Stève Bobillier, Mitarbeiter der Bioethik-Kommmission der Schweizer Bischofskonferenz
Schweiz

Stève Bobillier hat keine Angst vor heiklen Themen

Freiburg, 15.1.19 (kath.ch) Seit über fünf Monaten arbeitet der Philosoph Stève Bobillier (36) als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für Bioethik der Schweizer Bischöfe. Das philosophische Denken hat seinen Glauben zunächst erschüttert, später aber immer mehr gestärkt. Heute hilft ihm seine Spiritualität, gelassen an die komplexen Fragestellungen heranzugehen, die bei der Kommission an der Tagesordnung sind.

Raphaël Zbinden

Der Mann, gross, elegant und vornehm, hätte zweifelsohne auch Karriere als Diplomat oder in der Kommunikationsbranche machen können. Doch Stève Bobillier entschied sich, für die Kirche zu arbeiten. Einige seiner Freunde hatten Mühe, diesen Entscheid zu verstehen. «Die Kirche hat derzeit einen schlechten Ruf. Aber ich glaube fest an diese Institution. Und mein Glaube war stärker als die Vorbehalte gewisser Freunde», versichert der promovierte Philosoph. «Es ist einfach, von aussen Kritik zu üben. Ich finde aber, dass es sinnvoller ist, von innen her an der Verbesserung der Dinge zu arbeiten.»

Keine Angst vor schwierigen Themen

Bobillier ist seit Anfang August 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommission für Bioethik der Schweizer Bischofskonferenz (SBK). Der Walliser, der in Freiburg wohnt, hat die schwierige Aufgabe, die Positionen der Kirche im Bereich der Bioethik mit den besonderen Gegebenheiten in der Schweiz in Einklang zu bringen.

Oft geht es um sehr heikle Fragen, die die Gesellschaft beschäftigen: Um Suizid, Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft. Dornige Themen also, doch Stève Bobillier hat keine Angst, sich darauf einzulassen. Denn seine Stelle bei der Kommission bietet ihm die Möglichkeit, zwei der wichtigsten Triebfedern seines Lebens zu verbinden: die Auseinandersetzung mit Ideen und das Engagement für seinen Glauben.

Schon in seiner Jugend gefiel es ihm, die Dinge zu hinterfragen. Geboren in Orsières, einem Dorf unweit von Martigny, wuchs der junge Stève in einem Umfeld auf, in dem der katholische Glaube so selbstverständlich ist wie der Schnee im Winter.

Philosophie führte zu Glaubenskrise

Die ersten Lektionen in Philosophie am Gymnasium erschütterten jedoch seine althergebrachten Glaubensüberzeugungen. «Ich erlitt eine Art Lebenskrise, als ich feststellte, dass es sehr einfach ist, mit rationalen Argumenten die Existenz Gottes zu verneinen», erzählt Bobillier.

Die Auseinandersetzung mit der Philosophie schadete seinem Glauben schliesslich doch nicht. «Je weiter ich voranschritt in der Geschichte der Ideen, umso mehr wurde ich eines kohärenten Rasters gewahr, das mich zum Glauben zurückführte.»

Allerdings blieb die emotionale Seite des Glaubens zunächst auf der Strecke. Das änderte sich, als Stève Bobillier seine künftige Ehefrau kennenlernte. «Sie holte mich zurück auf den Boden der Realität, indem sie mich wieder mit der intuitiveren, emotionaleren Seite meines Wesens verband.»

«Die Geburt meiner Kinder war die grösste Lektion in Philosophie.»

Die Geburt der Zwillinge des Paares Anfang 2018 festigte das Gleichgewicht zwischen den Dimensionen Vernunft und Emotion noch mehr. «Kinder intellektualisieren die Dinge nicht. Sie leben voll und ganz in der Gegenwart. Die Geburt meiner Kinder war für mich die grösste Lektion in Philosophie», bekennt der 36-jährige Familienvater.

Eine starke Spiritualität hilft ihm, als wissenschaftlicher Mitarbeiter gelassen an die existentiellen Fragestellungen heranzugehen. Im Rahmen seines Studiums an den Universitäten von Freiburg (Schweiz), Paris und Rom befasste sich Stève Bobillier insbesondere mit der Fähigkeit des Menschen, kohärente moralische Normen in sich selbst zu finden.

Kritisches Denken in der Schule

Seine Doktorarbeit hat er über Pierre de Jean Olivi geschrieben, einen französischen Franziskaner, der im Mittelalter lebte. Der Theologe vertrat die Auffassung, es sei Aufgabe des Menschen, selber die ethischen Grundlagen seines Handelns zu finden. Stève Bobillier versuchte, diese Sichtweise in seinem Unterricht als Lehrer umzusetzen.

Während mehr als zehn Jahren förderte er das kritische Denken bei seinen Schülern, die sich auf die Maturaprüfung vorbereiteten. «Ich versuchte, ein System zu durchbrechen, das ich als zu schulisch empfand. Ich wollte den Schülern beibringen, dass sie nicht alles gedankenlos akzeptieren, was man ihnen vorsetzt.»

Fingerspitzengefühl und solide Kenntnisse

Auch bei der SBK findet der Forscher die Möglichkeit, «konkrete Ethik» zu betreiben. «Es geht um mehr als eine intellektuelle Übung. Nämlich darum, Normen und Lösungen vorzuschlagen, die sich konkret auf die Gesellschaft auswirken», erklärt Bobillier.

Bei dieser Arbeit müsse ein subtiles Gleichgewicht gefunden werden. «Man muss mit sehr unterschiedlichen Faktoren und Sensibilitäten ausserhalb, aber auch innerhalb der Kirche umgehen können.» Da sind Fingerspitzengefühl, aber auch solide Kenntnisse in verschiedensten Bereichen gefragt – von der Medizin über die Genetik bis hin zu Recht und Theologie.

Dennoch wollten die Stellungnahmen der Kommission für Bioethik keine Regeln vorschreiben, betont der Forscher. «Es geht darum, einen Rahmen und die nötigen Werkzeuge des Verstehens bereitzustellen, damit die Menschen so gut wie möglich urteilen und handeln können.»

Ausweitung der Themen

Bobillier hat vor, mit anderen Kommission der Schweizer Bischöfe enger zusammenzuarbeiten. Etwa mit «Justitia et Pax», die sich mit sozialethischen Fragen befasst, und «Migratio», der Dienststelle für Migration. Ausserdem will er das Spektrum der von der Bioethik-Kommission bearbeiteten Themen ausweiten. Zum Beispiel auf den Transhumanismus, gerechte Medikamentenpreise, die Verdrängung des Todes oder die Marginalisierung alter Menschen. (cath.ch, Übersetzung: bal)

Stève Bobillier, Mitarbeiter der Bioethik-Kommmission der Schweizer Bischofskonferenz | © Raphaël Zbinden
15. Januar 2019 | 15:32
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