Mission und interreligiöser Dialog

Medienmitteilung:

Wie gehen sie zusammen? Der interreligiöse Arbeitskreis im Kanton Thurgau lud Mitglieder und Interessierte zu einem Gespräch nach Münsterlingen ein.

Mission und interreligiöser Dialog – wie gehen sie zusammen? Der Vorstand des interreligiösen Arbeitskreises im Kanton Thurgau lud am 26. Januar Mitglieder und Interessierte zu einem Gespräch nach Münsterlingen ein. Gut zwei Dutzend Personen beteiligten sich daran mit engagierten und auch persönlichen Voten. Einige berichteten, wie sie selber Opfer missionarischer Übergriffe wurden. Andere erinnerten sich an peinliche Situationen, in denen sie ihren Glauben verschämt verleugnet oder verschwiegen hatten.

Gegen das Ende der lebhaften Diskussion zeichnete sich ein Konsens ab: Ein tolerantes Missionsverständnis muss nicht notwendig den religiösen Frieden bzw. das Zusammenleben der Religionen in pluralistischen Gesellschaften gefährden. Die Religionsgemeinschaften müssten sich allerdings konsequent darauf verpflichten, ihren Glauben nicht mit Gewalt durchzusetzen. Diesen Grundsatz sollten sie allerdings nicht als eine Einschränkung ihrer Missionstätigkeit wahrnehmen, welche der Rechtsstaat ihnen von aussen setzt. Vielmehr sollten sie umgekehrt die rechtsstaatliche Garantie der Religionsfreiheit von sich aus bejahen und aktiv mittragen. Ein guter Anknüpfungspunkt für das interreligiöse Gespräch bietet dazu die Goldene Regel (z.B. in christlicher Tradition etwa bei Matthäus 7,12). Fast alle Religionen kennen in verschiedenen Ausprägungen das Prinzip der Gegenseitigkeit.

Über die Grenzen der Religionszugehörigkeit hinweg verbindet das tolerante Missionsverständnis Menschen, die für den religiösen Dialog aufgeschlossen sind. Konflikte gibt es hingegen zunehmend innerhalb der Religionsgemeinschaften zwischen jenen, die ihre Wahrheit absolut setzen, und jenen, welche die Würde und (Religions-)Freiheit der einzelnen Menschen als höheres Gut achten.

So schilderte der Kreuzlinger Imam Rehan Neziri, warum und wie er sich von Bekehrungsversuchen salafistischer Bekenner auf dem Boulevard von Kreuzlingen abgrenzt. Er ist seiner Moscheegemeinschaft dankbar, dass sie hinter ihm steht und seine tolerante Haltung mitträgt.

In einem Thesenpapier erinnerte Matthias Loretan selbstkritisch an den langen Weg, den das Lehramt der katholischen Kirche zurückzulegen hatte, bis das Zweite Vatikanische Konzil vor gut 50 Jahren die Religionsfreiheit und damit die Würde des Menschen höher gewichtete als das Recht auf Wahrheit. Erst diese Wende ermöglichte ein offizielles katholisches Missionsverständnis, das sich mit den Prinzipien des modernen Rechtsstaates verträgt.

Bei seinem meditativen Einstieg zu Beginn des Abends zeigte Matthias Loretan anhand von zwei Bildern in der Klosterkirche, wie schon früher mystische Traditionen darum wussten, dass Gott ihnen nur als Geheimnis geschenkt ist. So zeigt das barocke Deckengemälde von Jakob Karl Stauders (1716) die Szene, in welcher der Engel Maria die Geburt Jesu ankündigt. Maria wird dabei zu einer Schlüsselfigur erfüllten Lebens. In ihrer demütig nach innen gerichteten Haltung ist sie ganz gegenwärtig, so dass in ihrem Herzen das Göttliche Gestalt annehmen kann. Auf ihre persönliche Antwort, auf die persönliche Entscheidung der Betrachtenden kommt es an. – Noch radikaler zeigt das Hungertuch von 1575 das Modell eines gottgefälligen Lebens. Jesus wird vorgestellt als ein geschundener und verletzter Mensch. Er ist das Opfer politischer und religiöser Macht, deren Herrschaftszeichen zu Folterwerkzeugen geworden sind, die Christus als Erlöser umgebracht haben. Eine Auferstehung in ein erfülltes oder ewiges Leben kann es nach diesem Bild nur in der Solidarität mit den Geschundenen geben, nie aber in der Mission der Gottbesitzer.

Mark Keller führte als Moderator souverän durch den Abend und schloss das Gespräch in Anlehnung an eine Koran-Sure[1] sowie an die geäusserten Voten: «Und wenn Gott wollte, hätte er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. So aber wetteifert mit guten Taten. Wehe jenen, die meinten, sie würden Gott besitzen. Sie unterschätzen ihr Gewaltpotential

[1] In der 5. Sure des Korans heisst es in Vers 48: Und wenn Allah wollte, hätte Er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber (es ist so,) damit Er euch in dem, was Er euch gegeben hat, prüfe. So wetteifert nach den guten Dingen! Zu Allah wird euer aller Rückkehr sein, und dann wird Er euch kundtun, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.

Interreligiöser Stammtisch 1 Thesen

Gastbeitrag
30. Januar 2018 | 06:53