Gottesdienst an der Amazonas-Synode, 2019
Schweiz

Kein Sprung, aber ein wichtiger Schritt

Der frühere Luzerner Theologieprofessor Walter Kirchschläger hat gleich selber einen Vorschlag gemacht, wie ein päpstliches Papier nach drei Wochen Amazonassynode ausschauen könnte. In einem Gastkommentar für kath.ch analysiert er das Schlussdokument kurz zusammengefasst so: Keine grossen Sprünge, aber es hätte auch eine Nullrunde werden können.

Walter Kirchschläger, emeritierter Professor für Neues Testament an der Universität Luzern, 2019
Walter Kirchschläger, emeritierter Professor für Neues Testament an der Universität Luzern, 2019

«Seht, ich mache alles neu» (Offenbarung 21,5). Ausgehend von diesem Bibelwort entwickelt das Synodendokument eine vielfältige Zukunftsperspektive, entwickelt in vier Bereichen. Es geht um eine «conversion», ein Um- oder Neudenken in der Pastoral, in der Kultur, der Ökologie und in der synodalen Gestalt der Kirche vor Ort.

Dieser breite Ansatz entspricht dem Anliegen, die Kirche in die Welt von heute hinein zu stellen und dort den Herausforderungen der Zeit zu begegnen.

Das Dokument vermittelt einen engagierten Einblick in die Realität.

Es geht also um mehr als eine innerkirchliche Nabelschau. Das 120 Abschnitte umfassende Dokument vermittelt einen engagierten Einblick in die Realität, in die Hoffnungen und Nöte einer entfernten Weltregion, die uns erst die Klimaentwicklung der Erde etwas nähergebracht hat.

Dabei an Solidarität zu denken, wäre wohl zu früh. Gerade darin ist aber eine katholische (also umfassende) Kirche gefordert. Die Bestandsaufnahme lässt den kritischen Blick auf das kirchliche Leben nicht aus. Dabei wird der Finger vor allem auf die Not der Seelsorge gelegt, die angesichts der Personalsituation bisher nur eine Pastoral der fallweisen Anwesenheit (pastoral de visita, Nr. 39) sein kann. Hier muss nach Abhilfe gesucht werden. 

Hier wurde ein Fuss in die Tür gestellt.

Vor allem in diesem Punkt waren die Erwartungen gross. Schon vor der Amazonas-Synode wurde allerdings auch entsprechend beschwichtigt. Ihre Bedeutung für die Weltkirche wurde kleingeredet – so als könnte frau oder man so einfach verhindern, dass hier ein Fuss in die Tür gestellt wird.

Natürlich, es geht um Inhalte, nicht um Strukturen; aber wie soll eine Kirche in der Welt von heute glaubwürdig sein, wenn sie ihr eigenes Haus nicht ordentlich bestellt hat?

Der Berg hat (nur) eine Maus geboren.

Zündende theologische Leitideen sind ausgeblieben, sie bleiben also dem Nachsynodalen Schreiben vorbehalten, das der Bischof von Rom verfassen wird. Der Berg hat – frei nach Horaz – (nur) eine Maus geboren (ars poetica 139): Bewährte ständige Diakone werden zu Priestern geweiht, und über den Diakonat für Frauen wird neu nachgedacht.

Trotzdem werden immerhin gleiche Ämter für Frauen und Männer gefordert (Nr. 95). Bleibt zu hoffen, dass die Idee eines Sonderritus für Amazonien nicht dazu instrumentalisiert wird, für die Gesamtkirche jede Beispielsfolge auszuschliessen.

Warum stehen die Frauen erneut in der zweiten Reihe?

Das klingt nicht unbedingt nach einem grossen Wurf, und  Fragen bleiben offen: Warum erneut die Frauen in der zweiten Reihe, obwohl sie das Überleben der Kirche (nicht nur) in Amazonien gewährleisten? Warum Löcher stopfen, wenn doch der Staudamm neu gebaut gehört?

Gegen die Versuchung der Unzufriedenheit muss in Erinnerung gerufen werden: Die Synode hätte, was Reformen in der Kirche betrifft, auch eine Nullrunde werden können. Die Erneuerung der Option für die Armen in einem Akt der Selbstverpflichtung zahlreicher Bischöfe gab ein deutliches Signal einer neuen Entschlossenheit.

So ist zumindest gelungen, was durch Jahrzehnte vergeblich gefordert wurde: Die Bedingungen für das (Priester-)Amt bleiben nicht in Stein gemeisselt. Schon das ist sehr gut.


Gottesdienst an der Amazonas-Synode, 2019 | © KNA
28. Oktober 2019 | 16:19
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!