Immer mehr Fälle: Fördert das Schweizer Migrationsregime Menschenhandel und Ausbeutung?

Medienmitteilung

Die FIZ hat 2022 822 von Gewalt und Ausbeutung betroffenen Personen betreut, begleitet, beraten und geschützt. Die Zahlen zeigen stark nach oben. Das Europäische Migrationsregime und die Ausländer*innenpolitik der Schweiz erhöhen das Risiko noch zusätzlich, Opfer von Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung zu werden. Täter*innen machen sich das zu nutze.

Sichere Fluchtrouten verhindern Menschenhandel

Menschenhandel findet oft auch auf der Flucht statt. Aufgrund des Krieges in der Ukraine erhielt dieses Thema im vergangenen Jahr Aufmerksamkeit. Verdachtsfälle bei Menschen aus der Ukraine wurden uns mehrere zugewiesen, allerdings konnten wir nur wenige davon als Menschenhandel bestätigen.

«Mit dem Ukrainekrieg zeigt sich eindrücklich, je sicherere die Fluchtrouten und je legaler die Migration, desto weniger Menschen werden Opfer von Menschenhandel.«, so Lelia Hunziker, Geschäftsführerin der FIZ. Verantwortlich für diese Situation ist auch die Politik. «Migrationsregime und Ausländer*innenpolitik leisten dem Menschenhandel Vorschub», so Hunziker.

Die Schengen-Festung Europas macht Grenzen unüberwindbar und verunmöglicht legale Migration für Personen aus Drittstaaten. Das treibt Menschen in eine Abhängigkeit. Zudem schützt das Dublin-Abkommen die Opfer nicht, sondern schafft sie zurück in die Gewalt der Täter*innen.

Menschenhandel erkennt nur wer hinschaut

Doch nicht nur auf der Flucht werden Personen Opfer von Menschenhandel. Zwei Drittel der von der FIZ betreuten Fälle wurden in der Schweiz ausgebeutet. Menschenhandel ist ein «Holdelikt«: Dort wo der Scheinwerfer hingerichtet wird, werden Fälle entdeckt. 2022 wurden der FIZ nicht nur weibliche, sondern auch vermehrt männliche Opfer von sexueller Ausbeutung zugewiesen. Ebenso kamen mehr Opfer zur FIZ, die als Arbeitskräfte ausgebeutet wurden. Aufgrund eines erhöhten Bewusstseins werden damit Dunkelfelder ausgeleuchtet und mehr Menschen finden Schutz und Unterstützung. Zur FIZ finden die meisten über die Polizei oder andere Beratungsstellen. Das macht deutlich, dass Opfer von Menschenhandel nur mit interdisziplinärer Zusammenarbeit geschützt werden können.

Schweizer Migrationspolitik steigert Risiko von gewaltvollen Abhängigkeiten

Das Ausländergesetz schützt Opfer von häuslicher Gewalt zu wenig. Denn der Aufenthalt in der Schweiz ist oft an den Verbleib beim Ehepartner gebunden, selbst wenn dieser gewalttätig ist. Entscheidet sich eine Frau zur Trennung kommen bereits nach kurzer Zeit Fragen des Migrationsamts: Ist ihr Ehewille erloschen? Haben sie Schulden? Ist eine Rückkehr ins Heimatland möglich?. Die FIZ unterstützt Migrantinnen, die aus Gewaltbeziehungen und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen ausbrechen wollen und ein eigenständiges Leben führen möchten.

«Es geht nicht, dass die schweizerischen Migrationsgesetze den Tätern in die Hände spielen. Die FIZ engagiert sich im politischen Prozess für eine Änderung des Ausländergesetze, damit Opfer von häuslicher Gewalt geschützt werden, und nicht in Gewaltbeziehungen ausharren müssen.», sagt Doro Winkler, Leiterin Fachwissen und Advocacy. «Das gleiche gilt für Arbeitsausbeutung, auch hier hängt der Aufenthaltsstatus von der Arbeitsstelle ab», so Winkler weiter.

FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration
15. Mai 2023 | 12:13