Abt Urban Federer mit der Kreuzreliquie in Einsiedeln
Schweiz

Abt Urban Federer: «Das Kreuz sagt uns: Jesus hat auf jede Gewalt verzichtet»

Vertreter der orthodoxen Kirchen haben am Sonntag in Einsiedeln ein Friedensgebet gefeiert. Mit dabei: Abt Urban Federer und Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist. Kritik am russischen Präsidenten Putin und Patriarch Kyrill kommt indirekt zur Sprache.

Raphael Rauch

Sonntagnachmittag in Einsiedeln: Orthodoxe Frauen mit und ohne Kopftuch sitzen in der ersten Reihe in Einsiedeln. Männer zücken ihre Smartphones, um das orthodoxe Friedensgebet zu filmen.

Zwietracht in der globalen Ökumene

Eingeladen haben der Abt des Klosters Einsiedeln, Urban Federer, der reformierte Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist und das Zürcher Forum der Religionen.

Pfarrer Christoph Sigrist und Abt Urban Federer
Pfarrer Christoph Sigrist und Abt Urban Federer

Auf globaler Ebene liefert sich die Orthodoxie seit Jahren einen erbitterten Machtkampf: Der Moskauer Patriarch Kyrill und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomäus haben, vorsichtig ausgedrückt, das Heu nicht auf derselben Bühne.

Der Konflikt zwischen Kyrill I. (l.), Patriarch von Moskau, und Bartholomaios I. (r.), griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, dürfte andauern. Hier bei einem Treffen im August 2018.
Der Konflikt zwischen Kyrill I. (l.), Patriarch von Moskau, und Bartholomaios I. (r.), griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, dürfte andauern. Hier bei einem Treffen im August 2018.

In Afrika hat Moskau erst neue Bistümer errichtet – ein Affront gegenüber dem Patriarchat von Alexandrien. Der Ukraine-Krieg und Kyrills Schulterschluss mit Kriegstreiber Putin verschärft die Spannungen in der Ökumene zusätzlich.

Diplomatie in der Zürcher Ökumene

Von der Zwietracht in der globalen Ökumene ist am Sonntag in Einsiedeln nichts zu spüren. «Beten wir heute unter dem Schutz der schwarzen Madonna von Einsiedeln um den Frieden in dieser Welt und um den Frieden in unserem Herzen», sagt Abt Urban Federer. Es folgen Gebete, Gesänge und Fürbitten in verschiedenen Sprachen.

Unter den Gläubigen sind auch Flüchtlinge aus der Ukraine, die im Kloster Einsiedeln untergekommen sind. Und unter den Mitwirkenden ist auch Vikar Vladimir Svystun, der Ukrainer ist und der russisch-orthodoxen Kirche angehört.

Serbisch-orthodoxer Erzpriester

«Die Menschen in der Ukraine sind wunderbar und stolz und haben eine enge Beziehung zur russisch-orthodoxen Kirche», sagt der serbisch-orthodoxe Erzpriester Miroslav Simijonovic.

Der serbisch-orthodoxe Erzpriester Miroslav Simijonovic.
Der serbisch-orthodoxe Erzpriester Miroslav Simijonovic.

«Die drei Völker Osteuropas, die Ukraine, Weissrussland und Russland, bedeuten für das orthodoxe Volk symbolisch die Heilige Dreifaltigkeit, die im Laufe der Geschichte immer zusammengehalten wurde und die niemals getrennt werden sollte.» 

Einsatz für den Frieden

Miroslav Simijonovic verweist auf den Kiewer Metropoliten Onufrij Berezowskij. Er ist das Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Dieser versuche, «den Frieden zwischen den Kriegsparteien aufrechtzuerhalten».

Ein Besucher nimmt die Zeremonie auf dem Smartphone auf.
Ein Besucher nimmt die Zeremonie auf dem Smartphone auf.

Anders als Onufriy, der Putins Kriegstreiben als «Verbrechen von Kain, der seinen Bruder Abel ermordete» geisselte, bleibt Miroslav Simijonovic in Einsiedeln jedoch diplomatisch.

Brücken bauen, nicht abreissen

«Vielleicht erwarten die Medien von uns, politische Äusserungen abzugeben, insbesondere die eine oder andere Seite des Konflikts zu verurteilen oder anzugreifen», sagt der serbisch-orthodoxe Erzpriester während der Feier. «Wird uns die Kritik von einigen Menschen im Krieg zu helfen vermögen? Die Kirchen sollten diesbezüglich neutral sein und positive Energie unter den Menschen verbreiten.»

Der russisch-orthodoxe Diakon Daniel Schärer stimmt ein Lied an.
Der russisch-orthodoxe Diakon Daniel Schärer stimmt ein Lied an.

Der serbisch-orthodoxe Erzpriester ist überzeugt: Die Kirchen in Ost und West sollten nicht «Plattformen für mediale und politische Propaganda für die eine oder andere Seite sein. Die Kirchen und die gläubigen Menschen als Leib des Herrn Jesus Christus sind hier, um die Brücken zwischen den Nationen wieder aufzubauen.»

«Jesus hat auf jede Gewalt verzichtet»

Später heisst es in den Fürbitten: «Halte diejenigen auf, die den Krieg wollen, und zerschlage ihre Pläne.» Dies kann als indirekte Kritik am russischen Präsidenten Putin und Patriarch Kyrill gewertet werden.

Unter den Mitwirkenden: eine Vertreterin und zwei Vertreter der Kopten. Links im Bild: Der koptische Pater Isodoros, er lebt im Kloster Einsiedeln.
Unter den Mitwirkenden: eine Vertreterin und zwei Vertreter der Kopten. Links im Bild: Der koptische Pater Isodoros, er lebt im Kloster Einsiedeln.

Am Ende der Feier segnet Abt Urban Federer die Gläubigen mit der Heilig-Kreuz-Reliquie des Klosters Einsiedeln. Er verweist auf den dritten Fastensonntag in der orthodoxen Kirche, der Kreuz-Sonntag heisst. «Das Kreuz sagt uns: Jesus hat auf jede Gewalt verzichtet», sagt Abt Urban Federer.

Signal des Friedens

Christoph Sigrist sagt nach der Feier zu kath.ch, offensive Kritik an Putin in einer Gebetsfeier bringe die orthodoxen Gläubigen nicht weiter: «Wir müssen die politische Ebene rauslasen, sonst kommen wir nicht zusammen.» Wichtiger sei das Signal des Friedens, das vom Zürcher Grossmünster und vom Kloster Einsiedeln ausgehe.

Abt Urban Federer findet: «Friedensarbeit ist etwas, das eine lebenslange Arbeit ist. Der Mensch kann schneller zerstören, als er aufbauen kann.» Einsiedeln ziehe schon lange nicht nur Christen aus allen Konfessionen, sondern auch Menschen aus anderen Religionen an. «Die kommen nicht als Touristen, sondern als Menschen, die den Frieden suchen. Dem wollen wir Raum geben.»


Abt Urban Federer mit der Kreuzreliquie in Einsiedeln | © Raphael Rauch
28. März 2022 | 09:57
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