In der Innsbrucker Universitätskirche St. Johannes Nepomuk hängt seit Aschermittwoch ein temporäres Altartuch. Zu sehen darauf ist der in Georgien lebende David Apakidze.
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Queer-Aktivist auf Fastentuch: «In meiner Heimat würde man dafür getötet»

David Apakidze (23) hängt mit nacktem Oberkörper auf einem Altartuch in Innsbruck. Er hat ukrainische und georgische Wurzeln. Ein Gespräch über Putins Feldzug gegen die Ukraine, Picassos Friedenstaube als Tattoo – und warum er «müde von Russland ist».

Jacqueline Straub

In der Innsbrucker Universitätskirche St. Johannes Nepomuk hängt seit Aschermittwoch ein temporäres Altartuch. Darauf ist David Apakidze (23) zu sehen, ein Queer-Aktivist in Georgien. Die Fotografin Carmen Brucic hat ihn mit nacktem Oberkörper fotografiert. Manche stören sich an der Installation – der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler verteidigt die Fotografie. kath.ch hat mit David Apakidze via «Zoom» gesprochen.

Wie ist das Foto entstanden?

David Apakidze*: Es entstand im Rahmen eines Projektes über die queere Community im Sommer 2021 auf einem Festival in Georgien. Carmen Brucic wollte unseren Widerstand gegen Unterdrückung und unseren Einsatz für eine offene Gesellschaft beleuchten.

«In meiner Heimat Georgien sieht die Welt ganz anders aus.»

Wie haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass Ihr Bild in einer Kirche als temporäres Altartuch aufgehängt wird?

Apakidze: Ich war überrascht und glücklich zugleich. Ich mag das Bild wirklich sehr. Es ist schön, dass Künstlerinnen und Künstler in Österreich die Möglichkeit bekommen, solch ein Bild in einer Kirche auszustellen. In meiner Heimat Georgien sieht die Welt ganz anders aus: Wer hier solch ein Bild in einer Kirche aufhängen würde, würde getötet werden.

Warum?

Apakidze: In Georgien kann man fast alles kritisieren – nur nicht die Kirche. Denn die Kirche ist abhängig von der russischen Kirche. Und die russisch-orthodoxe Kirche verurteilt Queerness. Patriarch Kyrill I. hat sogar den Einmarsch der Russen in die Ukraine damit legitimiert, dass die Gläubigen vor Gay-Pride-Paraden geschützt werden müssen. Georgien ist ein homophobes Land, doch es verändert sich. Russland versucht das aber zu verhindern. Ich hoffe sehr, dass eines Tages auch in unseren Kirchen solche Bilder von nackten Oberkörpern hängen können.

«Ich bin müde von Russland», sagt David Apakidze.
«Ich bin müde von Russland», sagt David Apakidze.

Die Installation heisst «Tired?», also «Müde?». Warum?

Apakidze: Die Fotografin machte zu jedem Bild ein längeres Interview. In dieser Zeit fragte sie mich, wie es mir geht. Es war nach dem 5. Juli 2021 – in Georgien sollte die Pride stattfinden. Doch es gab Proteste dagegen, sodass die Pride abgesagt wurde. Queere Menschen wurden durch die Strassen gejagt. Ich sagte ihr, dass ich müde bin zu kämpfen.

«Meine ukrainische Grossmutter wurde als Zwölfjährige von Russen vergewaltigt.»

Sie haben ukrainische und georgische Wurzeln. Verknüpfen Sie mit dem Altartuch auch eine politische Botschaft?

Apakidze: Das Altartuch in Österreich, das mich müde zeigt, hat auch eine politische Botschaft: Ich bin müde von Russland. Ich wünsche mir, dass Russland keinen Einfluss mehr auf meine Heimat hat – auch nicht auf die Ukraine. Meine Familie ist Opfer von russischer Machtherrschaft. Meine ukrainische Grossmutter wuchs in Sibirien auf und wurde als Zwölfjährige von Russen vergewaltigt. Ein Teil meiner Familie lebt in der Ukraine – der Krieg ist Alltag für mich. Und auch Georgien leidet unter Russland. Russland hat noch immer einen grossen Einfluss auf unsere Gesellschaft und versucht uns mit Geld und Propaganda pro-russisch zu stimmen. Leider ist unsere Regierung pro Russland.

Haben Sie selbst Krieg erlebt?

Apakidze: 2008 bin ich mitten in der Nacht vom Lärm der Bomben aufgewacht. Ich war damals noch ein Kind. Der russische Angriff auf Georgien im Kaukasus-Krieg war zwar nur ein kurzer Krieg, aber dieser hat mich geprägt.

«Die berühmte Taube von Pablo Picasso soll meinen Körper vor Krieg schützen», sagt David Apakidze.
«Die berühmte Taube von Pablo Picasso soll meinen Körper vor Krieg schützen», sagt David Apakidze.

Inwiefern?

Apakidze: Ich habe auf meinem Oberarm die berühmte Taube von Pablo Picasso tätowiert. Picasso malte diese Taube während des Zweiten Weltkriegs. Sie ist ein Symbol für Frieden. Sie soll meinen Körper vor Krieg schützen. Denn ich leide noch heute unter dem, was meiner Heimat widerfahren ist.

Was bedeuten Ihnen Ihre Tattoos?

Apakidze: Ich habe sieben Tattoos. Für mich sind sie einfach schöne Kunstwerke auf meinem Körper. Tattoos sind für mich wie ein Art Schutz – wie Kleider. Ich habe noch viel Platz auf meinem Körper, es werden noch einige dazu kommen.

«Wir kämpfen gemeinsam für eine gerechtere Welt.»

Sie engagieren sich als Aktivist in der Queer-Szene in Georgien. Was bedeutet es Ihnen, dass ein Bild von Ihnen nun in einer katholischen Kirche hängt?

Apakidze: Es macht mich glücklich. Ich denke, es ist wichtig, dass queere Personen auch in der Kirche sichtbar werden. In meinem Land werden queere Menschen unterdrückt – vor allem auch in der Kirche. Umso schöner, wenn die Menschen in Österreich offener sind. Ich spüre, wie auch Bischof Hermann Glettler etwas verändern möchte. Wir kämpfen gemeinsam für eine gerechtere Welt.

Haben Sie einen Bezug zur katholischen Kirche?

Apakidze: Nein. Meine Familie ist georgisch-orthodox und ukrainisch-orthodox.

David Apakidze vor der ukrainischen Flagge.
David Apakidze vor der ukrainischen Flagge.

Haben Sie Reaktionen auf das Altartuch in Innsbruck erhalten?

Apakidze: Ja, ich erhielt sehr viele positive Nachrichten von Menschen aus Österreich. Das freut mich sehr.

* David Apakidze (23) ist ein Queer-Aktivist in Georgien. In der Innsbrucker Universitätskirche St. Johannes hängt seit Aschermittwoch ein temporäres Altartuch. Die Tiroler Künstlerin Carmen Brucic hat David Apakidze fotografiert. Auf dem Altartuch sind Tätowierungen zu sehen – so auch die Friedenstaube von Pablo Picasso. Auf David Apakidzes Arm sind auch etliche Narben zu sehen: Verletzungen, die er sich durch Ritzen zugefügt hat – um die Erlebnisse des Krieges zu verarbeiten, wie David Apakidze erklärt.


In der Innsbrucker Universitätskirche St. Johannes Nepomuk hängt seit Aschermittwoch ein temporäres Altartuch. Zu sehen darauf ist der in Georgien lebende David Apakidze. | © Cincelli/dibk.at
7. April 2022 | 13:00
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