Renata Asal-Steger
Schweiz

Renata Asal-Steger zum Europa-Treffen in Prag: «Ich schwanke zwischen Hoffnung, Zuversicht und Ratlosigkeit»

Die RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger erlebt als Schweizer Online-Delegierte von Prag einen «intensiven, ermutigenden Austausch über die Ländergrenzen hinaus». Doch sie spürt die unterschiedlichen Auffassungen von Synodalität und plädiert für eine Dezentralisierung der Kirche. Jetzt müssten Taten folgen, die Zeit dränge, sagt sie.

Sarah Stutte und Eva Meienberg

Wie lief der Austausch in den Online-Arbeitsgruppen aus den verschiedenen Ländern in den vergangenen zwei Tagen?

Renata Asal-Steger*: Wir sind eine Gruppe von zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus verschiedenen deutschsprachigen Ländern. Am zweiten Tag war in den Diskussionen bereits eine gewisse Vertrautheit spürbar. Von Anfang an habe ich eine grosse Offenheit wahrgenommen.

Denken die Teilnehmenden Ihrer Austauschgruppe ähnlich?

Asal-Steger: In unserer Gruppe tanzt niemand vollkommen aus der Reihe. Die Zusammensetzung ist vielfältig, und ich erlebe einen intensiven, ermutigenden Austausch über die Landesgrenzen hinweg. Das stärkt.

So hat beispielsweise Bischof Kohlgraf aus Mainz erwähnt, wie wichtig ihm die Begegnungen mit Menschen geworden sind, mit denen er nicht so ohne weiteres ins Gespräch kommen würde. Daraus habe er sehr viel gelernt.

«Die Bischofskonferenzen sollten sich mehr vernetzen.»

Renata Asal-Steger, RKZ-Präsidentin

Ich fände es gut, wenn sich die Bischofskonferenzen mehr vernetzen, gegenseitig unterstützen und – wo möglich und sinnvoll – einen gemeinsamen Weg gehen würden. Ein solches Miteinander vermisse ich. 

Auszug nach dem Eröffnungsgottesdienst der Europa-Etappe der Weltsynode am 5. Februar 2023 in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Prag (Tschechien).
Auszug nach dem Eröffnungsgottesdienst der Europa-Etappe der Weltsynode am 5. Februar 2023 in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Prag (Tschechien).

Welchen Auftrag haben die Austauschgruppen?

Asal-Steger: Am Dienstag sprachen wir über die Spannungen und Divergenzen in den verschiedenen Länderberichten. Dort wurden die unterschiedlichen Auffassungen von Synodalität sehr deutlich. Mich überraschen diese immer wieder deutlich spür- und hörbaren unterschiedlichen Verständnisse. Diese Feststellung irritiert mich und lässt mich ratlos zurück.

«Da sitzen die Kleriker in der ersten Reihe, die übrigen Delegierten hinten. Mich schmerzt das.»

In der Arbeitsgruppe waren wir uns einig, dass die morgendlichen Gottesdienste, welche in Prag stattfinden und live übertragen werden, kaum etwas mit Synodalität zu tun haben. Da sitzen die Kleriker jeweils in den ersten Reihen, die übrigen Delegierten hinten. Mich persönlich schmerzt ein solches Bild. Und ich stelle mir die Frage, wie ernst Synodalität gemeint ist.

Es gibt das Gerücht um zwei Abschlussdokumente für die Schweiz. Wie haben Sie das in Wislikofen aufgefasst?

Asal-Steger: Wir alle haben uns über die Information gewundert, dass es ein zweites Abschlussdokument geben soll, das ausschliesslich von den Bischöfen verfasst wird. Das scheint vorher niemand gewusst zu haben.

«Das Abschlussdokument nur von Bischöfen steht im Widerspruch zum synodalen Vorgehen.»

Das irritiert. Ein solches Vorgehen steht meines Erachtens im Widerspruch zu einem synodalen Vorgehen. Aber jede Kontinentalsynode organisiert sich selbständig. So soll Europa die einzige Synode sein, bei welcher die Bischöfe die letzten zwei Tage unter sich beraten.

Eine Ikone zur Unterstützung: Online-Präsenz von Wislikofen aus.
Eine Ikone zur Unterstützung: Online-Präsenz von Wislikofen aus.

Einander zuhören – das wurde in den Voten immer wieder gefordert – was sagen Sie dazu?

Asal-Steger: Ich höre viele Voten, die in blumigen Worten vorgetragen werden. Und ebenso höre ich viele theologische Begriffe und Konzepte. Einander zuhören ist ein zentraler Aspekt im synodalen Prozess und gar nicht einfach. Aber zuhören allein reicht nicht aus. Den Worten müssen Taten folgen. Die Zeit drängt.

Was macht das Zuhören in dieser Synode mit Ihnen?

Asal-Steger: Das Arbeitspapier «Mach den Raum deines Zeltes weit» hat mir Zuversicht gegeben. Es wird deutlich, dass sich Menschen weltweit die gleichen Fragen stellen, die gleichen Herausforderungen sehen. In der Kontinentalsynode höre ich viel Gemeinsames, neben all der Verschiedenheit, die zum Ausdruck kommt.

«Wir haben mit Dezentralisierung gute Erfahrungen gemacht.»

Es stellt sich die Frage, ob weltweit alles gleich sein muss oder ob die Verschiedenheit in unserer Kirche nicht auch ein Reichtum ist. Ich spreche mich für eine Dezentralisierung aus. Damit haben wir in der Schweizer Kirche schon viele positive Erfahrungen gemacht.

Was zeigt der aktuelle Austausch?

Asal-Steger: Es gibt drängende Fragen, die wir als katholische Kirche angehen müssen. Nur so haben wir die Chance, eine lebendige Gemeinschaft zu sein und zu bleiben.

Die katholische Kirche, aber auch andere Kirchen, tragen zur Gemeinschaftsbildung bei. Das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der wir eine zunehmende Polarisierung beobachten können.

Online-Präsenz von Wislikofen aus: Felix Terrier, Mentari Baumann, Simon Spengler und Renata Asal-Steger
Online-Präsenz von Wislikofen aus: Felix Terrier, Mentari Baumann, Simon Spengler und Renata Asal-Steger

Was muss die Kirche jetzt anpacken?

Asal-Steger: Als zentral erachte ich, dass die Kirche nicht über die Menschen, sondern mit ihnen spricht. Aber die Kirche muss dafür eine Sprache sprechen, die die Menschen verstehen. Für sehr viele Menschen ist diese fremd geworden.

Wir alle wissen, dass unsere Kirche in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise steckt. Viele Menschen sind zutiefst verletzt worden und werden noch immer verletzt. Ich denke beispielsweise an die weltweiten Missbrauchsskandale.

«Wir haben nicht mehr viel Zeit.»

Welches Gefühl haben Sie mit Blick auf die Synode?

Asal-Steger: Die katholische Kirche ist meine religiöse Heimat, sie liegt mir am Herzen. Ich bin überzeugt, dass sie für den Zusammenhalt der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt.

Ich schwanke momentan zwischen Hoffnung, Zuversicht und Ratlosigkeit. Das synodale Vorgehen, das Miteinander-Unterwegssein braucht Zeit – doch viel davon haben wir nicht mehr.

*Renata Asal-Steger ist Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und derzeit Online-Delegierte in Wislikofen AG.


Renata Asal-Steger | © Christian Merz
9. Februar 2023 | 10:08
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