Im Caritas-Markt
Schweiz

«Alain Berset, nehmen Sie endlich die Armut in der Schweiz ernst!»

Luzern, 17.11.16 (kath.ch) Mit einem Appell wendet sich das katholische Hilfswerk Caritas Schweiz an Innenminister Alain Berset. Im Vorfeld der Nationalen Konferenz gegen Armut fordert Caritas den Bundesrat auf, den finanziellen Leistungsabbau in der Sozialhilfe zu stoppen. Zudem müsse der Bund mehr tun, damit Menschen gar nicht erst in Armut geraten.

«Der Appell ist nötig, damit auch die Politik endlich die Armut in der Schweiz ernst nimmt», sagt Hugo Fasel, Direktor von Caritas Schweiz, in einem Video zum Appell. Das Hilfswerk weist darauf hin, dass alle Menschen gemäss Bundesverfassung ein Recht auf Unterstützung und ein menschenwürdiges Dasein haben.

Sparmassnahmen in Kantonen und Gemeinden hätten jedoch dazu geführt, dass vielerorts Sozialleistungen wie Prämienverbilligungen für Krankenkassen reduziert worden seien. Oft werde zudem auf Kosten der persönlichen Beratung gespart. «Es darf aber nicht sein, dass die Staatsfinanzen auf dem Buckel der Armutsbetroffenen saniert werden», heisst es im Appell wörtlich. Mit Nachdruck appelliert Caritas Schweiz darum an Bundesrat Berset, dafür zu sorgen, «dass die Sozialhilfe von Kantonen und Gemeinden ihre Aufgabe der Armutsbekämpfung wahrnimmt.»

Recht auf Erstausbildung

Nachhaltiger als die Bekämpfung von Armut sei allerdings deren Vermeidung. Caritas Schweiz sieht drei Felder, in denen der Bund aktiver werden sollte: Einerseits gezielte Weiter- und Nachholbildung für Menschen, deren Fähigkeiten aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen plötzlich nicht mehr gefragt seien. «Der Bund soll ein Bekenntnis zu einem Recht auf Erstausbildung ablegen», erläutert Bettina Fredrich, Leiterin Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas, auf Anfrage von kath.ch. Zusätzlich müssten die Kantone die Anerkennung ausländischer Abschlüsse vereinfachen.

«Schliesslich sind auch die Arbeitgeber in der Pflicht: Sie müssen die Angestellten auf Angebote der Nachhol- und Weiterbildung aufmerksam machen und sie darin unterstützen, diese auch wahrzunehmen.» Letztlich soll damit Weiterbildung für alle zur Pflicht werden. Derzeit gebe es Weiterbildung vor allem für gut Qualifizierte und für Männer mit Vollzeitpensen.

Nicht nur «Kürsli» bezahlen

Weiter fordert das Hilfswerk Ergänzungsleistungen für Familien sowie mehr Anstrengungen seitens der Arbeitslosenversicherung (ALV) zur Integration arbeitsloser Menschen. Die ALV müsse «nicht nur Kürsli bezahlen», so Fredrich, sondern «die Leute darin unterstützen, sich durch qualifizierende Bildung besser auf dem Arbeitsmarkt positionieren zu können.» Mit den Ausbildungszuschüssen hätte die ALV zwar ein Instrument dazu, doch «statt in nachhaltige Bildungsmassnahmen zu investieren, setzen sie Druck auf, damit die Betroffenen möglichst schnell wieder irgendwo im Arbeitsmarkt ­unterkommen.» Dieses Vorgehen ändere jedoch häufig nichts an der prekären Lage der Betroffenen.

Den Online-Appell haben bislang 2100 Personen unterschrieben. «Es ist entscheidend, dass auch Alain merkt, dass viele hundert Leute hinter diesem Appell stehen», so Fasel im Video.

Am Dienstag, 22. November, findet die Nationale Konferenz gegen Armut 2016 statt. Die Tagung gibt Einblick in das Fünfjahresprogramm von Bund, Kantonen und Gemeinden zur Bekämpfung von Armut in der Schweiz. Dieses läuft seit 2014. Die Tagung wird organisiert vom Bund, der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren, dem schweizerischen Städte- und dem schweizerischen Gemeindeverband sowie von Caritas Schweiz. (sys)

 

Im Caritas-Markt | © Stefan Iori/Caritas Schweiz
17. November 2016 | 15:06
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