Nachruf: David Seeber

Er gehörte zweifellos zu den prägenden Intellektuellen des Katholizismus im deutschsprachigen Raum: Der italienisch-deutsche Publizist David A. Seeber hat über Jahrzehnte als Chefredakteur der renommierten Freiburger Monatszeitschrift «Herder Korrespondenz» Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft schreibend und analysierend begleitet.

Schon damals nie nur auf Innerkirchliches fixiert.  »Wir Seebers. Eine Familiengeschichte in sechs Generationen», erschienen 2021, ist mehr als nur spannende und detailreiche Autobiographie: das Dokument eines wachen Zeitbeobachters. Wie das zusammenhing, Geschichte und Zukunft, geistige und politische Formkräfte, der Wandel kultureller Traditionen und die Zielrichtung gesellschaftliche Dynamik – das interessierte ihn zeitlebens. Aus Südtirol stammend war er, nach der Schulzeit in Brixen, in der Innsbrucker Jesuitenhochschule ins philosophische Denken eingeführt und tief und zeitlebens von ignatianischer Spiritualität geprägt. Neben einer theologischen Promotion über Wirtschaftsethik schärfte ein empirisch ausgerichtetes Soziologiestudium seinen Blick auf Kirche, Kultur und Gesellschaft. 1961 kam er als Redakteur zur HK. Faktennahe Information, präzise Wahrnehmung weltkirchlicher Entwicklung, theologische Offenheit – das war journalistisches Markenzeichen schon in der Zeit der Konzilsvorbereitung: ein Großereignis, das er in seinen Entscheidungsprozessen wie in seinen Auswirkungen als Chronist und Analytiker publizistisch begleitete, von 1966 bis  1991 als Chefredakteur. Erfolgreich und auch heute noch lesenswert ein resümierendes, keineswegs nur euphorisches zweibändiges Werk «Das II. Vatikanum. Konzil des Übergangs». «Wir haben uns seither zu sehr am Thema Kirche festgebissen. Daran war das Konzil selbst nicht unschuldig, schrieb er später, die tiefere Schicht der aktuellen Kirchenkrise auch im Selbstverständnis der Institution verortend. Einer der letzten Texte aus seiner Feder war ein Plädoyer  für  «Frauen ins Amt!» Christentum war für ihn im Kern keine sazerdotale Veranstaltung und er sah ” viel Raum für sakramental bevollmächtige lebenserfahrene Frauen und Männer … immer in Einheit von sakramentaler Zuständigkeit und Gemeindeleitung.»

 1991 wurde er Politik-Berater und war zuletzt als stellvertretender Leiter der Grundsatzabteilung in der Stuttgarter Staatskanzlei vor allem an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen interessiert:  Nicht zuletzt die Frage nach dem «Überflüssigen» – und dazu gehört nicht nur Bildung, sondern auch Kunst – und eben Religion, generell die Frage nach der Offenheit für Transzendenz beschäftigten ihn in seiner breiten bis zuletzt neugierigen Interessenlage. Nach kurzer schwerer Krankheit ist David Seeber im Alter vom 88 Jahren am 15.1.  in Freiburg gestorben.

Rudolf Walter

Gastbeitrag
17. Januar 2023 | 12:17