Das Gnadenbild in Mariastein.
Schweiz

«Maria hat geholfen»: Mariastein feiert das Ende des Kulturkampfs vor 50 Jahren

Seit Jahrhunderten fasziniert die «Mutter zum Trost». Menschen aus aller Welt pilgern nach Mariastein, um in der Felsenkapelle zu beten. Seit 51 Jahren gehört das Kloster wieder den Benediktinern von Maristein. Im Kulturkampf hatte sich der Kanton Solothurn das Kloster unter den Nagel gerissen.

Vera Rüttimann

Selbst in der Basilika ist die starke Hitze an diesem Sommertag zu spüren. Draussen zeigt das Thermometer 35 Grad an. Und dennoch hat sich eine stattliche Zahl von Menschen zur Gedenkstunde eingefunden. Sie erinnern an ein besonderes Datum: Am 21. Juni 1971 übergab die Solothurner Regierung das Kloster Mariastein zurück in die Hände der Benediktiner. Die prächtige Anlage war den Mönchen 1874 während des Kulturkampfes entzogen worden.

Innenhof des Klosters Mariastein
Innenhof des Klosters Mariastein

Mit dabei: Bischof Felix Gmür

Coronabedingt fand das Jubiläum mit einem Jahr Verspätung statt. Umso grösser scheint aber das Bedürfnis, den Menschen zu danken, die das Kloster jahrzehntelang unterstützt haben. In den Bänken sitzen an diesem Nachmittag ranghohe Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – darunter auch der Bischof von Basel, Felix Gmür.

Bischof Felix Gmür unter den Teilnehmenden der Gedenkstunde in der Basilka
Bischof Felix Gmür unter den Teilnehmenden der Gedenkstunde in der Basilka

Die meisten Gäste der Feierstunde, die der Cäcilienverband Schwarzbubenland musikalisch gestaltet, haben eine besondere Beziehung zum Kloster Mariastein. So auch Landammann Remo Ankli.

Landammann Remo Ankli während seiner Rede
Landammann Remo Ankli während seiner Rede

«Dem Kloster seine Freiheit zurückgegeben» 

«In der Pfarrei Beinwil wirkte in meiner Jugend ein Pater aus Mariastein als Seelsorger», sagt der Landammann in seiner Ansprache. Er selbst habe mehrmals im Kloster übernachtet und so das benediktinische Leben und deren Gastfreundschaft kennen gelernt.

Remo Ankli zitiert den damaligen Landammann Willy Ritschard, der 1971 sagte: «Mit dieser Abstimmung hat das Volk dem Kloster Mariastein seine Freiheit wieder zurückgegeben.» 

Abt Peter von Sury
Abt Peter von Sury

Der Staat gibt sonst nichts zurück

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass der Staat das Kloster zurückgegeben hat? «Der Staat gibt sonst nie etwas zurück, was er sich einmal genommen hat», sagt Abt Peter von Sury. «Es waren wohl Umstände, glückliche Fügungen und vielleicht auch die Macht der Fakten, die dazu geführt haben, dass wir das Kloster wieder haben.»

Mit den Fakten meint von Sury, dass Mariastein seit Jahrhunderten als Wallfahrtsort ein wichtiger Teil des Solothurner Lebens ist. Bald nach der Aufhebung des Klosters Mariastein habe der Staat Benediktinermönche anstellen müssen, um die Pilgerinnen und Pilger zu betreuen. 

Mönche von Mariastein während der Gedenkstunde
Mönche von Mariastein während der Gedenkstunde

Auch das Geld spielte eine Rolle

In den 1950er-Jahren seien die wenigen Ordensmänner von engagierten Laiinnen und Laien unterstützt worden. «Sie haben sich intensiv für die Klosterrückgabe engagiert. Sie haben als Katholiken und als Staatsbürger Grossartiges geleistet», betont Abt Peter von Sury. 

Ein Mönch und eine Ordensschwester im Gespräch in Mariastein.
Ein Mönch und eine Ordensschwester im Gespräch in Mariastein.

Auch finanzielle Erwägungen dürften geholfen haben, das Kloster zurückzugewinnen: «Der Unterhalt eines solchen Gebäudes kostet auf Dauer einfach zu viel», sagt er.  Im Laufe der Zeit habe sich zwischen Kirche und Staat eine von Respekt geprägte Beziehung eingespielt.

Urkunde von 1971 auf dem Altar in der Basilika
Urkunde von 1971 auf dem Altar in der Basilika

Die Madonna rettet einen Hirtenjungen

Das Herz des Wallfahrtsortes ist das Gnadenbild der Mutter vom Trost. Seit Jahrhunderten suchen die Menschen die Marienfigur in der Felsenkapelle auf. Die Legende ist 1442 erstmals urkundlich bezeugt: Ein kleiner Hirtenjunge hütet hoch auf dem Felsplateau das Vieh. Er gerät beim Spielen zu nah an die Klippe und fällt die steile Felswand hinunter.

Doch der Junge überlebt: Er berichtet, er sei von einer Frau aufgefangen worden. Zum Dank baute die Familie des Jungen eine Kapelle über der Höhle und legte so den Grundstein für den Pilgerort.

Mönche von Mariastein während der Gedenkstunde
Mönche von Mariastein während der Gedenkstunde

Bestätigung, Bestärkung und Verpflichtung

Peter von Sury sagt, von seinem Abt-Platz im Chor könne er gut zur Madonna-Figur hinübersehen. Natürlich nicht jene in der Felsenkapelle, sondern eine Kopie in der Basilika. «Immer wieder sehe ich von meinem Platz Leute, die zur Mutter Gottes kommen. Das lehrt mich sehr viel», sagt Abt Peter von Sury.

Menschen vor dem Gnadenbild in der Basilika von Mariastein.
Menschen vor dem Gnadenbild in der Basilika von Mariastein.

Er sehe dort Leute, die um etwas bitten, etwas erflehen oder erhoffen. Körperlich versehrte Leute kämen im Rollator, an Krücken oder im Rollstuhl. Die Betenden kämen aus allen gesellschaftlichen Schichten. «Ich weiss jetzt, warum wir Mönche wieder hier in Mariastein sein dürfen. Warum wir Tag für Tag Psalmen singen und Gottes Wort hören», sagt Peter von Sury. Die vielen Pilgerinnen und Pilger seien «Bestätigung, Bestärkung und Verpflichtung zugleich».

Nuntius Martin Krebs und der Projektleiter von Mariastein 2025, Mariano Tschuor
Nuntius Martin Krebs und der Projektleiter von Mariastein 2025, Mariano Tschuor

Votivtafeln flankieren den Weg zur Grotte

Bevor sich die Festgesellschaft zum Apéro im Klostergarten trifft, stellt Abt Peter von Sury noch einmal die Frage: Wie war das möglich, dass der Staat den Mönchen das Kloster zurückgegeben hat? Der Abt zitiert eine Antwort, die auf den vielen Votivtafeln steht, die den Weg zur Grotte flankieren: «Maria hat geholfen.»


Das Gnadenbild in Mariastein. | © Vera Rüttimann
19. Juni 2022 | 09:35
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