75 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg: Glocken erklingen

Ein Wort an die Pfarrerin kann sehr viel auslösen. Am 8. Mai läuten die Glocken in Stäfa und Männedorf in Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges. Andernorts nicht – dafür zu anderen Anlässen.

Georges Scherrer

Am 8. Mai werden abends im zürcherischen Stäfa und Männedorf ausserplanmässig die Glocken läuten. Wenn früher in einem Dorf ein Gemeindemitglied verstarb, wurde dies mit Glockengeläut über Haus und Felder verkündet.

Die Glocken erklingen jeweils auch um 22.15 Uhr vom Turm der Kathedrale Freiburg. Damit wird eine alte Tradition aufrecht erhalten. Sie verkünden die mittelalterliche, nächtliche Sperrstunde.

Zeichen gegen die Kriege

Auch das Läuten in Stäfa und Männedorf verweist zurück in die Vergangenheit. Zürichs Landeskirchen riefen vor fünf Jahren dazu auf, aus Anlass von 70 Jahren zum Endes des Zweiten Weltkrieges, also am 8. Mai 2015, die Glocken läuten zu lassen. So, wie am 8. Mai 1945 in der Schweiz die Glocken läuteten.

Damit wollten die Kirchen ihre Verbundenheit mit den Opfern des Zweiten Weltkriegs und deren Angehörigen ausdrücken und gleichzeitig ein Zeichen gegen kriegerische Auseinandersetzungen setzen. Sie schlossen sich einer Aktion der Stadt Zürich an.

Verwunderung über Geläute

Verschiedene reformierte und katholische Kirchgemeinden folgten damals dem Aufruf und liessen am Abend die Glocken erschallen. Manch einer wird auf die Uhr geguckt und sich gefragt haben: Ist jetzt Zeit für einen Gottesdienst?

Möglicherweise wussten einige Passantinnen und Passanten, was der aussergewöhnliche Glockenklang vom 8. Mai bedeutete.

Andere Kantone – andere Schwerpunkte

Was den Zürcher Kirchen der 8. Mai war, ist den Schaffhausern der 1. April. Im Munot-Kanton weiss man nichts über den Aufruf der Zürcher. Hingegen läuteten in diesem Jahr am ersten Tag im April die Glocken.

Diese erinnerten an die Bombardierung der Stadt am 1. April 1944 durch die alliierten Streitkräfte, welche gegen Nazi-Deutschland kämpften. Vierzig Menschen kamen ums Leben, 270 wurden verletzt.

Kein Gehör in den Grenzkantonen

Der Zweite Weltkrieg hat auch in der Schweiz Spuren hinterlassen. Das ist ein Grund, sich dessen Ende zu besinnen. Dies dürfte vor allem in jenen Grenzkantonen der Fall sein, die an Deutschland stossen.

Im Aargau und im Thurgau winkt man ab. Der Zürcher Aufruf ist nicht bis dorthin gedrungen. Auch in anderen Kanton tönt es gleich. Bei der katholischen Kantonalkirche Zürich heisst es: Es ist eine Einzelinitiative und solche Entscheide liegen im Ermessen der Pfarreien.

Kurze Begegnung mit Folgen

Aber warum erklingen nun die Glocken in Stäfa und Männedorf? Der Aufruf von 2015 wurde damals auch in Stäfa befolgt und hatte einen unerwarteten Nachhall.

Pfarrerin Monika Götte klärt auf. Vor kurzem sprach sie eine Frau an und erkundigte sich, ob auch in diesem Jahr die Glocken zum Gedenken an den Weltkrieg erklingen würden. Spontan entschied sich die Seelsorgerin, den Vorschlag aufzunehmen.

In ökumenischem Geist schloss sich die katholische Kirche vor Ort an. Darum werden von 16.45 bis 17 Uhr in den reformierten und katholischen Kirchen von Stäfa und Männedorf die Glocken erklingen.

Glockenklang als Friedenszeichen | © pixabay/fietzfotos, Pixabay License
7. Mai 2020 | 17:53
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