Auch ein Bischof kann irren

Kolumne von Ursula Imhof, Ärztin in der Romandie.

In einer Wochen, am 13. Juni, findet in Sitten die Gay Pride statt. Zum zweiten Mal im Wallis nach 2001. Damals war die Stimmung im Vorfeld der Veranstaltung ziemlich angespannt, zum Teil gar feindlich. Bischof Norbert Brunner sprach von einem «Werk des Teufels», das die Pius-Bruderschaft durch ein Dauergebet vor der Kathedrale bannen wollte.

Auch jetzt wieder meldet sich die katholische Kirche zu Wort. In einem Interview mit dem «Nouvelliste» erklärte Bischof Jean-Marie Lovey seine Haltung zur Homosexualität: Im Schöpfungsplan Gottes seien die Menschen komplementär angelegt, Mann und Frau gehörten zusammen, um sich fortzupflanzen und die Schöpfung zu erhalten. Homosexualität sei da nicht vorgesehen, sie könne aber geheilt werden. Das Gebet habe schon un zählige Kranke gesund gemacht… Später relativierte der Bischof seine Worte, sie seien falsch verstanden worden. Homosexualität sei keine Krankheit, sondern eine «Schwäche der Natur» (was ja immer noch als defekt zu verstehen ist). Um dann doch noch festzuhalten, dass der spalterische Charakter von Veranstaltungen wie der Pride etwas Teuflisches sei, und dass ihr karnevalesker Charakter das Leiden der Homosexuellen verspotte. Da fragt sich doch, worin denn dieses Leiden besteht, wenn nicht am Unverständnis der Umwelt, und ob es nicht gesünder ist, zusammenzufeiern statt einsam zu leiden…

Bischof Lovey hat insofern recht, als dass Homosexualität keine Krankheit ist. Sie wurde 1975 von der amerikanischen Psychiatrie-Gesellschaft aus der Diagnosen- Liste gestrichen, die WHO ist dem 1990 gefolgt, in medizinischen Manualen wie DSM und ICF findet man sie nicht mehr. Warum also werden immer wieder Versuche gemacht, Heilungsverfahren anzubieten, Betroffene zu verunsichern? Seit 1998 stellt sich die amerikanische Psychologen-Gesellschaft gegen die sogenannten Konversionstherapien, Behandlungen verschiedenster Art, welche die Patienten/-innen «umdrehen» und richtig, also heterosexuell orientieren wollen. Sie stützt sich dabei auf zahlreiche Studien, die deren Wirkungslosigkeit, ja Schädlichkeit zeigen. Solche Therapieansätze sind unethisch und widersprechen einem zentralen hippokratischen Grundsatz «primum nil nocere». Was nicht sagen will, dass Beten schädlich ist…

Wie auch immer, dies alles weckt Erinnerungen an die erste Gay Pride im Wallis: Am Morgen des 7. Juli 2001 war der Himmel verhangen, es regnete und stürmte, als ob sogar der Himmel noch in letzter Minute die Veranstaltung verhindern wollte. Aber dann verzogen sich die Wolken und machten allmählich strahlendem Sonnenschein Platz. Ein Tag, wie ihn das Wallis seinen Gästen oft bietet. Und alle Pride-Teilnehmer/innen fühlten sich denn auch als solche, das Publikum säumte den Weg des Umzugs, und am Abend feierten alle gemeinsam in der Stadt.

Hoffentlich wird auch die diesjährige Pride ein schönes Fest im Zeichen des gegenseitigen Respekts! Zu feiern gibt es ja auch, dass die Bevölkerung Irlands kürzlich der sogenannten Homo-Ehe überraschend deutlich zugestimmt hat – die Zeiten ändern sich halt doch.

Ursula Imhof arbeitet als Ärztin in der Romandie

 

Walliser Bote
8. Juni 2015 | 07:26