Die Synodalen haben abgestimmt - das Abschlusspapier ist da.
Vatikan

Abschlussdokument: Weniger bischöfliche Macht, Ausweichen bei Frauen und LGBTQ

In 22 Kapiteln fasst das Abschlussdokument die Themen der Weltsynode zusammen. Frauen sollen mehr Einflussmöglichkeiten in der Kirche bekommen. Beim Thema sexuelle Minderheiten konnten sich die Konservativen durchsetzen und eine grosse Überraschung gibt es bei der bischöflichen Macht: Diese soll eingeschränkt werden.

Annalena Müller

Der Zeitplan des Vatikans ist auf Kante genäht. Erst am Samstagmittag erhalten die Synodalen das Abschlussdokument. Zunächst nur auf italienisch, der Versand der englischen Version verzögert sich um Stunden und erreicht die Teilnehmenden erst Minuten vor Sitzungsbeginn. Am Nachmittag wird den 345 Synodalen das gesamte Dokument zunächst vorgelesen. Dann folgt die Abstimmung. Jeder Absatz muss zwei Drittel der Stimmen erhalten.

Spiegel der diskutierten Themen

Am späten Abend ist es vollbracht. Die Weltsynode nimmt das 37-seitige Abschlussdokument an. Jedes der 22 Kapitel widmet sich einem Themenkomplex. Jedes Kapitel ist unterteilt in «Konvergenzen», «Zu behandelnde Fragen» und «Vorschläge».

Helena Jeppesen-Spuhler und eine Ordensfrau stimmen zusammen mit Bischöfen und Kardinälen über das Abschlussdokument ab.
Helena Jeppesen-Spuhler und eine Ordensfrau stimmen zusammen mit Bischöfen und Kardinälen über das Abschlussdokument ab.

Dank dieser Struktur können auch Themen berücksichtigt werden, bei denen Uneinigkeit herrscht. Bei den vorher heiss diskutierten Themen «Frauen» und «LGBTQ+» gibt es keinen Durchbruch. Dafür bezieht die Synode beim Thema Missbrauchsaufklärung und -prävention klar Position.

Überraschung beim Thema Missbrauch und bischöfliche Macht

Kapitel 12, «Bischof in kirchlicher Gemeinschaft», birgt die vielleicht grösste Überraschung des Abschlussdokuments. Hier wird eine «Kultur der Transparenz und die Einhaltung von Verfahren zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen» gefordert. Und konkret:

«Das heikle Thema des Umgangs mit Missbrauch bringt viele Bischöfe in die schwierige Lage, die Rolle des Vaters und des Richters miteinander zu vereinbaren. Es sollte in Erwägung gezogen werden, die richterliche Aufgabe einem anderen Gremium anzuvertrauen, das kanonisch festgelegt werden sollte.»

Im Kampf gegen Missbrauch braucht es Gewaltenteilung - das sieht auch die Weltsynode so.
Im Kampf gegen Missbrauch braucht es Gewaltenteilung - das sieht auch die Weltsynode so.

Mit anderen Worten: Die Weltsynode fordert eine Gewaltenteilung. Nicht mehr der Bischof soll Richter seiner Priester sein, sondern ein «anderes Gremium». Implizit erkennt die Synode die systembedingte bischöfliche Befangenheit bei der Missbrauchsbekämpfung an.

«Es sollten Strukturen und Verfahren in rechtlich festzulegender Form für die regelmässige Überprüfung der Arbeit des Bischofs geschaffen werden, und zwar in Bezug auf den Stil seiner Autorität, die Finanzverwaltung des Vermögens der Diözese, das Funktionieren der Mitwirkungsgremien und den Schutz vor jeder Art von Missbrauch. Eine Kultur der Rechenschaftspflicht ist integraler Bestandteil einer synodalen Kirche, die Mitverantwortung fördert, und ein möglicher Schutz gegen Missbrauch.»

Relazione di Sintesi, 12, j)

Weiter fordert die Synode eine periodische Überprüfung der bischöflichen Arbeit und die Implementation einer «Kultur der Rechenschaftspflicht». Mit klaren Worten benennt die Weltkirche hier die systemischen Faktoren des Missbrauchskrise und -vertuschung.

Ausweichen beim Thema Frauen

Kapitel neun widmete sich explizit den Frauen. Die Vorsicht und das Ringen um jedes Wort sind hier deutlich zu spüren. Ein Scheitern der Abstimmung an diesem umkämpften Thema sollte auf jeden Fall vermieden werden. Und sie hätte sowohl an den Konservativen als auch an den Frauen scheitern können.

Klosterfrauen am Gottesdienst im Petersdom, letzte Sitzungswoche der Weltsynode 2023
Klosterfrauen am Gottesdienst im Petersdom, letzte Sitzungswoche der Weltsynode 2023

Worauf man sich einigen konnte: «Die Kirchen in aller Welt haben den Ruf nach einer stärkeren Anerkennung und Aufwertung des Beitrags der Frauen klar formuliert.» Es müsse künftig diskutiert werden, wie «die Kirche mehr Frauen in bestehende Rollen und Ämter einbeziehen» kann, «um die Charismen aller besser zum Ausdruck zu bringen und den pastoralen Bedürfnissen besser gerecht zu werden». Und falls neue Ämter für Frauen «erforderlich sind», müsse geklärt werden, «auf welcher Ebene und in welcher Weise».

«Hinsichtlich des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst wurden unterschiedliche Positionen vertreten. Einige halten diesen Schritt für inakzeptabel, da er im Widerspruch zur Tradition stünde. Für andere hingegen würde die Zulassung von Frauen zum Diakonat eine Praxis der frühen Kirche wiederherstellen. Wieder andere sehen in diesem Schritt eine angemessene und notwendige Antwort auf die Zeichen der Zeit, die der Tradition treu ist und ein Echo in den Herzen vieler finden kann, die nach neuer Vitalität und Energie in der Kirche suchen. Einige äussern die Befürchtung, dass diese Forderung Ausdruck einer gefährlichen anthropologischen Verwirrung ist, die die Kirche dem Zeitgeist angleichen würde.»

Relazione di Sintesi, 9, j)

Nicht einigen konnte man sich in der Frage des Diakonats. Hier gibt das Abschlussdokument die verschiedenen, faktisch unvereinbaren Positionen wieder und verweist auf die noch ausstehenden Ergebnisse der vom Papst eingerichteten Kommissionen. «Wenn möglich sollten die Ergebnisse» auf der Synode im Oktober 2024 vorgestellt werden. Kleiner Lichtblick: Laut der Weltsynode sollten künftig entsprechend ausgebildete Frauen in allen kanonischen Verfahren als Richterinnen fungieren dürfen.

LGBTQ+ tauchen nicht auf

Noch weniger Fortschritt gibt es beim Thema «LGBTQ». Hier konnten sich die Konservativen durchsetzen. Bis zuletzt war gerätselt worden, ob der Begriff «LGBTQ» Einzug in das Abschlussdokument finden würde. Jetzt ist klar: Er hat es nicht.

Kapitel 15, «Kirchliche Unterscheidung und offene Fragen», erkennt an: «Einige Themen wie die Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung, das Ende des Lebens, schwierige Ehesituationen und ethische Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz sind nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche umstritten, weil sie neue Fragen aufwerfen.»

Die Bewegung «Out in Church» hat in Deutschland eine Anpassung im kirchlichen Arbeitsrecht erreicht.
Die Bewegung «Out in Church» hat in Deutschland eine Anpassung im kirchlichen Arbeitsrecht erreicht.

Dass bei diesem Thema die Kontroversen besonders gross waren, ist bekannt. Und es zeigt sich in der Wortwahl, die vor allem eines vermeidet: sich festzulegen.

«Es ist wichtig, sich die nötige Zeit für diese Überlegungen zu nehmen und unsere besten Kräfte darauf zu verwenden, ohne sich zu vereinfachenden Urteilen hinreissen zu lassen, die den Menschen und dem Leib der Kirche schaden.»

Abschlusstext der Synode in italienischer Sprache (pdf). Deutscher Text folgt.


Die Synodalen haben abgestimmt – das Abschlusspapier ist da. | © Annalena Müller
29. Oktober 2023 | 01:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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