Erzbischof Mor Dionysios Yeshue (links) und Mönchspriester Lahdo Hanna (rechts)
Schweiz

Orthodoxe in der Schweiz beten für Franziskus' Irak-Reise

Papst Franziskus besucht den Irak. «Es ist eine starke Ermutigung für die Christen, die noch dort leben», sagt der syrisch-orthodoxe Erzbischof Mor Dionysios Yeshue (66). Er residiert im Kloster St. Avgin in Arth. Dort lernen Jugendliche Aramäisch – die Sprache Jesu.

Alice Küng

Am Freitag reist Papst Franziskus in den Irak. Die syrisch-orthodoxe Kirche betrachtet die Region zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, auch «Mesopotamien» oder «Zweistromland» genannt, als ihre ursprüngliche Heimat.

Heute ist dieses Gebiet mehrheitlich muslimisch geprägt. Christen und Muslime trennt ein langer Konflikt. Mit der Ausbreitung des Islams im siebten Jahrhundert begann die Christenverfolgung, die bis heute andauert.

Mönchspriester Lahdo Hanna in der Kirche des Klosters St. Avgin
Mönchspriester Lahdo Hanna in der Kirche des Klosters St. Avgin

Bis jetzt sind die Christen im Irak nicht als religiöse Minderheit anerkannt. Sie haben kein Recht auf Religionsfreiheit und werden unterdrückt. Deshalb flohen im Laufe der Jahrhunderte viele in die Diaspora.

Der Papst als Hoffnungsträger

Die Zahl der Christen im Irak ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Der Besuch von Papst Franziskus im Irak weckt Hoffnung. «Es ist eine starke Ermutigung für die Christen, die noch dort leben, ihren Glauben zu bewahren und zu praktizieren», sagt Mor Dionysios Yeshue. Der syrisch-orthodoxe Erzbischof lebt im Kloster St. Avgin in Arth SZ. Von dort aus betreut er rund 15’000 syrisch-orthodoxe Christen in der Schweiz und in Österreich.

Kloster St. Avgin
Kloster St. Avgin

Im Moment hätten Christen im Nahen Osten keine Zukunftsperspektiven und seien einer ständigen Gefahr ausgesetzt. Yeshue hofft, dass der Papst bei der irakischen Regierung für eine autonome christliche Region eintritt und damit die Rückkehr der Christen aus dem Exil in ihre Dörfer ermöglicht.

Der Glaube verbindet

Yeshue selbst lebt seit 26 Jahren in Europa, bereits mehr als die Hälfte davon in der Schweiz. Er fühlt sich der europäischen Kultur näher als der arabischen: «Wir haben den gleichen Glauben.»

Dennoch fühlt er sich mit seiner Heimat weiterhin verbunden. «Aufgrund der jahrhundertealten Tradition und Geschichte können wir sie niemals vergessen.» Viele Klöster, Kirchen und andere historische Orte befänden sich dort – aber seien bedroht.

In der Bibliothek
In der Bibliothek

Ökumenische Gottesdienste

Mit den christlichen Gemeinschaften der Schweiz pflegt der syrisch-orthodoxe Erzbischof einen engen Kontakt: «Jedes Jahr versammeln wir uns mit den anderen orthodoxen Kirchen und feiern ökumenische Gottesdienste.»

Auch zur katholischen Kirche habe die syrisch-orthodoxe Gemeinschaft ein gutes Verhältnis. Seit 1984 ist das gegenseitige Spenden von Sakramenten in Notsituationen akzeptiert. «Wir sind alle in der gleichen heiligen Taufe mit Jesu Christi verbunden.» Die Orthodoxen beten dieser Tage besonders für Papst Franziskus, denn sie wissen um die Gefahren, die im Irak lauern.

Eine Sprache für die Identität

Im Laufe der Zeit sei die syrisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft immer wieder gezwungen worden, sich anderen Ethnien anzupassen. Um die eigene Identität zu wahren, definiert sich die Kirche heute stark durch ihre Sprache. Syrisch-orthodoxe Christen sprechen Aramäisch.

Liturgische Gewänder im Kloster  St. Avgin
Liturgische Gewänder im Kloster St. Avgin

«Das ist die Sprache Jesu. Sie ist heilig.» Trotz andauernden Verfolgungen konnte die Gemeinschaft diese 2000 Jahre alte semitische Sprache bis heute kultivieren. Alle Rituale und die ganze Liturgie seien in Aramäisch.

Auf die Pflege dieser Sprache möchte die Kirche weiterhin achten, besonders in der Diaspora. In der Sonntagsschule im Kloster in Arth lernen syrisch-orthodoxe Kinder und Jugendliche deshalb die aramäische Schrift und Sprache. Und sprechen das Vaterunser in der Sprache, wie es Jesus laut Überlieferung seinen Jüngern gelehrt hat.

Fastenzeit: 40 Tage Klöster

Das Christentum verändert sich. Und auch die Klöster sind im Wandel. Sie haben schon viele Krisen durchgemacht – und müssen sich weiter ändern, um ihr Nachwuchsproblem zu lösen. In der Fastenzeit beleuchten wir Geschichten über Klöster und Orden in verschiedenen Facetten.


Erzbischof Mor Dionysios Yeshue (links) und Mönchspriester Lahdo Hanna (rechts) | © Christian Merz
4. März 2021 | 17:08
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Die syrisch-orthodoxe Kirche

Die syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien ist eine der ältesten christlichen Gemeinschaften. Ihre Ursprünge gehen auf die Region «Mesopotamien» zurück, die auch «Zweistromland» genannt wird. Antiochien war der Ausgangspunkt der christlichen Mission. Heute heisst Antiochien Antakya und liegt im Süden der Türkei.

Die syrisch-orthodoxen Christen siedelten sich im heutigen Irak, Iran, Syrien, Libanon, Israel, Jordanien und der Türkei an. Sie verstehen sich als «semitisches Volk» und sprechen Aramäisch. Sie werden auch Suryoyen genannt.

Wegen ihres Glaubens wurden die Christen seit dem Aufkommen des Islams verfolgt und vertrieben. Während des Ersten Weltkriegs starben im damaligen Osmanischen Reich einige hunderttausend syrisch-orthodoxe Christen.

Lange Zeit war der Sitz des Oberhaupts der syrisch-orthodoxen Kirche in der Türkei. Wegen der vielen Verfolgungen und politischer und religiöser Unterdrückung wurde der Sitz des Patriarchen 1959 nach Damaskus in Syrien verlegt.

Viele syrisch-orthodoxe Christen flüchteten nach Europa, Australien und in die USA. Heute lebt die Mehrheit in der Diaspora. In der Schweiz sind es zirka 10’000 Personen. Das Kloster im Kanton Schwyz ist eines von drei in ganz Europa und eines von insgesamt 17 weltweit. (ak)