Tariq Ramadan, Islamwissenschaftler.
Schweiz

Islamwissenschaftler Ramadan geht vor Bundesgericht

Der Genfer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan geht vor Bundesgericht. Dieses soll einem seiner mutmasslichen Schweizer Missbrauchsopfer und dessen Anwälten eine Schweigepflicht auferlegen. Bei der Genfer Strafberufungskammer war Ramadan in dieser Sache schon zweimal abgeblitzt.

Die Anwälte der Klägerin, Robert Assaël und Alec Reymond, bestätigten am Mittwoch einen entsprechenden Bericht der Genfer Tageszeitung «Tribune de Genève». Der Rekurs von Ramadan beim höchsten Schweizer Gericht hat in ihren Augen zum Ziel, das Opfer zu zermürben und es dazu zu bringen, nicht über die Vorwürfe gegenüber dem Islamwissenschaftler zu sprechen.

Beschwerde des Opfers gegen «langsames Vorgehen der Justiz»

Die Frau beschuldigt Ramadan, sie 2008 in einem Hotel in Genf missbraucht und entführt zu haben. Die Genfer Staatsanwaltschaft leitete im September 2018 ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung ein.

Das Verfahren ist nach wie vor offen. Im Juli 2019 hatte das mutmassliche Missbrauchsopfer bei der Genfer Strafkammer Beschwerde gegen «das langsame Vorgehen der Justiz» eingelegt.

Opfer als Lügnerinnen dargestellt

Die Anwälte der Klägerin sind der Auffassung, dass es kein Untersuchungsgeheimnis gibt. Es stehe einer Verfahrenspartei frei, sich zu einem Fall zu äussern, vor allem über dessen Fortschritte.

Ihre Mandantin habe im Übrigen viel zu lange über das Geschehene geschwiegen, hielten Assaël und Reymond fest.

Ausserdem sei es ein Widerspruch, dass Ramadan Stillschweigen vom Opfer verlange, während er zur gleichen Zeit ein Buch über die Strafverfahren gegen ihn veröffentliche, in denen die Opfer als Lügnerinnen beschimpft würden.

Zwei Strafverfahren in Frankreich

In Frankreich laufen gegen den Dozenten ebenfalls zwei Strafverfahren. Auch dort wird Ramadan Vergewaltigung vorgeworfen. In beiden Fällen behauptet dieser, dass es sich um einvernehmliche Beziehungen gehandelt habe.

Grossvater war Gründer der Muslimbruderschaft

Ramadan ist in der Schweiz geboren, seine Vorfahren stammen aus Ägypten. Sein Grossvater war Hassan al-Banna, der Gründer der religiös-konservativen, antiwestlichen Muslimbruderschaft. Tariq Ramadan unterrichtete zwischen 1984 und 2004 an mehreren Genfer Schulen und ist seit 2009 Professor an der Oxford University in England. Allerdings ruht seine Funktion dort wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe.

Die Verteidiger von Ramadan, Guerric Canonica und Pierre de Preux, wollten am Mittwoch keinerlei Kommentar zur jüngsten Entwicklung des Falls in der Schweiz abgeben. (sda)

Tariq Ramadan, Islamwissenschaftler. | © Keystone
17. Oktober 2019 | 05:45
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