Kyrill I., Russisch-Orthodoxer Patriarch von Moskau und Russland, Dezember 2016.
International

Kyrill I. betet für Sieg Russlands – Kritiker raten Moskauer Patriarchen zum Rücktritt

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill soll von «seinem Thron» zurücktreten, sagt der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel. Und Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, will vom Weltkirchenrat klären lassen, ob sie sich des Missbrauchspotenzials durch Kyrill bewusst sind.

Oliver Hinz

Sorgsam vermeidet der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. den Begriff «Heiliger Krieg». Den Einmarsch russischer Truppen im Nachbarland Ukraine unterstützt das Kirchenoberhaupt gleichwohl immer wieder voller Hingabe. In seiner jüngsten Sonntagspredigt rief er etwa zur Anrufung des heiligen Seraphim von Sarow auf, «damit er durch seine Fürsprache beim Herrn unserer Armee überall dort, wo militärische Operationen stattfinden, den Sieg gewährt, damit er die Menschen befriedet und versöhnt und damit jeder brudermörderische Streit auf dem Boden der historischen Rus’ und jede ausländische Invasion aufhört».

Tete-à-tete: Der russische Staatspräsident Wladimir Putin und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.
Tete-à-tete: Der russische Staatspräsident Wladimir Putin und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.

Kyrill I. machte aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zugleich einen Vernichtungsfeldzug des Westens: «Was heute geschieht, ist nicht nur ein weiterer militärischer Feldzug. Man hat den Eindruck, dass viele die orthodoxe Rus dem Erdboden gleichmachen wollen.» Deshalb müsse für die russische Armee, den Staatspräsidenten und all jene gebetet werden, «von denen der Ausgang der Schlacht, in die wir uns nicht freiwillig begeben haben, wirklich abhängt», so der 75-Jährige.

Treffen für eigene Propaganda

Und so mag der Patriarch zwar zuletzt dem Generalsekretär des Weltkirchenrates, Ioan Sauca, gesagt haben, dass «Krieg nicht heilig sein kann». Doch das ist nicht seine öffentliche Botschaft. Der Satz fehlt auch in dem ausführlichen Bericht des Moskauer Patriarchats über die Begegnung von Kyrill und Sauca in Moskau. Stattdessen verbreitete das Patriarchat auf seiner Website, der ÖRK schätze die russisch-orthodoxe Kirche sehr und wolle sie als Mitglied behalten. Ihr Beitrag für die ökumenische Bewegung und die Einheit der orthodoxen Kirche sei sehr wichtig. Ein Paradebeispiel, wie Kyrill I. solche Treffen für die eigene Propaganda nutzt und jede Verurteilung des Kriegs – auch durch den Weltkirchenrat – unterschlägt.

Rita Famos beim Weltkirchenrat in Karlsruhe.
Rita Famos beim Weltkirchenrat in Karlsruhe.

Das empört andere Mitglieder wie die evangelisch-reformierte Kirche der Schweiz. Deren Präsidentin Rita Famos will nun im Zentralausschuss klären: «War die ÖRK-Delegation genügend vorbereitet auf den Besuch? War sie sich des Missbrauchspotenzials durch das Patriarchat bewusst und hat sich entsprechend verhalten?»

Nur wenig Kritik von Bischöfen

In der russisch-orthodoxen Kirche kritisieren allerdings nur wenige Bischöfe öffentlich Kyrills Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine. Der Pariser Metropolit Jean rügte die Aussage des Patriarchen, dass das «Opfer» eines Soldaten, der im Krieg sterbe, «alle Sünden abwäscht, die er begangen hat». Sie sei in den Gemeinden seines Erzbistums «mit grossem Schmerz und mit Unverständnis aufgenommen» worden, schrieb er. Das Kirchenoberhaupt solle sich für einen sofortigen Stopp des «brudermörderischen Krieges» aussprechen, «der für die Welt jetzt zu einer allzu schweren Bedrohung wird».

Kyrill I. steht fest zu Putin

Das Moskauer Patriarchat weist Kritik an Kyrill I. zurück. Manche Menschen würden nur Bruchstücke statt ganze Passagen aus seinen Predigten zitieren und zudem den Kontext nicht erläutern. Wer Kyrills Predigten hört oder liest, merkt jedoch, dass er fest an der Seite des Kreml-Chefs und Kriegsverbrechers Wladimir Putin steht.

Patriarch Bartholomaios I. spricht in der Kathedrale von Freiburg
Patriarch Bartholomaios I. spricht in der Kathedrale von Freiburg

Hart mit dem russischen Kirchenoberhaupt geht der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., ins Gericht. Es schmerze, dass sich das Moskauer Patriarchat den «politischen Ambitionen der Russischen Föderation» unterwerfe und «diese grausame Invasion und das ungerechtfertigte Blutvergiessen sogar gutheisst und scheinbar segnet», sagte er jüngst dem US-Portal «The Pillar». «Wir haben inbrünstig und brüderlich an den Patriarchen von Moskau appelliert, sich von den politischen Verbrechen zu distanzieren, selbst wenn das bedeutet, dass er von seinem Thron zurücktreten muss», so das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie.

Emmanuel Macron in Rom
Emmanuel Macron in Rom

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte am Sonntag auch an die Adresse von Kyrill I., religiöse Führer müssten angesichts des «Wahnsinns dieser Ereignisse» Widerstand leisten. Allerdings machte er Putin für das Verhalten der Kirche verantwortlich. Die orthodoxe Religion werde von den Machthabern in Russland manipuliert, so Macron. Dem Ständigen Vertreter der Ukraine bei den Vereinten Nationen, Serhij Kyslyzja, war das jedoch viel zu mild. Die russisch-orthodoxe Kirche werde nicht manipuliert, kommentierte er auf Twitter Macrons Worte. Die Kirche sei vielmehr «Teil eines kriminellen Regimes».

Epochalen Kampf zwischen Gut und Böse

Kyrill selbst holte am Dienstag erneut zu einem verbalen Rundumschlag gegen den Westen aus. Die Zukunft der menschlichen Zivilisation sei gefährdet: schuld daran seien der Westen mit seiner Ideologie des Säkularismus sowie die Globalisierung, sagte er zur Eröffnung der 24.Sitzung des Weltrussischen Volksrates. Es gehe um einen epochalen Kampf zwischen Gut und Böse. Solange Russland eine «Insel der Freiheit» bleibe, werde es auch für den Rest der Welt die Chance geben, «den Lauf der Geschichte zu ändern und das globale apokalyptische Ende zu verhindern». (kna)


Kyrill I., Russisch-Orthodoxer Patriarch von Moskau und Russland, Dezember 2016. | © KNA
25. Oktober 2022 | 16:21
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