Universität Freiburg.
Schweiz

Katholisch-freikirchliche Friedensausbildung: Kein Friede, Freude, Eierkuchen

Freiburg i.Ü., 30.1.16 (kath.ch) An der Universität Freiburg sollen ab April Friedensstifter ausgebildet werden. Für die Weiterbildung kooperiert die Katholische Theologische Fakultät mit einer freikirchlichen Ausbildungsstätte. Eine ungewöhnliche Zusammenarbeit mit Konfliktpotential.

Remo Wiegand

Kann man Frieden an einer Uni lernen? Marcus Weiand atmet einmal durch. «Gute Frage», sagt der Dozent am Theologischen Seminar Bienenberg (BL) dann, bevor er von «Ideen und Werkzeugen»spricht, die man zur besseren Konfliktbewältigung erlernen könne. «Nicht im praktischen Sinn», antwortet seinerseits Mariano Delagado, Professor für Neuere Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät von Freiburg. Aber: «Konflikte und Friedensarbeit sind relevante Themen in der Gesellschaft. Unsere Aufgabe ist es, dies wissenschaftlich zu reflektieren.»Praktische Werkzeuge treffen pure Wissenschaft: In der katholisch-freikirchlichen Friedensausbildung finden ab April zwei Welten zueinander. Mindestens.

«Freikirche mit reicher Tradition»

Delgado und Weiand sind die Co-Studienleiter des Ausbildungsgangs «Friedenskultur und Konflikttransformation». Ob die Weiterbildung durchgeführt werden kann, hängt von den Anmeldungen ab (siehe Kasten). Dass sie angeboten wird, ist aber bereits eine beachtliche Pioniertat. Den Boden dafür bereitete das Freiburger «Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft», das seit 2014 eine Brücke zwischen der katholischen und der freikirchlich-evangelikalen Welt schlägt. Walter Dürr, Leiter des Studienzentrums sowie der evangelikalen «Jahu»-Gemeinschaft in Biel, brachte das Seminar Bienenberg und die Freiburger Fakultät an einen Tisch. Die freikirchliche Ausbildungsstätte, die Friedensforschung schon länger als Schwerpunkt pflegt, fand in Freiburg jene Partner, die dem bereits angedachten Lehrgang höheres akademisches Format verlieh.

«Wie wir hörten, war das Projekt in Freiburg nicht ganz unumstritten», weiss der evangelische Theologe Marcus Weiand. Die noch ungewohnte Zusammenarbeit mit Freikirchen wurde an der altehrwürdigen, vom Dominikanerorden geprägten Theologischen Fakultät teils skeptisch beäugt. Mit Mariano Delgado hatte die Idee allerdings einen starken Fürsprecher: Die Freiburger Uni dränge sich mit ihrer Zweisprachigkeit, dem Ethik-Schwerpunkt und mit der historischen Brückenfunktion der Stadt nachgerade für einen solchen Lehrgang auf, argumentierte Delgado. Und: «Das Seminar Bienenberg ist ein sehr seriöser Partner». Die Mennoniten, die Träger des Seminars, erläutert Delgado, seien nicht irgendeine neumodische Pfingstkirche, sondern eine Freikirche mit reicher Tradition. Die Mennoniten hatten sich zu Beginn der Reformation von der Staatskirche losgesagt, sie erlitten Verfolgungen und eigneten sich dabei einen grossen Erfahrungsschatz in gewaltfreiem, pazifistischem Widerstand an.

Neues Zielpublikum

Entscheidend dürfte im Freiburger Fakultätsrat allerdings noch ein anderes Argument gewesen sein: «Mit der Kooperation mit den evangelischen Institutionen öffnen wir die Theologische Fakultät für ein neues Zielpublikum», so Delgado. Mit einem verhältnismässig paradiesischen Betreuungsverhältnis, bei dem auf eine Professur knapp 20 Studierende kommen, steht die Fakultät unter latentem Rechtfertigungsdruck. Innovative Angebote, die neue Kunden generieren, vermögen in dieser Situation manchen Skeptiker zu überzeugen.

Und doch: Wie friedlich verlief der interne Findungsprozess der beiden ungleichen Partner? Führte die unterschiedliche konfessionelle Herkunft nicht auch zu Konflikten? «Es gab interessante Gespräche», lächelt Co-Studienleiter Weiand, «grosse Gegensätze» konfessioneller Natur hätten aber kaum überwunden werden müssen. Schon eher zeigten sich Unterschiede beim akademischen Selbstverständnis – hier die Praxis-Fans vom Bienenberg, dort die Theorie-Freunde aus Freiburg –, was dann auch mal bei der Gestaltung eines Flyers zu Diskussionen führen konnte: «Herr Delgado hat eine wohltuend direkte Art», berichtet Weiand. Gestört oder gar eingeschüchtert hat das den akademischen Juniorpartner nie. «Die Atmosphäre war immer offen und freundschaftlich. Und wenn nötig konnten wir rasch deeskalieren.»

Konstruktive Konflikte

Überhaupt wäre es ein Missverständnis zu glauben, eine Weiterbildung zu «Konflikttransformation und Friedenskultur»wolle Konflikte aus der Welt schaffen. Eher das Gegenteil ist der Fall: «Es geht bei uns nicht um Friede, Freude, Eierkuchen», stellt Weiand klar. «Konflikte sind zunächst einmal wertzuschätzen, sie tragen wichtige Botschaften in sich.»Zuerst müssten allerdings ihre destruktiven Elemente erkannt und abgetrennt, entstandene Verletzungen durch Vergebung und Versöhnung möglichst aufgefangen werden. Die konstruktiven Seiten eines Konflikts gelte es sodann in eine rationale Problemlösung zu überführen. «Die Konflikte rund um das Wahlrecht für die Frau stellten sich letztlich als sehr konstruktiv heraus», nennt Delgado ein historisches Beispiel. Zugleich seien nicht alle Konflikte lösbar, mit einigen müsse man schlicht leben lernen.

Am 18. April soll das erste Modul der Weiterbildung auf dem Bienenberg stattfinden. Anfänglich geht es gemäss Programm eher um das grosse Ganze, um Gott und die Welt der Konflikte. Ab Herbst widmet sich der Lehrgang dann vermehrt auch praktischen Methoden der Konfliktbewältigung. Nicht zuletzt sind Supervisionstage vorgesehen, bei denen Beispiele aus dem persönlichen Umfeld besprochen werden. Hauptverantwortlich für letztere ist übrigens eine Frau, daneben besteht das Dozententeam indes aus 17 Männern. «Keine optimale Verteilung», gesteht Marcus Weiand. Und möglicherweise Konfliktpotential, das der Weiterbildung irgendwann blüht. Die friedensbewegten Männer würden sich ihm bestimmt stellen. (rew)

 

 

 

Universität Freiburg. | © Georges Scherrer
30. Januar 2016 | 10:11
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Katholisch-freikirchliche Friedensausbildung

Die CAS-Weiterbildung «Konflikttransformation und Friedenskultur»richtet sich an Berufsleute wie Lehrer, Pfarrpersonen oder Unternehmerinnen. Sie erwerben Kenntnisse darüber, «wie biblisch-theologisch verantwortetes und werteorientiertes Handeln aussehen kann»und trainieren ihre «persönliche Konfliktfähigkeit und -festigkeit». Die von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg und dem Theologischen Seminar Bienenberg getragene Weiterbildung dauert ein Jahr, als Abschluss winkt ein CAS-Diplom (Certificate of Advanced Studies). Die Kosten betragen 4400 Franken. Bisher haben sich sechs Personen für den Lehrgang angemeldet oder interessiert gezeigt, nötig wären mindestens zehn. Anmeldeschluss ist der 7. März. www.friedenskultur.info (rew)