Daniel Burger-Müller
Konstruktiv

Sich für das Leben im Sterben einsetzen: Daniel Burger betreut schwerkranke Menschen zuhause

Immer mehr Menschen, die unter einer schweren Krankheit leiden und dem Tod nahestehen, lassen sich palliativ betreuen. Dabei wird versucht, die Lebensqualität von Sterbenden zu verbessern. Daniel Burger (54), Beauftragter für Palliativ-Seelsorge der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, betreut ambulant Patientinnen und Patienten.

Wolfgang Holz

«So eine Scheisskrankheit!» – «Ich könnte hässig auf den da oben sein!» – «Warum trifft es gerade mich?!» – «Warum lässt Gott das zu?» Solche Ausrufe, Klagen, ja manchmal auch Schreie sind es, mit denen Palliativ-Seelsorger Daniel Burger im Umgang mit Schwer- und chronisch Kranken konfrontiert ist.

Die Würde des Menschen ist in der Palliative Care zentral.
Die Würde des Menschen ist in der Palliative Care zentral.

«Manchmal sage ich den Betroffenen dann, dass ich darauf auch keine Antwort habe – aber man dürfe mit Gott streiten», sagt der 54-Jährige. Mit dem persönlichen Schicksal hadern zu dürfen, könne in solchen Gesprächen nämlich durchaus helfen, um eine gemeinsame Kommunikation herzustellen.

Schreie können helfen

Zumeist gelingt es ihm vor allem durch intensives Zuhören, das Vertrauen des Patienten oder der Patientin zu gewinnen. Spannungen zu lösen. Lebensfragen zu klären. Über Schmerzen zu sprechen. «Schreie können dabei ebenso helfen wie Tränen.»

Daniel Burger weiss, wovon er spricht. Wer dem Tod durch eine schwere Krankheit nahesteht, ist nicht selten der Verzweiflung nahe. Menschen sehnen sich nach Verständnis, Zuspruch und spirituellem Rückhalt. Palliative Pflege und Seelsorge können in solchen Situationen schicksalserleichternd sein.

Nachfrage wächst

Seit Juni dieses Jahres arbeitet der frühere Spitalseelsorger als Beauftragter Palliative Care der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Er leitet mit seiner Kollegin zusammen das 10-köpfige Team der ambulanten Palliativ-Seelsorge, die die Hotline Palliative-Seelsorge betreibt.

Palliativstation nahe Zürich
Palliativstation nahe Zürich

Die Organisation steht in ökumenischer Trägerschaft. Was die ambulante Palliativ-Seelsorge betrifft, die es nun seit fünf Jahren gibt, wächst offensichtlich die Nachfrage. «Wir registrierten von Januar bis Ende August dieses Jahres 300 Einsätze im Kanton Zürich», so Burger.

Davon sind 115 Personen betroffen – darunter auch Angehörige von Schwerkranken. «Denn oft fragt niemand, wie es ihnen eigentlich bei der Betreuung von Schwerkranken geht.» Die Gespräche dauern erfahrungsgemäss zwischen 20 Minuten und eineinhalb Stunden. Je nach Krankheitszustand und Gesprächsbedarf.

Bei über der Hälfte der zu Betreuenden handelt es sich laut Burger um Menschen mit einer Krebsdiagnose. Die anderen Krankheiten betreffen Herz-Kreislauf-Leiden, neurologische-, Lungen- und Auto-Immunkrankheiten. Auch Demenz.

Lebensqualität verbessern

«Palliativ» heisse so viel wie ummanteln, erklärt der studierte Theologe. Die palliative Seelsorge kümmere sich in Zusammenarbeit mit der Spitex in diesem Sinn vor allem darum, die Lebensqualität des Kranken zu verbessern. «Es hängt dabei ganz vom Wunsch der Patientinnen und Patienten ab, wie dies dann konkret aussehen soll.»

Palliativ heisst ummanteln.
Palliativ heisst ummanteln.

Beim Thema Schmerzen beispielsweise. «Wenn eine Patientin oder ein Patient gerne nochmals einen guten Freund empfangen möchte, kann er kurzfristig die Schmerzmitteldosis erhöhen (um weniger Schmerzen zu haben) oder verringern (um weniger schläfrig zu sein).»

Daniel Burger erklärt weiter: «Die Patientin oder der Patient entscheidet nach ihren oder seinen Absichten und Plänen, was ihr oder ihm gerade am besten dient. Danach entscheiden sich die medizinischen Handlungen», erklärt Daniel Burger. «Grundsätzlich ist man bei der Palliative Care bestrebt, die Symptome zu lindern.»

Und trotzdem scheint auch der Palliativ-Seelsorger, der zu zehnt in seinem Team arbeitet, hin und wieder mit schier unüberwindlichen Problemen konfrontiert. Wenn etwa eine schwerkranke 25-Jährige, die glücklich mit ihrem Verlobten zusammenlebt, wegen ihres sich sehr schnell ausbreitenden Tumors ihren Hochzeitstermin vermutlich nicht mehr erlebt.

Urvertrauen der Menschen gewinnen

«Solche Fälle sind dann sehr schmerzlich und sehr belastend», versichert Daniel Burger. Es gehe dann darum, das Urvertrauen der Menschen zu gewinnen. Ihnen dabei zu helfen, ihre Ängste zu nehmen.» Religion und Glaube im engeren Sinn seien dabei nicht immer im Spiel. «Das erfordert dann nochmals eine andere Tiefe. Es geht in erster Linie als Seelsorgerin und Seelsorger darum, die Not der Menschen aufzufangen.»

Daniel Burger hilft als Palliativ-Seelsorger, die Not der Menschen aufzufangen.
Daniel Burger hilft als Palliativ-Seelsorger, die Not der Menschen aufzufangen.

Andererseits empfindet der Zürcher Palliativ-Seelsorger auch beglückende Augenblicke bei seiner Arbeit. Wenn er Trost spenden kann. «Und wenn Menschen sterben, kann das sehr feierlich und schön wirken. Sehr berührend sein», sagt er. Sterben sei oft ein sehr intimer Moment. Etwas ganz Besonderes. «Jeder Mensch ist einzigartig – auch im Sterben.»

Selbst Angst vor dem Sterben

Wobei der verheiratete Vater von drei erwachsenen Kindern einräumt, dass auch er noch Angst vor dem Sterben spüre. «Ich habe einen grossen Respekt, vor dem Weg in den Tod und was danach sein wird. Wenn es um die Endlichkeit meines Lebens geht.»

Gut für die Psychohygiene: Daniel Burger geht gerne mit seinen Hunden spazieren.
Gut für die Psychohygiene: Daniel Burger geht gerne mit seinen Hunden spazieren.

Aber noch lebt er sehr gern auf dieser Welt. Inspiriert durch seinen Beruf versucht er sein «Leben nicht zu verplempern» und die Beziehung zu seiner Frau, die ebenfalls Theologin ist, und zu seiner Familie bewusst zu gestalten. Für seine Psychohygiene liebt er es, mit den Hunden viel spazieren zu gehen. Im Wald. Und viel draussen in der Natur zu sein.

Gleichzeitig ist Daniel Burger gerne kreativ. Er entspannt sich beim Malen und beim Singen. «Manchmal singe ich, wenn ich die Wäsche zusammenlege.» Oder er treibt gerne Sport und hackt Holz. «Alpträume hatte ich noch nie – der Tod hat eigentlich etwas Friedliches.»

Die Hotline der Palliativseelsorge ist montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr zu erreichen: 044 554 46 66. Weitere Informationen gibt’s hier.


Daniel Burger-Müller | © zVg
23. November 2022 | 11:08
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!