Hans Küng fordert «freie Diskussion» zur Unfehlbarkeit des Papstes

Tübingen, 9.3.16 (kath.ch) Der Schweizer Theologe Hans Küng lässt nicht locker. Jetzt fordert er auch Papst Franziskus auf, eine Debatte über die Unfehlbarkeit des Papstes zuzulassen. Schon 1970 hatte Küng das Unfehlbarkeitsdogma grundsätzlich kritisiert.

Christoph Arens

Das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes ist einer der meist diskutierten Lehrsätze der katholischen Kirche. Beschlossen wurde es am 18. Juli 1870 vom Ersten Vatikanischen Konzil. Das Dokument «Pastor aeternus» hält fest, dass der Papst «unfehlbar» lehren kann, wenn er «in Ausübung seines Amtes» für die ganze Kirche eine Definition einer «Glaubens- und Sittenlehre» vornimmt. Untermauert wird dies durch Bibelstellen, nach denen Jesus dem Apostel Petrus «die Schlüssel des Himmelreichs» übergibt und ihn als den «Fels» bezeichnet, auf dem er seine Kirche bauen wolle.

Für Küng ein Thema seit 1970

Bereits 1970 hatte der Schweizer Hans Küng mit seinem Buch «Unfehlbar? – Eine Anfrage» das Dogma in grundsätzlicher Weise kritisiert. Die römische Glaubenskongregation eröffnete daraufhin ein Verfahren gegen Küng, das 1979 mit dem Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis als Theologieprofessor endete. Hintergrund für den Konflikt zwischen Hans Küng und der katholischen Kirchenleitung war das Lehrschreiben «Humanae vitae» (1968) von Papst Pauls VI. gegen die Empfängnisverhütung.

In einer Medienmitteilung und gleichzeitig in verschiedenen Tageszeitungen in Europa, Nord- und Südamerika erscheinenden Appell fordert Hans Küng am Mittwoch, 9. März, Papst Franziskus auf, einer «freien, unvoreingenommenen und ergebnisoffenen Diskussion der Unfehlbarkeitsfrage» Raum zu geben. Der Aufruf ist auch im bereits fünften Band von Hans Küngs Werken enthalten, der eine umfassende Sammlung von Texten Küngs zur Unfehlbarkeit bietet und am 14. März kurz vor dem 88. Geburtstag des Theologen beim Herder-Verlag erscheint.

Haltung des Papstes offen

Wie Papst Franziskus zur Unfehlbarkeit steht, ist Gegenstand von Vermutungen. In seinem Schreiben «Evangelii gaudium» (2013) formulierte er: «Ich glaube auch nicht, dass man vom päpstlichen Lehramt eine endgültige oder vollständige Aussage zu allen Fragen erwarten muss, welche die Kirche und die Welt betreffen.»

Zum Abschluss der Familiensynode im Oktober 2014 sagte er hingegen: «Der Papst ist (…) der Garant des Gehorsams, der Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, mit dem Evangelium Christi und der Tradition der Kirche. Jede persönliche Willkür beiseite lassend, ist er dem Willen Christi gemäss der «oberste Hirte und Lehrer alle Gläubigen», dazu hat er «die volle ordentliche Autorität, die oberste, volle, unmittelbare und universale in der Kirche.»

Grosse Hürde in der Ökumene

Seit der Definition des Dogmas wurde nur eine einzige Entscheidung «ex cathedra» getroffen: 1950 verkündete Papst Pius XII. das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Bis heute ist das Dogma der Unfehlbarkeit ein Hindernis im Dialog mit anderen Konfessionen und Gegenstand innerkatholischer Debatten. Das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, erklärte  1993: «Vor allem Primat und Unfehlbarkeit trennen uns». (kna/ms)

Hans Küng | © Archiv kath.ch
9. März 2016 | 11:51
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Unfehlbarkeit: Von Anfang an kritisiert

«Wenn der römische Bischof in höchster Lehrgewalt (»ex cathedra») spricht, das heisst, wenn er, seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend, in höchster, apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben und Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheissen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte», heisst es wörtlich im Konzilsbeschluss über die Unfehlbarkeit.

Der rechtliche und lehramtliche Vorrang-Anspruch des Bischofs von Rom wurde oft kritisiert. Beim Ersten Vatikanischen Konzil argumentierte eine gewichtige Minderheit gegen das Unfehlbarkeitsdogma, darunter die meisten Bischöfe aus Deutschland und Österreich sowie Würdenträger aus Frankreich und der Schweiz. Beantragt hatten das Dogma 380 von 774 Konzilsvätern. Bei der Abstimmung gab es 533 Ja-Stimmen. – Die Gegner, eine zuletzt stark geschrumpfte Minderheit, waren zuvor abgereist. (kna)