Zugang zu Informationen für Minderheiten sicherstellen!

Medienmitteilung

Amnesty International bezieht Stellung gegen die «No Billag»-Initiative – Die Umsetzung der «No Billag»-Initiative würde das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit insbesondere für sprachliche Minderheiten gefährden. Dies betont die Schweizer Sektion von Amnesty International Schweiz in ihrer Stellungnahme gegen die Initiative.

 

«Die Bundesverfassung und von der Schweiz ratifizierte völkerrechtliche Verträge verpflichten die Schweizer Behörden, das Recht aller Personen, einschliesslich der sprachlichen Minderheiten, auf vielfältige Informationen zu achten und zu schützen», sagt Manon Schick, Geschäftsleiterin der Schweizer Sektion von Amnesty International. «Die Umsetzung der ‹No Billag›-Initiative würde den Zugang zu unabhängigen und vielfältigen Informationen und Meinungen vor allem für sprachliche Minderheiten und Menschen mit Behinderungen gefährden.»

 

«Eine Annahme der ‹No Billag›-Initiative hätte weit mehr zur Folge als bloss den Wegfall der Gebühren. Der Bund dürfte weder eigene Radio- und Fernsehstationen betreiben noch Sender finanziell unterstützen. Dies hätte dramatische Folgen nicht nur für Minderheiten, sondern für die Zivilgesellschaft insgesamt. Wenn der Zugang zu Informationen und unterschiedlichen Meinungen eingeschränkt wird, betrifft und bedroht und das alle», so Manon Schick.

 

Schutz der freien Meinungsäusserung sprachlicher Minderheiten

Wie vom Uno-Ausschuss für Menschenrechte gefordert, müssen die Staaten sicherstellen, dass alle Personen Zugang zu unabhängigen und vielfältigen Medien haben, um das Recht auf freie Meinungsäusserung ohne Diskriminierung zu gewährleisten. Der Staat muss demnach in besonderer Weise die Förderung von Medien sicherstellen, die ethnischen und sprachlichen Minderheiten Zugang zu einer breiten Palette von Informationen und Ideen ermöglichen. Der Ausschuss macht insbesondere deutlich, dass Staaten verpflichtet sind, die unabhängige Arbeit von Rundfunk- und Fernsehstationen sicherzustellen. Sie müssen ihnen Finanzmittel zur Verfügung stellen, die gewährleisten, dass ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet ist.

Das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, dem die Schweiz beigetreten ist, verpflichtet die Staaten, Angehörige einer nationalen Minderheit beim Zugang zu Informationen nicht zu diskriminieren. In dem Übereinkommen wird insbesondere gefordert, dass die Staaten in ihren nationalen Gesetzen über Rundfunk und Fernsehen Angehörigen nationaler Minderheiten die Möglichkeit gewähren, eigene Medien zu schaffen und zu nutzen.

Die Bundesverfassung sieht ebenfalls besondere Pflichten gegenüber sprachlichen Minderheiten vor. In Artikel 70 ist festgelegt, dass «der Bund […] Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache [unterstützt]». Durch das Verbot der Subventionierung sämtlicher audiovisueller Medien (sowohl der SRG als auch regionaler Rundfunk- und Fernsehsender) könnte die Initiative dazu führen, dass der Bund an der wirksamen Erfüllung seiner Aufgabe, die Rechte von ethnischen und sprachlichen Minderheiten zu schützen, gehindert wird.

Die Staaten müssen jegliche Form von Diskriminierung bekämpfen. Dazu gehören auch Fälle, in denen ein scheinbar neutrales Vorgehen oder Gesetz ohne stichhaltige Begründung zu einer unverhältnismässigen Benachteiligung einer bestimmten Gruppe führt. Die französisch-, italienisch- und rätoromanisch-sprachigen Regionen könnten in besonderer Weise vom Wegfallen der staatlichen Finanzierung der SRG sowie privater regionaler Rundfunk- und Fernsehsender betroffen sein. Diese Regionen profitieren gegenwärtig in hohem Masse von der Rundfunk- und Fernsehgebühr: 70 Prozent der Gebühren werden in der deutschsprachigen Schweiz eingenommen, davon werden jedoch nur 45 Prozent zur Finanzierung deutschsprachiger Medien verwendet, der übrige Betrag fliesst in die Minderheitsregionen.

 

Zugang zu Informationen für Menschen mit Behinderungen

Die Schweiz hat auch im Zusammenhang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen besondere Pflichten, den Zugang behinderter Menschen – zum Beispiel von Menschen mit Hörbehinderung – zu Massenmedien zu gewährleisten. Ohne staatliche Finanzierung wäre nicht mehr sichergestellt, dass private Medien ihre Programme in Gebärdensprache übersetzen können.

 

Die vollständige Position von Amnesty Schweiz zur «No Billag»-Initiative

 

Amnesty International
11. Januar 2018 | 09:08