ich fühle das Leid von Millionen Menschen mit.»

Ihr Tagebuch wurde zu Weltliteratur.

Doch trotzig fährt sie fort: «Und doch, wenn ich zum Himmel schaue, denke ich, dass sich alles wieder zum Guten wenden wird, dass auch diese Härte aufhören wird, dass wieder Ruhe und Frieden in die Weltordnung kommen werden.»

Anne Frank selbst konnte daran zwar nicht mehr aktiv mitarbeiten. Doch ihr Tagebuch wurde zu einem Werk der Weltliteratur. Es wurde in über 70 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft. Ihr Versteck ist heute ein Museum. 2019 kamen 1,3 Millionen Menschen in das Haus, in dem einst ein jüdisches Mädchen damit begann, Tagebuch zu schreiben. (kna)

Gedenkstein für Anne Frank und ihre Schwester Margot Frank. | © bernswaelz/Pixabay, Pixabay Licence
19. Februar 2020 | 11:51
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Andenken an Anne Frank in Basel

In der Stadt Basel soll im Erlenmattpark, einem «beliebten Treffpunkt und Spielplatz von Kindern und Jugendlichen» wie die «Basler Zeitung schreibt» ein Platz nach Anne Frank benannt werden. Der Platz soll laut Justiz- und Sicherheitsdepartement der Stadt den Namen «Anne Frank-Platz» tragen.

Wie die «Basler Zeitung» weiter berichtet, wurde auch das Tagebuch der Anne Frank von der Region Basel aus verbreitet. Anne Franks Vater hat sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Birsfelden niedergelassen, zur Erinnerung an seine Tochter den Anne Frank-Fonds gegründet und sich so dem Erhalt des Andenkens an seine Tochter gewidmet. (ms)