«Social Distancing ist definitiv eine Herausforderung»

Jeanine Kosch, 63, Seelsorgerin im Bundesasylzentrum, Zürich und Embrach

«Bislang war ich als Seelsorgerin ohne Gesichtsmaske in den Bundesasylzentrum Zürich und Embrach unterwegs. Ob das so bleibt, ist offen. Die Regeln in den Zentren ändern sich von Tag zu Tag, wenn nicht gar stündlich. Überall stehen Flaschen mit Desinfektionsmittel. Die Securitas-Angestellten überprüfen akribisch, ob sich alle Bewohnerinnen und Bewohner vor dem Essen die Hände desinfizieren.

Die Zentrumsleitung sorgt dafür, dass verletzliche Personen von den anderen Bewohnern getrennt untergebracht werden. Verdachtsfälle werden sofort isoliert. Aber die Realität ist halt schon so: Es leben viele Menschen aus aller Welt auf engem Raum zusammen.

«Was mache ich, wenn mir ein Kind entgegen rennt?»

Das Corona-Virus fordert auch uns Seelsorgende heraus. Heute hatte ich eine Sitzung mit den anderen Asylseelsorgern. Wir fanden: Seelsorge braucht es jetzt erst recht. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, weder uns selbst noch andere zu gefährden.

Immer eine Distanz von zwei Metern einzuhalten, das ist echt schwierig. Zum Beispiel, wenn es zu emotionalen Situationen kommt. Was mache ich, wenn ein Kind, das mich mag, mir voller Begeisterung entgegen rennt? Das ‹Social Distancing› ist für mich definitiv eine Herausforderung.

«Das alles etwas langsamer geht, gefällt mir.»

Das Corona-Virus sehe ich als Chance für unsere Gesellschaft. Unbedingt. Endlich kommen wir mal vom hohen Ross runter. Wir stellen fest: Auch wir im Westen haben nicht alles im Griff. Das Virus zeigt uns unsere Grenzen auf, die Grenzen des globalen Systems, die Grenzen der Machbarkeit.

Das nun alles etwas langsamer geht, gefällt mir. Ich hoffe bloss, dass der Effekt der Entschleunigung auch nach der Krise anhält. Auch für die Kirche kann das Virus eine Chance sein. Es kann helfen, neue Formen der Seelsorge zu finden, um mit Menschen in Beziehung zu bleiben.» (bal)

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