Diese Zwinglis stehen bald in Zürich

Die Figuren werden im nächsten halben Jahr auf zentralen Plätzen auftauchen. Gut möglich, dass sie Unruhe stiften.

Am Sonntag fuhr ein Lastwagen, ein 32-Tonner, mit seltsamer Fracht im ostsächsischen Schöpstal los. Im Laderaum standen in Reih und Glied vierzehn drei Meter hohe Zwingli-Statuen.

Mit Gurten fixiert, den Kopf und die Schultern mit Schaumgummi geschützt, machten sie sich auf den Weg nach Zürich-Oerlikon, wo sie gestern um neun Uhr eintrafen.

Nun stehen sie in einer Lagerhalle an der Binzmühlestrasse. Sie stehen wiederum in Reih und Glied, aber dieses Mal «face to face». Wie Spiegelbilder ohne Spiegel. Wie Boxer kurz vor dem Angriff gegen sich selbst. Hoch über ihnen prangt das James-Bond-Logo 007. Zwingli auf geheimer Mission, im Dienste der Kirche.

Zwingli geht unters Volk

Die Figuren wurden von der deutschen Firma Walt Deko nach der Zwingli-Statue vor der Wasserkirche gefertigt. Erst in Styropor, dann in Gips, schliesslich gegossen, sodass sie wasserfest sind. Zwölf der Figuren werden im Lauf des nächsten halben Jahres auf zentralen Plätzen in den Stadtzürcher Quartieren auftauchen.

Denn Zwingli sucht das Gespräch mit den Menschen und will wissen, was ihnen den Hut lupft. Hinter diesem Projekt stehen der umtriebige Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist und Smartcut Consulting. Anlass ist das 500-Jahr-Jubiläum der Zürcher Reformation.

Doch zuerst werden die Zwinglis von Mitarbeitenden der Firma Aroma für ihren grossen Auftritt hergerichtet. Manche werden farbig gespritzt oder lackiert, andere tragen statt des Schlapphuts zum Beispiel eine Bischofsmütze. Das Buch in der rechten Hand gehört zur Grundausstattung, das Schwert, auf welches das Original sich stützt, wird aber nicht bei allen montiert.

«Je nach Thema trägt er etwas anderes in der Hand», sagt Tamara Hagen von Aroma. Einen Stab, einen Globus, einen Hammer, ein Schild… «Wir sind uns gewohnt, alles mögliche zu schnitzen oder sonst irgendwie herzustellen.»

Böögg-Macher sind beteiligt

Die Agentur für Markenerlebnisse im Raum, wie sich Aroma selbst bezeichnet, war schon beim Start der Aktion beteiligt, als es dem Sechseläuten-Böögg den Zwingli-Hut lupfte. Der Böögg, der wird nämlich auch von ihr hergestellt.

Noch sind nicht alle Stationen und Themen des Projekts bekannt. Gestartet wird aber definitiv am 1. August mit dem Klima-Zwingli auf dem Bürkliplatz. Reformationsbotschafter Sigrist ist dann zugleich Festredner der Stadtzürcher Bundesfeier.

Der Bischofs-Zwingli, bei dem das Thema Ökumene im Vordergrund steht, wird vom 12. bis 26. August bei der Wasserkirche stehen, der Wohnungs-Zwingli ab dem 26. August auf dem Schaffhauserplatz im Kreis 6.

Es wird auch einen Humanismus-Zwingli (Kreis 8), einen Sozial-Zwingli (Kreis 4), einen Wirtschafts-Zwingli (Kreis 10), einen Arbeiter-Zwingli (Kreis 11) und einen Integrations-Zwingli (Kreis 12) geben.

Platzhirsch Zwingli

Die Figuren werden unter anderem auf dem Tessiner- und auf dem Turbinenplatz stehen, auf dem Max-Bill-Platz und auf dem Schwamendingerplatz, auf dem Idaplatz, dem Lindenplatz und dem Schaffhauserplatz. Dabei finden jeweils in den entsprechenden Stadtkreisen Diskussionen statt, sogenannte «Zwingli-Gsprööch», die durchaus streitbar sein dürfen. «Ganz im Sinne der Reformation», sagt Sigrist.

Der Pionier-Zwingli wird zudem ab dem 26. August auf der Zuschauerterrasse des Flughafens Zürich seinen Blick in die Ferne schweifen lassen. Und ein Zwingli wird an der Street Parade teilnehmen. Ob er da nicht aus dem Rahmen fällt? Sein Outfit ist allerdings noch nicht entschieden. So oder so: Es wird ein Bild für Götter sein.

Hinter dem Projekt stehen die reformierten und katholischen Kirchen von Kanton und Stadt Zürich sowie die christkatholische Kirchgemeinde Zürich. Und am Ende dieses Projekts sind die Zwinglis zu haben. Am 6. Dezember werden sie für eine soziale Organisation versteigert.

www.zwinglistadt.ch (Tages-Anzeiger)

Tages-Anzeiger
10. Juli 2019 | 07:47