"Prier et témoigner" in Freiburg (2018)
Schweiz

Daniel Pittet gründete vor 30 Jahren «Prier témoigner»

Die Westschweizer Grossveranstaltung «Beten Zeugnis geben» geht am 16./17. November zum dreissigsten Mal in Freiburg über die Bühne. Der Anlass wurde von Daniel Pittet ins Leben gerufen. Weit über die Schweizer Grenzen hinaus bekannt wurde er über sein Buch «Pater, ich vergebe Euch!», in welchem er sein Erleben als Missbrauchsopfer aufarbeitet.

Carole Pirker

Er ist kontaktfreudig. Eine Mütze schmückt den Kopf. Daniel Pittet steht vor der dreissigsten Durchführung der Glaubensveranstaltung «Prier témoigner». Während des Gesprächs krempelt er die Ärmel hoch. Er trägt zwei Tätowierungen.

«Zerbrechlichkeit ist meine Stärke.»

Daniel Pittet

Auf dem einen Unterarm steht «angel», auf dem anderen «fragil». «angel» ist auch ein Akrostichon. Das Wort wird aus den ersten Buchstaben der Namen seiner sechs Kinder gebildet. Zum Begriff «fragil» sagt er: «Zerbrechlichkeit ist meine Stärke. Es ist das Adjektiv, das mir am besten passt».

Pittet ist in der katholischen Kirche der Westschweiz ein wahrer Hansdampf in allen Gassen. Mit viel Kraft hat er sein Jugendtrauma überwunden. Als Neunjähriger wurde er von einem Kapuziner vergewaltigt. Der Geistliche verging sich vier Jahre lang regelmässig an dem Jungen. Pittet beschloss, seinem Peiniger zu vergeben. Wäre dies nicht geschehen, würde das katholische Jugend-Festival «Prier et témoignier» nicht existieren.

Schlüsselerlebnis am Marienwallfahrtsort

Trotz der Erfahrungen mit seinem Peiniger trat Pittet ins Noviziat des Klosters Einsiedeln ein. Die Gesundheit machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung. Er wurde Opfer einer Hirnhautentzündung. «Ich war depressiv und konnte nicht mehr aufstehen», erinnert er sich.

Daniel Pittet
Daniel Pittet

Er kehrte nach Freiburg zurück. Kardinal Charles Journet riet dem ehemaligen Messdiener, zum Marienwallfahrtsort Notre-Dame de Bourguillon bei Freiburg zu pilgern. Acht Mal klagte er dort sein Leid, beim neunten Mal sah er vor sich eine junge Frau, die weinte.

Er vertraute die Frau der Mutter Gottes an. «In den Gewölben dieser Kirche habe ich beschlossen, den Glauben zu bewahren. Sonst hätte ich mich umgebracht. Die Kirche ist daher mein Leben», erinnert sich Pittet.

Neues Zielpublikum

Er stiess zur Gruppe «Gebetsapostolat für Laien» und wurde bald deren Präsident. Unter seiner Führung nahm die Organisation Fahrt auf. Er verjüngte das Komitee wie auch das Zielpublikum. Sie erhielt auch einen neuen Namen: «1989 habe ich erklärt, dass man das Gebet braucht. Pater Marie-Josep Huguenin glaubte, dass es auch notwendig sei, Zeugnis abzulegen. Der Name der Veranstaltung war geboren.»

«Mir waren all die internen Unterschiede innerhalb der Kirche egal.»

Daniel Pittet

Um das Glaubensfest zu gründen, zu dem heute jeweils um die tausend Personen aus der Westschweiz und Frankreich kommen, rief Pittet die verschiedenen Gruppen des Laienapostolats in der Romandie zusammen. «Mir waren all die internen Unterschiede innerhalb der Kirche egal», sagt er heute. «Ich wollte, dass das Festival für alle da ist.»

Die eigene Angst überwinden

Pittet regte an, dass sich die unterschiedlichen Gruppen mit einem gemeinsamen Stand am Festival vorstellen. Das Festival kam bei der Jugend gut an. Zahlreiche Gäste legten in den vergangenen dreissig Zeugnis von ihrem Glauben und Einsatz für die Kirche ab.

Unter den vielen war auch Jean Vanier, der Gründer der Gemeinschaft «Arche» und der weltweiten Bewegung «Glaube und Licht», für Kinder mit geistigen Behinderungen. Vanier habe ihm geholfen, seine Ängste zu überwinden, erinnert sich der heute 60-jährige Pittet.

Der Telefonanruf zum Fernsehen

1997 gelang es ihm, für das Festival die Reliquien von Sainte-Thérèse de Lisieux nach Freiburg zu bringen. Das ging nicht ohne Schwierigkeiten ab. Die Reliquie wurde am Zoll in Genf zurückgehalten: «Der Zollbeamte wollte unbedingt den Wert dieser Reliquie wissen und weigerte sich, uns passieren zu lassen», erinnert er sich. «Also rief ich beim Westschweizer Fernsehen an. Dieses entsandte eine Kamerateam.» Das brachte Bewegung in die Sache und die Reliquie konnte schliesslich nach Freiburg weiterreisen.

«Ich weiss nicht, wer das Feuer weitertragen wird.»

Daniel Pittet

Daniel Pittet leitete die Veranstaltung von 1990 bis 1998. Claude Schenker übernahm die Leitung des Anlasses. Seit der Gründung hat Pittet auch alle Veränderungen miterlebt. «Glücklicherweise ist die Struktur heute teilweise professionalisiert.» Es gibt ein Sekretariat. Dieses macht es möglich, dass verschiedene Personen das ganze Jahr über an den Vorbereitungen des Treffens in Freiburg arbeiten können.

Wie geht es weiter?

Möglicherweise wird die dreissigste Durchführung des Festivals «Prier témoigner» auch die letzte sein. «Ich weiss nicht, wer das Feuer weitertragen wird. Vielleicht mein Sohn Ludovic, wer weiss?», meint Daniel Pittet.

In diesem Jahr wird er als Zeuge des Glaubens selber im Mittelpunkt des Treffens stehen. «Ich möchte über meinen Lebensweg sprechen und die Mission betonen, denn Kirche, das sind wir alle, auch ich. Wissen Sie, niemand wollte mir glauben, bis mein Vergewaltiger alles gestand. Beten und Zeugnis geben haben mir erlaubt, diese schreckliche Geschichte hinter mir zu bringen.» (cath.ch/Übersetzung: Georges Scherrer)

«Prier et témoigner» in Freiburg (2018) | © Raphaël Zbinden
14. November 2019 | 05:31
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!