Reisegruppe auf der Bildungsreise nach Rom

Selbstverständliche Inklusion in Rom

Medienmitteilung

Von der Idee bis zur Realisierung dauerte es drei Jahre. Im Herbst 2015 reisten 30 Gehörlose aus der Ostschweiz für fünf Tage nach Rom. Zu dieser Kultur- und Bildungsreise eingeladen hatten der Gehörlosenclub St. Gallen zusammen mit der katholischen und evangelisch reformierten Gehörlosenseelsorge.

Die Reise bot den St. Galler Gehörlosen reichlich Gelegenheit, in die drei Hauptepochen Roms einzutauchen: die Antike, die Zeiten der Renaissance und des Barock. In der ewigen Stadt sind die Zeitepochen allerdings schwer zu trennen. Es wurde ineinander und übereinander gebaut, Altes für Neues wiederverwendet, um- und weitergenutzt. «Dieses Durcheinander macht den Reiz der Stadt aus und faszinierte auch die Gruppe», erzählt die katholische Gehörlosenseelsorgerin Dorothee Buschor Brunner.

Von den Herausforderungen des 21. Jahrhundert

Dass sich die Reisenden nicht gänzlich in Kunst und Geschichte verloren, verhinderten die Herausforderungen im römischen Alltag. Wie kommen 30 Personen mit dem öffentlichen Verkehr von A nach B, wenn Busse selten fahren und sowieso überfüllt sind? «Irgendwie ging es immer», wunderte sich die Theologin, «selbst am Tag, an dem ein Streik den Metro- und Bussverkehr fast völlig zum Erliegen brachte». Danach war der Besuch der Vatikanischen Museen mit der Sixtinischen Kapelle, hier werden Führungen in Gebärdensprache angeboten, trotz riesigem Besucherandrang nur noch ein «Spaziergang».

Vom ‹ersten› Papst zum heutigen Papst

Für die meisten blieb der Vatikan aus anderen Gründen unvergesslich. Die Gehörlosengruppe durfte die mit guterhaltenen Fresken ausgemalte Totenstadt unter der Peterskirche mit den heidnischen und frühchristlichen Begräbnisstäten besuchen. Inklusive den Ort, an dem aus guten Gründen das Grab des Heiligen Petrus – des ersten Papstes – vermutet und seit Jahrhunderten verehrt wird. Die friedvolle Ruhe liess niemanden unberührt.
Am gleichen Tag erlebte die Gehörlosen-Gruppe eine Gebetsstunde ganz vorne und mit freier Sicht auf den heutigen Papst Franziskus mit. In Sachen Barrierefreiheit für Gehörlose zeigte sich der Vatikan auch hier vorbildlich. Für die italienischen Gehörlosen wurden die Gebete selbstverständlich in italienische Gebärdensprache übersetzt.

Begegnungen am Rande

Was hat in Rom am besten gefallen? Genannt wurden fast alle besuchten Orte wie Pantheon, Kolosseum, die Villa Borghese, der Blick durch das berühmte Schlüsselloch auf dem Aventin, Petrusgrab oder die Piazza Navona. Ebenso die familiären Ristorante, Flanieren in Trastevere und die gute und entspannte Stimmung in der Gruppe. Für die Gehörlosenseelsorgerin Dorothee Buschor waren es vor allem die Begegnungen am Rande mit den Einheimischen und deren Umgang mit Gehörlosen. Nie sei ihnen das Gefühl vermittelt worden: «Was? 30 Gehörlose – jetzt haben wir ein Problem!», betont sie. Sondern vielmehr die Haltung: «Schön, dass ihr hier seid – wie können wir euch unterstützen?». Es war dieses Gefühl des Willkommenseins, des Dazugehörens, der gelebten Inklusion, das in der Gruppe den stärksten Eindruck hinterliess. Dazu gehörte auch die Klosterfrau, die das erwähnte Papstgebet simultan übersetzte: Mitten im Gebärden des Schlussliedes entdeckte sie, dass Schweizer Gehörlose das Lied in italienischer Gebärdensprache mitgebärdeten. Die Schwester ihrerseits gebärdete darauf mitten in den Text eines Liedes hinein und über die grossen Monitore für alle sichtbar einen herzlichen Gruss an alle Schweizer Gehörlosen auf dem Petersplatz. (dbb)

 

 

Reisegruppe auf der Bildungsreise nach Rom | © Sabine Ruethemann
Bistum St. Gallen
22. Dezember 2015 | 14:13