Zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Forschung an überzähligen Embryonen und embryonalen Stammzellen (Embryonenforschungsgesetz, EFG)

Vernehmlassungsantwort der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK/CNE)

Sehr geehrte Frau Bundesrätin,
Sehr geehrte Damen und Herren

Wir danken Ihnen für die Einladung, zur genannten Vorlage im Rahmen der Vernehmlassung Stellung zu nehmen. Wir haben diese Gelegenheit gerne wahrgenommen und stehen Ihnen auch nach der Vernehmlassungsphase weiterhin zu diesem Themenkreis zur Verfügung.
Zu den Fragen, ob und unter welchen Bedingungen in der Schweiz überzählig gewordenen Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation zur Gewinnung embryonaler Stammzellen verwendet werden dürfen, welche ethischen Argumente dabei eine vordringliche Rolle spielen und wie die Forschung mit embryonalen Stammzellen geregelt werden sollte, hat sich die Kommission ausführlich in ihrem Bericht «Zur Forschung an embryonalen Stammzellen» (NEK-CNE-Stellungnahme 3/2002) geäussert. Die dort geäusserten Positionen und Begründungen werden hier nicht wiederholt. Sie bilden die Grundlage auch der Vernehmlassungsantwort.
Wir beschränken uns hier auf diejenigen Aspekte des vorgelegten Gesetzesentwurfs, welche aus Sicht der NEK-CNE im Hinblick auf seine Überarbeitung am wichtigsten sind. Weiter haben wir uns auf diejenigen Punkte beschränkt, welche jeweils von einer überwiegenden Mehrheit oder von der gesamten Kommission getragen werden.

1. Geltungsbereich/Regelungsumfang (Frage 1 des Begleitbriefes)

Der vorliegende Entwurf will die Forschung an überzähligen menschlichen Embryonen wie auch die Gewinnung von und die Forschung an menschlichen Stammzellen regeln. Es handelt sich um einen Vorschlag zur umfassenden Regelung des gesamten Bereiches der Forschung mit menschlichen Embryonen über den Bereich der Stammzellforschung hinaus.
Für eine umfassende Regelung, die den gesamten Bereich der Embryonenforschung erfasst, spricht die Verwandtschaft der Probleme: Auch für die Embryonenforschung könnten überzählige Embryonen beansprucht werden. Ebenso sind ihre Zielsetzungen medizinisch motiviert. Aus Kohärenzgründen wäre es sinnvoll, materiell verwandte Bereiche in einem einzigen Gesetz zu regeln. Für eine umfassende Regelung spricht auch, dass mit einer Einschränkung des Geltungsbereichs nur auf die embryonalen Stammzellen, einem bestehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf nicht nachgekommen würde. Die Entscheidung steht ohnehin an und würde bloss auf später verschoben.
Für eine teilweise Regelung nur des Bereichs Stammzellen sprechen aber auf der anderen Seite eine Reihe ernsthafter Gründe:
1. Die öffentliche Debatte und die entsprechende moralische Klärung findet zur Zeit nur zur Stammzellenfrage statt, nicht aber zur Embryonenforschung als ganzes. Der Auftrag an Science et Cité zur Förderung der öffentlichen Debatte sowie die Aktionen des TA-Swiss beziehen sich nur auf die Stammzellen.
2. Zwar gibt es zur Embryonenforschung im In- und Ausland eine lange und äusserst kontroverse ethische Diskussion aus früheren Jahren. Diese Diskussion wurde aber im jüngsten öffentlichen Diskurs nicht aktualisiert und nicht auf dem Hintergrund der spezifischen kulturellen Situation der Schweiz interpretiert.
3. Fragen stellen sich vor allem bezüglich des Regelungsgegenstands: Es herrscht zu grosse Unsicherheit und Unklarheit über das, was hier unter dem Titel «Forschung an überzähligen Embryonen» eigentlich gemeint sein könnte und geregelt werden soll.
4. Die Sachverwandtschaft zwischen der Stammzellforschung und der Embryonenforschung kann bei genauerem Hinsehen kleiner sein als es von weitem aussieht. Die Embryoforschung geschieht am Embryo; sie macht Embryonen als sich entwickelnde Organismen zum Gegenstand von Experimenten. Die Stammzellforschung erfolgt hingegen an herausgelösten Zellen (auch an Zellkulturen oder aus ihnen gewachsenen Geweben). Die Embryonen sind die Quellen dieser Zellen. Sie werden bei der Zellgewinnung zerstört, d.h. in zelluläre Bestandteile aufgelöst. Ihre Existenz wird dabei beendet, ohne zum Gegenstand von experimentellen Interventionen zu werden. Deshalb ist es nicht unproblematisch, die ethischen Argumente von der Stammzellgewinnung tel quel auf die Embryonenforschung zu übertragen.
5. Eine Ausweitung der Regelung auf alle Embryoforschungen müsste sich den Vorwurf gefallen lassen, die Stammzellforschung als Türöffner für eine vorher strittige Forschung zu gebrauchen.
Diese Gründe überwiegen für die Mehrheit der Kommission. Sie schlägt deshalb vor, den Regelungsumfang des zeitlich vorgezogenen Gesetzes auf den Bereich embryonale Zellen (ihre Gewinnung aus überzähligen Embryonen und die Forschung mit ihnen) zu beschränken. Die weiteren Regelungen für den experimentellen Umgang mit Embryonen sollen vorgängig ausführlich diskutiert und im künftigen Gesetz «Zur Forschung am Menschen» berücksichtigt werden. Die NEK-CNE wird sich bei den dazu notwendigen Klärungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gerne engagieren.

2. Zeitlimite der Entwicklung von Embryonen in vitro

Im Bericht 3/2002 argumentiert die Kommission im Zusammenhang mit der Stammzellgewinnung für eine Beschränkung der Entwicklung von Embryonen in vitro auf das Blastocystenstadium. Die nach diesem Stadium fortschreitende Entwicklung des Embryos kann mit immer schwerwiegenderen ethischen Einwänden verbunden werden. Deshalb soll die Zeitlimite so kurz als möglich gehalten werden. Massgeblich scheint der NEK-CNE der Entwicklungszustand des Embryos (Blastocyste), weniger das Zeit-Quantum – das Blastocystenstadium wird ungefähr zwischen dem 5. und 7. Tag erreicht. Neben den natürlichen Unterschieden in der Geschwindigkeit des Wachstums ist es ja auch vorstellbar, dass die Entwicklung künstlich beschleunigt oder gebremst werden könnte.
Der Gesetzesentwurf sieht hingegen eine Zeitlimite von 14 Tagen vor.
Sollte der Gesetzgeber das EFG nicht nur auf die Zellgewinnung und Zellforschung beschränken, sollte nach unserer Ansicht geprüft werden, ob die Argumente, die für eine Begrenzung der Embryonenentwicklung aufs Blastocystenstadium sprechen, auch für die weitere Embryonenforschung gelten können. Eine wichtige Frage dabei ist, ob bei einem Embryo in vitro, der sich im Gegensatz zur Blastocyste in utero nicht einnisten kann, überhaupt wesentliche und für die Beurteilung relevante weitere Entwicklungsschritte über das Blastocystenstadium hinaus ablaufen können. Auf jeden Fall aber sollte der Gesetzgeber diese Frage mit Blick auf die gesamte Embryonenforschung im Rahmen des Gesetzes über die Forschung am Menschen bedenken.

3. Patentierbarkeit

Die Kommission empfiehlt, in das Gesetz eine Regelung zur Patentierbarkeit von Embryonen und embryonalen Stammzellen aufzunehmen, die folgendes festlegt: Embryonen, Organe, Zellen oder Zelllinien dürfen nicht patentiert werden (vgl. Stellungnahme der NEK-CNE 3/2002 S. 67f. Punkt 7).
Die Begründung dafür ist eine strenge Unterscheidung zwischen Entdeckung und Erfindung. Die Isolierung, Identifizierung, wissenschaftliche Charakterisierung und ihre Weiterentwicklung zu standardisierten und zu bestimmten Zwecken optimierten Zelllinien reicht nicht aus, um aus Embryonen, Organen oder Zellen per se Erfindungen im Sinn des Patentrechts zu machen. Hingegen kann man es für vertretbar halten, Verfahren der Isolierung, Methoden der Charakterisierung und die Konzepte der optimierten Verwendung, wenn sie die Kriterien des Patentrechts erfüllen, zu patentieren.
Auch wenn prinzipiell unklar ist, inwieweit Patentfragen materiell im EFG geregelt werden können, ist die Situation aber die, dass der Inhalt des momentan in Revision befindlichen Patentgesetzes zur Zeit noch nicht feststeht. Die Patentierungsfrage erweist sich aus ethischer Sicht als besonders relevant und der Ausschluss der Patentierbarkeit von Embryonen, Organen, Zellen und Zelllinien ist aus der Sicht der NEK-CNE eine der notwendigen Vorbedingungen für die Zulässigkeit der Forschung mit Embryonen und embryonalen Stammzellen.
Geht es nach dem geltenden Patentgesetz, so hängt die Patentierbarkeit embryonaler Stammzellen von der Auslegung der Generalklauseln der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten ab. Diese Auslegung könnte wiederum wesentlich vom Inhalt des vorliegenden EFG abhängen. Es scheint uns deshalb wichtig, dass das EFG in diesem Punkt eine klare Sprache findet.

4. Handelbarkeit

Die Frage der Kommerzialisierung ist klar von der Frage der Patentierung zu unterscheiden, denn auch Nichtpatentiertes kann prinzipiell gehandelt werden. Einigkeit besteht in der Kommission, dass mit Embryonen und mit unmittelbar aus Embryonen gewonnenen Stammzellen (wir nennen sie der Klarheit halber native embryonale Stammzellen NES) kein Handel betrieben werden darf. Sie sind als Teile des menschlichen Körpers anzusehen (vgl. NEK-CNE, Stellungnahmen 3/2002, S. 67f. Punkt 8). Der Ausschluss der Handelbarkeit von Embryonen und NES drückt einen ethischen Respekt auch dem embryonalen menschlichen Leben gegenüber aus. Der Handel mit optimierten und standardisierten Zellinien, die durch fortgesetzte Zell-teilung «downstream» aus NES hervorgehen (wir nennen sie embryonale Stammzelllinien ESL) soll aber gemäss einer Mehrheit der Kommission nicht ausgeschlossen werden.
Wir schlagen deshalb vor, in Art. 4 und Art. 23.1.c eine entsprechende Differenzierung einzuführen.
Ein generelles Handelsverbot ist wahrscheinlich aus pragmatischen Gründen nicht aufrecht zu erhalten, wenn sich die fortschreitende Entwicklung der Zelllinien in Richtung therapeutische Anwendung bewegt. Wenn therapeutische Zwecke ernsthaft angestrebt werden sollen, müssen auch die Bedingungen dafür eingerichtet werden, damit solche Anwendungen produziert werden und auf den Markt kommen können.
Die Kommission sieht einen Unterschied in der ethischen Schutzwürdigkeit von Embryonen und von kultivierten und vermehrten embryonalen Zellen (ESL). Der ethisch zu fordernde Respekt gegenüber den Embryonen und ihren Teilen (d.h. gegenüber den NES) kann sich nicht auch auf die ESL erstrecken. Durch andere Vorsichtsmassnahmen im EFG muss dazu allerdings ein kommerzieller Anreiz zur Abzweigung überzähliger Embryonen aus der In-vitro-Fertilisation ausgeschlossen sein.

5. Informierte Zustimmung

Art. 10.1 fordert zu Recht die freie und informierte Zustimmung des betroffenen Paares zur Verwendung ihres überzähligen Embryos für die Forschung. Die Frage ist, welche Informationen dazu notwendig sind. Die Kommission ist mehrheitlich nicht der Auffassung, dass die Kenntnis aller je mit den Stammzellen konkret durchgeführten Forschungsprojekte notwendig ist. D.h. es dürfen auch embryonale Stammzellen gewonnen werden, wenn nicht alle konkreten Forschungsprojekte schon bekannt sind und vorliegen.
Eine Zustimmung in Kenntnis aller möglichen Forschungsprojekte ist nicht praktikabel. Eine strikte Forderung der Kenntnis aller Forschungsprojekte würde den Bedarf an Embryonen erhöhen, weil jedes neu konzipierte Projekt wieder die Entnahme neuer embryonaler Zellen (mit entsprechender voller Patienteninformation) voraussetzen würde. Die Situation in der Forschung mit embryonalen Zellen weicht von der Situation der klinischen Forschung ab. Dort sind für einen validen «informed consent» alle Informationen über die Projekte notwendig, soweit sie die Versuchsperson betreffen.
Vor der Verwendung eine überzähligen Embryos muss das Paar aber explizit darauf hingewiesen werden,
– dass zum Zeitpunkt der Zustimmung nicht alle künftig mit den vermehrten Zellen aus dem Embryo vorgesehenen Forschungsprojekte beschrieben werden können;
– dass die gewonnenen Stammzellen vermehrt, zwischen Forschungsgruppen international ausgetauscht, lange aufbewahrt und evtl. gehandelt werden können.
Diese Erklärungen müssen (wie in Art. 10.1 vorgesehen) mündlich wie schriftlich in verständlicher Form erfolgen.
Weiter weist die Kommission darauf hin, dass Art. 11 des vorgeschlagenen Gesetzes (Unabhängigkeit der beteiligten Personen) streng ausgelegt werden sollte, d.h. dass – um Loyalitätskonflikte zu den behandelnden Personen zu vermeiden – eine personale Trennung zwischen Behandelnden im Fortpflanzungsverfahren und Forschenden (»Anfragenden») gemacht wird.

6. Subsidiaritätsprinzip und Koppelung an konkretes Forschungsprojekt (Fragen 2 und 3 des Begleitbriefs)

Die Haltung der NEK-CNE zur Frage, ob für die Gewinnung von embryonalen Zellen doch mindestens ein konkretes Forschungsvorhaben vorliegen muss oder ob die Beschreibung der Präparation und Etablierung von embryonalen Zelllinien als solches genügen kann, ist gespalten. Wie diese Frage aber auch immer beantwortet wird, das Prinzip der «Subsidiarität» soll konsequent angewendet werden. Die NEK-CNE schlägt die Errichtung einer zentralen Datenbank vor, welche die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips erst ermöglicht. In dieser Datenbank müssten alle Daten bezüglich Stammzellen/Forschungsprojekte – einschliesslich negativer Ergebnisse – erfasst werden.
Ein Teil der Kommission unterstützt Variante A: Für die Gewinnung von embryonalen Stammzellen muss mindestens ein konkretes Forschungsvorhaben vorliegen. Ohne Bezug zu einem Forschungsvorhaben darf die Gewinnung von Stammzellen nicht erlaubt sein. Die Herstellung von Stammzelllinien, die einzig dem Zweck dient, künftige Forschung mit Stammzelllinien zu versorgen, reicht als Grund für deren Herstellung nicht aus. Die Verwendung der für ein bestimmtes Forschungsprojekt gewonnenen Stammzelllinien soll dann aber in der Folge nicht alleine auf das eine Forschungsvorhaben beschränkt bleiben, das zum Zeitpunkt der Stammzellgewinnung vorlag. Vielmehr müssen die Stammzelllinien danach auch anderen Forschungsvorhaben zur Verfügung stehen. Das Prinzip der Subsidiarität soll bei der Stammzellgewinnung konsequent angewendet werden. Denn die überzähligen Embryonen sind eine seltenes und kostbares Gut, deren Verwendung moralische Bedenken hervorrufen kann. «Therapeutische Ziele» sind allgemein und als solche noch zu wenig konkret, um den Verbrauch bestimmter überzähliger Embryonen zu begründen.
Ein anderer Teil der Kommission unterstützt Variante B: Die Koppelung an ein konkretes Forschungsvorhaben muss nicht zwingende Voraussetzung sein. Es dürfen Zelllinien auch für künftige Forschungen hergestellt werden, ohne dass ein konkretes Forschungsvorhaben schon vorliegt. Die Bereitstellung von speziellen, in der medizinischen Forschung brauchbaren Stammzelllinien wird als genügend hochrangiges Ziel angesehen, um die Verwendung von überzähligen Embryonen zu rechtfertigen. Beurteilt werden muss im diesem Fall allerdings, ob die herzustellenden Stammzelllinien nicht schon vorhanden und verfügbar sind.

7. Sind die vorgesehenen Strafen angemessen? (Frage 4 des Begleitbriefs)

Embryonenforschung findet unter anderem auch in einem unternehmerischen, betrieblichen Umfeld statt. Die NEK-CNE empfiehlt daher, die Strafbestimmungen im vorliegenden Entwurf für ein EFG um eine Bestimmung zu ergänzen, die sich grundsätzlich an Art. 102 Entwurf StGB anlehnt (BBl 1999, S.1979ff.) , jedoch im Unterschied dazu die direkte strafrechtliche Unternehmenshaftung vorsieht.
Anzumerken ist, dass der Verweis in Art.25 Abs.2 Entwurf EFG auf Art.7 VStR nur eine unbedeutende abschreckende Wirkung erzeugt, weil jene Bestimmung nur in Bagatellfällen (Busse bis 5000 Franken) die Verurteilung eines Unternehmens überhaupt erst ermöglicht.
Die weiteren Strafbestimmungen im Entwurf EFG bezüglich natürlicher Personen sind nach Ansicht der NEK-CNE ausreichend.

8. Forschungsfreiheit vs. Menschenwürde

Art. 1 Abs. 2 enthält die Formulierung «…sowie die Menschenwürde zu schützen». Diese Formulierung wirft grundsätzliche Fragen auf.
Der erläuternde Bericht (S. 29 ff.) unterscheidet zwischen einem «subjektiven Recht» der Menschenwürde und Menschenwürde als «objektivem Grundsatz». Im Sinne eines «subjektiven Rechtes» komme dem Embryo keine Menschenwürde zu, wohl aber im Sinne eines «objektiven Rechtes», das einer vom Gesetzgeber vorzunehmenden Güterabwägung mit anderen Rechtsgütern zugänglich sei. Dabei stehe im Zusammenhang der Embryonenforschung das Rechtsgut der Wissenschaftsfreiheit im Vordergrund. Gänzlich unklar bleibt aber, wie der Begriff «Menschenwürde als objektiver Grundsatz» zu verstehen ist, was daraus für den Umgang mit Embryonen folgt und wie eine solche Güterabwägung konkret zu vollziehen ist. Demgegenüber ist zu fragen, ob es nicht essentiell zur Menschenwürde gehört, dass sie gerade nicht mit anderen Gütern abgewogen und auf diese Weise disponibel gemacht werden kann. Wenn einem jeden Embryo Menschenwürde zukommt, dann sind auch überzählige Embryonen der Instrumentalisierung für fremde Zwecke entzogen; also auch für wissenschaftliche Zwecke.
Das, was das Gesetz vorsieht, zielt auf etwas anderes, nicht auf die Wahrung der Menschenwürde des Embryos, sondern auf den Respekt vor dem frühen menschlichen Leben, das nicht wie eine blosse Sache behandelt werden soll. Insofern sollte man hier statt von «Menschenwürde» besser von der «Würde» des menschlichen Lebens sprechen bzw. statt der Formulierung «..sowie die Menschenwürde zu schützen» die Formulierung «…und dem Respekt vor dem frühen menschlichen Leben Rechnung zu tragen». Im Unterschied zur Menschenwürde ist die so begriffene Würde Güterabwägungen mit anderen Rechtsgütern zugänglich. Allerdings ist die Wissenschaftsfreiheit allein kein hinreichend hohes Rechtsgut, um die verbrauchende Nutzung überzähliger Embryonen zu legitimieren. Erst die Chance eines Erkenntnisgewinns, der therapeutische Perspektiven eröffnet und damit selbst wiederum dem menschlichen Leben zugute kommt, kann eine Legitimation darstellen.

Für die Möglichkeit, zum Embryonenforschungsgesetz Stellung nehmen zu dürfen, möchten wir Ihnen nochmals herzlich danken. Wir haben uns damit intensiv auseinandergesetzt und hoffen, dass unsere unsere Anliegen Berücksichtigung finden. Für Fragen und weitere Ausführungen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen

Christoph Rehmann-Sutter
Präsident

Georg Amstutz
Sekretär

Nationale Ethikkommission
5. September 2002 | 00:00