Tommaso Di Ruzza, Direktor der Behörde für Finanzinformationen (AIF) und René Brülhart, Präsident der vatikanischen Finanzaufsicht, 28.4.16 in Rom
Vatikan

Vatikan-Finanzaufsicht hegt Verdacht auf Betrug und Steuerhinterziehung

Rom, 28.4.16 (kath.ch) Die vatikanische Finanzaufsicht (AIF) hat im vergangenen Jahr 544 suspekte Transaktionen festgestellt, fast dreimal mehr als 2014. Allerdings erhärtete sich der Verdacht nur in 17 Fällen so weit, dass die vatikanische Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Wie aus dem am Donnerstag in Rom vorgestellten AIF-Jahresbericht weiter hervorgeht, ging es dabei vor allem um Verdacht auf Betrug und Steuerhinterziehung.

AIF-Chef Rene Brülhart sagte, die steigenden Meldezahlen zeigten, «dass das System funktioniert». Potenzielle Finanzvergehen können so benannt werden. 2015 markiere einen Wendepunkt auch im Blick auf die internationale Zusammenarbeit des Heiligen Stuhls im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

Brülhart sprach von einem «massiven Anstieg des Informationsaustauschs» mit Aufsichtsorganen anderer Staaten. Der Schweizer Experte für Finanzkriminalität verwies auf die positive Beurteilung im zweiten Bericht des europäischen Anti-Geldwäsche-Komitees Moneyval, der im Dezember veröffentlicht wurde.

Whistleblowing-Mechanismen verstärkt

Insgesamt wurden seit Beginn der AIF-Überprüfungen 2011 rund 900 Verdachtsfälle registriert. In 34 Fällen bat die Behörde die vatikanische Staatsanwaltschaft um Aufnahme von Ermittlungen. Die Zunahme der Verdachtsfälle bedeute keinen Anstieg krimineller Aktivitäten, sondern zeige, «dass die Whistleblowing-Mechanismen stärker geworden sind», heisst es in dem Bericht.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden wurde verstärkt. 2015 trat die AIF in 380 Fällen mit ausländischen Partnerorganisationen in Kontakt, gut dreimal öfter als im Vorjahr. Mit sechs weiteren Staaten schloss der Heilige Stuhl Abkommen über einen Informationsaustausch, darunter Kuba, Luxemburg und Paraguay; aktuell hat der Vatikan solche Vereinbarungen mit 27 Staaten.

Weniger Transaktionen über 10’000 Franken

Deutlich rückläufig war in den vergangenen Jahren die Zahl der Transaktionen über 10’000 Euro. Während 2012 dem Bericht zufolge fast 1800 Überweisungen aus dem Vatikan gemeldet wurden, waren es vergangenes Jahr knapp 1200; ähnlich sank die Zahl von Geldtransfers in den Vatikan von knapp 600 vor vier Jahren auf zuletzt rund 370.

Im Zuge von Überprüfungen setzte die AIF im vergangenen Jahr Transaktionen mit einem Gesamtumfang von 8,3 Millionen Euro und 1,7 Millionen US-Dollar vorübergehend aus; 7,1 Millionen Euro und 655’000 US-Dollar an Einlagen wurden eingefroren.

Verstärkte Kooperation gegen Terrorfinanzierung

Im Vorgehen gegen Terrorfinanzierung verstärkte der Vatikan nach AIF-Angaben seine Aktivitäten und die internationale Zusammenarbeit. So kooperiere man enger mit Behörden von «Staaten, die dem Risiko von Terroranschlägen stärker ausgesetzt sind», heisst es in dem Bericht. Brülhart sagte dazu, alle bekannten Verdachtsfälle bezögen sich auf Geldwäsche; aus der Vergangenheit wisse man aber, dass es von dort aus auch «indirekte Verbindungen» zu Terrorfinanzierung gebe.

Was die Überprüfung von dubioser Konten der Vatikanbank IOR angeht, sagte AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza, er gehe davon aus, dass mit der Schliessung von 4800 Konten mit unzureichenden Kundenangaben im vergangenen Jahr die Bereinigung abgeschlossen sei. Die endgültige Zahl der Kontenschliessungen werde vielleicht 4950 erreichen, so Di Ruzza. (cic)

Tommaso Di Ruzza, Direktor der Behörde für Finanzinformationen (AIF) und René Brülhart, Präsident der vatikanischen Finanzaufsicht, 28.4.16 in Rom | © KNA
28. April 2016 | 17:49
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