Kardinal Christoph Schönborn in Rom.
Vatikan

Kardinal Christoph Schönborn: «Der Papst hat uns sehr ermutigt: Seid Hirten! Seid bei den Menschen!»

Ukraine, Klimakrise, Flüchtlinge: Papst Franziskus hat im Gespräch mit den österreichischen Bischöfen drängende Fragen der Zeit besprochen, berichtet Kardinal Christoph Schönborn. Der Wiener Erzbischof nimmt in der Kurie einen «Franziskus-Effekt» wahr: «eine Bereitschaft zum echten Austausch».

Protokoll: Raphael Rauch

Sie haben zu Beginn des Ad-limina-Besuches gesagt, Sie haben eine Stimmung vorgefunden, so wie sie noch nie war. Hat sich das bewahrheitet – und wie ist es konkret weitergegangen?

Kardinal Christoph Schönborn*: Es ist wirklich ein Klima, wie ich es in der Form noch nicht erlebt habe in den vielen Jahren. Auch das Gespräch mit dem Heiligen Vater: Es war einerseits sehr ernst, vor allem wegen des Krieges in der Ukraine. Das hat ihn zutiefst bewegt. Und wir haben gut darüber gesprochen. Aber andererseits auch diese Zuversicht, die er ausstrahlt: «Habt keine Angst! Seid’s den Menschen nahe!» Dieses Klima nicht nur des Zuhörens, sondern auch des Vertrauens – das wirkt sich auch auf die Kongregationen, auf die Dikasterien aus. Uns ist eine Offenheit, eine Herzlichkeit und auch eine Bereitschaft zum echten Austausch begegnet, wie ich sie in dieser Form früher nicht gekannt habe. Das ist sicher ein Franziskus-Effekt.

Erzbischof Franz Lackner (links) und Kardinal Christoph Schönborn
Erzbischof Franz Lackner (links) und Kardinal Christoph Schönborn

Wo steht man beim synodalen Prozess, der jetzt um ein Jahr verlängert wurde? Was tut sich? Wohin geht die Kirche? 

Schönborn: Das Spannende ist: «El Camino se hace al andar», sagen die Spanier – der Weg entsteht im Gehen. Das, wozu der Papst uns ermutigt und was wir auch tun, ist «caminar» und hinhören, weil letztlich geht es immer um die Frage: Was ist Gottes Wille? Wir beten im Vaterunser immer: «Dein Wille geschehe!» Was heisst das heute in der sich so ändernden Situation, in den vielen Dramen unserer Zeit? Im europäischen Klima? In der Klimakrise? In der sozialen Krise? In den Kriegen? Und in einer Gesellschaft, die auch demografisch sich enorm ändert? In der Flüchtlingsfrage, in der Migrationsfrage, in all diesen Fragen braucht es sehr viel Austausch, sehr viel Hinschauen, aber vor allem einen  Geist der Zuversicht. Und diesen Geist strahlt Franziskus aus.

Kardinal Christoph Schönborn in Rom.
Kardinal Christoph Schönborn in Rom.

Sind Sie für Franziskus die guten Deutschsprachigen, wenn er Sie empfängt

Schönborn: Wir sind die Österreicher, und ich weiss, dass er Österreich gerne hat. Er war zwar nur einen Tag in seinem Leben in Wien. Und was hat er gemacht? Er ist in die Oper gegangen und hat «Così fan tutte» besucht. Er konnte sich sogar erinnern, dass Gundula Janowitz die wichtigste Stimme war. Und wir haben ihm immerhin eine Sachertorte zum Geburtstag geschenkt und nicht «Happy Birthday» gesungen, sondern «Viel Glück und viel Segen». Sogar zweistimmig – das ist nicht ganz gut gelungen, aber es war herzlich und ich glaube, da braucht man jetzt nicht zu vergleichen, wie es mit den anderen Bischofskonferenzen war. Ich weissja auch nicht, wie es mit den Deutschen war. Aber wir sind mit unseren Nachbarn herzlich verbunden. 

Von links Erzbischof Franz Lackner, Kardinal Christoph Schönborn und Kardinal Marc Ouellet.
Von links Erzbischof Franz Lackner, Kardinal Christoph Schönborn und Kardinal Marc Ouellet.

Wurde eine Einladung des Papstes nach Österreich ausgesprochen?

Schönborn: Das ist sehr einfach: Es gibt nichts Schöneres, als wenn der Papst uns sagt, er kommt nach Österreich. Aber warten wir mal, hoffen wir, schauen wir. Österreich ist vielleicht nicht gerade die Peripherie, auf die Papst Franziskus hinschaut. Aber: Who knows?

Von links Vinzenz Wohlwend, Abt von Wettingen-Mehrerau, und Benno Elbs, Bischof von Feldkirch.
Von links Vinzenz Wohlwend, Abt von Wettingen-Mehrerau, und Benno Elbs, Bischof von Feldkirch.

Die österreichischen Bischöfe sind im Vatikan mit einer grossen Geschlossenheit aufgetreten – und zwar auch bezüglich bestimmter Streitthemen. Inwiefern hat diese Einheit Eindruck gemacht bei den verschiedenen Dikasterien?

Schönborn: Die Einheit hat eine positive Wirkung, weil sie real ist. Aber das ist nicht eine Kampf-Einheit, sondern eine gemeinsame Sorge. Und ein gemeinsames Hinhören und Hinschauen. Und der Papst hat uns sehr ermutigt: Seid Hirten! Seid bei den Menschen!

* Kardinal Christoph Schönborn (77) ist Erzbischof von Wien. Von 1975 bis 1991 lehrte er Dogmatik in Freiburg i.Ü. kath.ch hat die Fragen und Antworten eines kurzen Mediengesprächs mit Kardinal Christoph Schönborn in Rom protokolliert.


Kardinal Christoph Schönborn in Rom. | © Raphael Rauch
16. Dezember 2022 | 15:42
Lesezeit: ca. 3 Min.
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