Der ukrainische Priester Nazar Zatorskyy in Bern – zusammen mit der reformierten Synodalpräsidentin Judith Pörksen Roder.
Schweiz

Ukrainischer Priester in Bern: Wo ist Gott in diesem Krieg?

Nazar Zatorskyy (42) ist Priester der ukrainisch griechisch-katholischen Kirche, die ein Teil der katholischen Kirche ist. An der Friedensdemo in Bern antwortet er auf die Frage: Wo ist Gott in diesem Krieg?

Nazar Zatorskyy*

Am Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte ich ein sehr intensives Gespräch mit einer Pfarreibürgerin meiner ukrainischen Gemeinde von Zürich, dessen Partner, ein Schweizer, ihr die Frage stellte: Wo ist Gott in diesem Krieg? Was macht er denn da in dieser Situation? Was ist sein Beitrag? 

Gott untergräbt jeglichen Krieg

Und im gemeinsamen Gespräch haben wir uns zum Schluss durchgerungen, dass der Beitrag Gottes eigentlich der grösstmögliche ist: Gott untergräbt nicht nur diesen Krieg, sondern jeglichen Krieg überhaupt. 

Stellen wir uns nur für einen Moment vor, dass Gott böse wäre und gesagt hätte: der Stärkere hat immer recht, man muss die Schwächeren ausbeuten, man muss Menschen umbringen und mir die Menschenopfer bringen. 

Christus preist Friedensstifter selig

Es gab ja Religionen, die ein solches Gottesbild vertraten und Kriege führten, um Gefangene als Opfer für Götter zu gewinnen. Stellen wir uns vor, dass Christus gesagt hätte: «Selig die Kriegsstifter» anstatt «Selig die Friedensstifter». Oder «Selig die Aggressiven» anstatt «Selig die Sanftmutigen». Wie hätte dann unsere Welt ausgesehen? Wie hätte dann unsere Gesellschaft ausgesehen? Wie würde dann unser Alltag aussehen, wenn das die höchste Norm wäre? 

Doch Christus zeichnet uns im Gegenteil ein anderes Gottesbild: Gott ist barmherzig, Gott stellt sich auf die Seite der Schwachen und Marginalisierten, Christus preist Friedensstifter selig und mit seiner ganzen Lehre und seinem ganzen Leben untergräbt er den Krieg als solchen.

Krieg ist ein Gräuel

Eben darum ist der Krieg verpönt, darum empfinden wir ihn als Gräuel – selbst die, welche an Gott längst nicht mehr glauben. Für alle Menschen weltweit gilt ein Krieg als etwas Schlechtes, das ist der Beitrag Christi in diesem und in jedem anderen aggressiven Krieg. 

Dieser Beitrag ist so fundamental, dass wir uns darüber gar nicht mehr Rechenschaft geben, dass wir uns nicht mal bewusst werden, dass es auch anders möglich ist und möglich war von Gott zu denken. 

Frieden und Gerechtigkeit

Gott will Frieden und Gerechtigkeit anstatt Krieg und Ausbeutung – das ist sein unschätzbarer Beitrag nicht nur zur Kriegsbekämpfung, sondern auch zu einem guten menschenfreundlichen Miteinander überhaupt. Amen.

* Nazar Zatorskyy (42) ist Priester der ukrainisch griechisch-katholischen Kirche, die ein Teil der katholischen Kirche ist. Zatorskyy ist Nationalkoordinator der ukrainischen Seelsorge in der Schweiz und Doktorand an der Universität Freiburg i.Ü. Am Samstag ist er an der Friedensdemo in in Bern aufgetreten.


Der ukrainische Priester Nazar Zatorskyy in Bern – zusammen mit der reformierten Synodalpräsidentin Judith Pörksen Roder. | © Screenshot
19. März 2022 | 18:33
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