Die Bischöfe von Rottenburg-Stuttgart haben unterschiedlich abgestimmt: Matthäus Karrer und Gerhard Schneider haben mit Ja gestimmt. Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz schweigen.
International

Sind Bischof Gebhard Fürst und Weihbischof Thomas Maria Renz «feige Heckenschützen»?

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart ist ein Schweizer Nachbarbistum. Früher wehte hier ein liberaler Wind. Doch nun gibt es Unmut: Bischof Gebhard Fürst und Weihbischof Thomas Maria Renz verschweigen ihr Votum beim Synodalen Weg. Und Fürst blockiert ein LGBTQ-Seelsorgeamt.

Raphael Rauch

Diözese Rottenburg-Stuttgart, was ist aus dir geworden? Früher wehte hier der Atem der Freiheit. Der Moraltheologe Alfons Auer prägte in Tübingen den Begriff der autonomen Moral. Schon vor Jahrzehnten forderte er einen Paradigmenwechsel in der Sexualmoral: weniger Katechismus, mehr Gewissensprüfung.

Bischof Gebhard Fürst gilt als Gender-Kritiker

Umso grösser war die Verwunderung am Donnerstag, als Bischof Gebhard Fürst beim Synodalen Weg in Frankfurt Stimmung gegen sexuelle Vielfalt machte. Er erwähnte die Tübinger Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, die kürzlich in einem Interview bekräftigte: «Bei allen Säugetieren gibt es zwei Geschlechter, und der Mensch ist ein Säugetier.»

Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart
Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart

Bischof Gebhard Fürst, ein Gender-Kritiker? Für Kenner des Bistums Rottenburg-Stuttgart ist das nichts Neues. Der Unmut über Bischof Gebhard Fürst ist gross. Viele würden es begrüssen, wenn der Bischof lieber früher als später seinen Altersruhesitz beziehen würde – ein schickes Domizil in bester Halbhöhenlage, frisch gebaut auf Kosten der Kirchensteuerzahlenden.

Vor 17 Monaten sollte «in Kürze» ein LGBTQ-Seelsorgeamt kommen

Schon länger gibt’s das Versprechen, ein LGBTQ-Seelsorgeamt in der Diözese Rottenburg-Stuttgart einzurichten. Ein Konzept liegt schon länger in der Schublade – doch Bischof Gebhard Fürst scheint das Projekt zu blockieren. 

LGBTQ-Zelt beim Bundeslager der Schweizer Pfadi.
LGBTQ-Zelt beim Bundeslager der Schweizer Pfadi.

«Der Bischof hat vor 17 Monaten versprochen, in Kürze eine solche Stelle einzurichten», sagt Monsignore Christian Hermes. Der Stuttgarter Stadtdekan ist einer der Synodalen in Frankfurt. Er sagt zu kath.ch: «Ich habe kürzlich nochmals nachgefragt, weil Stuttgart eine lebendige queere Community hat. Ich halte ein LGBTQ-Seelsorgeamt für überfällig und verstehe nicht, warum das so lange dauert.»

Die Weihbischöfe Karrer und Schneider stimmten mit Ja

Auf dem Synodalen Weg blockierten die Bischöfe am Donnerstag in einer anonymen Abstimmung ein Reform-Papier zur Sexualmoral. Daraufhin sprach Christian Hermes Klartext: «Ich schäme mich für die Bischöfe.» Statt auf Dialog zu setzen, hätten sie mit einem «feigen Heckenschuss» das Reform-Papier blockiert.

Der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes.
Der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes.

Nun lautet die Frage: Gehören Bischof Gebhard Fürst und Weihbischof Thomas Maria Renz zu den feigen Heckenschützen? Die Weihbischöfe Matthäus Karrer und Gerhard Schneider gelten als Reformer – und haben gegenüber kath.ch bestätigt, mit Ja gestimmt zu haben. Fürst und Renz hingegen schweigen über ihr Abstimmungsverhalten – was die Gerüchteküche mutmassen lässt, die beiden hätten mit Nein gestimmt.

Influencerin Kira Beer: «Wäre nicht überrascht»

«Erklärt euch», rief der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, seinen Mitbrüdern ins Gewissen. Doch Fürst und Renz schweigen weiterhin.

Liebe gewinnt: Aufschrift an einer Mauer.
Liebe gewinnt: Aufschrift an einer Mauer.

«Es würde mich nicht überraschen, wenn Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz den Grundtext abgelehnt haben», sagt die Influencerin Kira Beer, die in Tübingen katholische Theologie studiert. «Auch wenn Thomas Maria mir immer wieder ein offenherziger und fairer Gesprächspartner ist, weiss ich um die Grenzen seiner Position.»

Depressionen und Suizidalität

Pikant wäre, wenn mit Thomas Maria Renz ausgerechnet der Jugendbischof das Reform-Papier abgelehnt hätte. «Ich erwarte, dass sich die Bischöfe bei uns in der Diözese öffentlich zu ihrem Abstimmungsverhalten äussern und Transparenz schaffen», sagt Nadine Maier, Diözesanleiterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). «Wir Gläubigen haben ein Recht darauf, das zu erfahren.»

Meinrad Furrer segnet ein lesbisches Paar in Zürich auf einer Regenbogenbank.
Meinrad Furrer segnet ein lesbisches Paar in Zürich auf einer Regenbogenbank.

Als Jugendseelsorgerin schmerze sie das Nein der Bischöfe: «Queere Jugendliche leiden schwer unter Ausgrenzung und Ablehnung. Das äussert sich auch in Depressionen oder Suizidalität. Gerade sie brauchen unsere volle Unterstützung und die Zusage, dass sie angenommen und geliebt sind, wie sie sind – von Gott und von uns als Kirche.»

«Gemeinsam ohne Angst»

Der BDKJ habe sich bereits 2020 mit dem Papier «Liebt einander» für eine vielfältige Kirche positioniert. Menschen jeden Geschlechts und jeder sexuellen Orientierung hätten «die gleiche Würde und Rechte».

Bibel auf Regenbogenfahne
Bibel auf Regenbogenfahne

Nadine Maier verweist auf die Website gemeinsamohneangst.de, die nach der Aktion «Out in Church» entstanden ist. Auf der Website steht: «Wir sind beeindruckt vom Mut und betroffen vom Leid der Beteiligten und sichern ihnen unsere Solidarität und Unterstützung zu.»

Die Pressestelle schweigt

Und jetzt? Christian Hermes, Nadine Maier und Kira Beer bekräftigen, Bischof Gebhard Fürst und Weihbischof Thomas Maria Renz sollten sich öffentlich erklären. Und endlich beim LGBTQ-Seelsorgeamt vorwärts machen. 

Die Pressestelle der Diözese Rottenburg-Stuttgart liess eine Anfrage von kath.ch unbeantwortet.


Die Bischöfe von Rottenburg-Stuttgart haben unterschiedlich abgestimmt: Matthäus Karrer und Gerhard Schneider haben mit Ja gestimmt. Gebhard Fürst und Thomas Maria Renz schweigen. | © kath.ch
10. September 2022 | 14:36
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