Ende der Theologischen Frauenforschung in Bonn

Lehrstuhl für Altes Testament und Theologische Frauenforschung soll nach Abberufung der Professorin nicht mehr besetzt werden

Mit 1.3.2004 ist die erste Inhaberin des 1997 neu errichteten «Lehrstuhls für Altes Testament und Theologische Frauenforschung» an der Katholisch-Theologischen Fakultät Bonn, Prof. Dr. Irmtraud Fischer, an die Universität Graz berufen worden. Nach nicht einmal drei Wochen steht bereits fest: Der Lehrstuhl, um den engagierte Studentinnen und Frauen sowie die Kath.-Theol. Fakultät in Bonn beinah ein Jahrzehnt gekämpft haben, wird nicht wiederbesetzt! Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen und Kardinal Joachim Meissner haben mit Einverständnis des Rektorats der Universität Bonn in «unheiliger Allianz» mit sofortiger Wirkung die Abwicklung des Lehrstuhls beschlossen.

Der Frauenforschungslehrstuhl ist der erste Lehrstuhl an der Kath.-Theol. Fakultät Bonn, welcher den Sparmaßnahmen des Ministeriums zum Opfer fällt. In Zeiten ökonomischer Engpässe zeigt sich damit einmal mehr, wie unzuverlässig die Frauenförderung und die Unterstützung der Frauen- und Genderforschung von Seiten der politischen Verantwortlichen ist. Es ist eine kurzsichtige Politik, wenn ausgerechnet der Theologie, in der die Frauenfrage die längste Zeit nahezu komplett ausgeblendet wurde, die Unterstützung zu einem Zeitpunkt entzogen wird, an dem in den Religionen in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit ein Trend zum Rückschritt feststellbar ist, der auch gesellschaftspolitische Auswirkungen hat.

Die Frauenforschung gehört in der Katholischen Theologie zu einem der innovativsten wissenschaftlichen Bereiche, zumal gerade sie noch an gesellschaftliche Fragen anschlussfähig ist. Eine breitere Institutionalisierung von theologischer Frauenforschung wird durch diese Streichung im Keim erstickt, zumal damit bundesweit nur ein einziger derartiger Lehrstuhl übrigbleibt. Die deutsche Universitätslandschaft verliert damit einen Forschungsschwerpunkt, der auch von außen als innovativ und profiliert wahrgenommen wird (nähere Informationen unter www.atfrauenforschung.uni-bonn.de).

Die Entscheidung des Wissenschaftsministeriums NRW, einem Lehrstuhl, in dessen Einrichtung massiv investiert wurde, nach so kurzer Zeit den Geldhahn abzudrehen, verwundert auch aus ökonomischer Sicht. In den vergangenen sieben Jahren konnte am Lehrstuhl für Theologische Frauenforschung eine Infrastruktur (eine breit angelegte, repräsentative Bibliothek, inner- und außeruniversitäre Vernetzung durch interdisziplinäre Forschung weit über die Landesgrenzen hinaus) etabliert werden, die eine hervorragende Grundlage für Frauen- und Geschlechterforschung bietet. Mit der Abwicklung des Lehrstuhls werden staatliche Ressourcen unbrauchbar gemacht und notwendige Kontinuität von Frauenforschung unterbunden. Das Propagieren von Gender-Mainstreaming und der behauptete Einsatz für die breite Etablierung von Frauenforschung an den nordrhein-westfälischen Universitäten werden damit konterkariert.

Kardinal Meissner hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er universitäre theologische Frauenforschung für verzichtbar hält. Die Bereitwilligkeit der Wissenschaftsbehörden, die theologische Frauenforschung widerstandslos aufzugeben, zeigt das mangelnde Bewusstsein dafür, dass die Religionen heute wiederum eine unheilvolle Rolle in Bezug auf die Gleichberechtigung der Geschlechter spielen.
Die Bonner Studentinnen verlieren damit einen institutionalisierten Ort, an dem ihre Belange vertreten werden und die Geschlechterproblematik reflektiert wird. Für Nachwuchswissenschaftlerinnen ist dies eine weitere Entmutigung, sich auf eine universitäre Laufbahn einzulassen. Nicht nur wissenschaftspolitisch ist die Aufhebung des Lehrstuhls ein Signal in die falsche Richtung, sondern auch kirchenpolitisch für jene Frauen und Männer, die sich in Kirche und Gemeinde für Gerechtigkeit engagieren.

Prof. Dr. Irmtraud Fischer, Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, Universität Graz und die Mitarbeiterinnen am Lehrstuhl Altes Testament und Theologische Frauenforschung, Universität Bonn
Dr. Claudia Rakel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Claudia Alshut, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Christina Leisering, Wissenschaftliche Hilfskraft

kath.ch
15. April 2004 | 00:00